Log Line

„Können wir uns die Reichen noch leisten?“ Der Dokumentarfilm „Breaking Social“ widmet sich den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, stellt dringende Fragen und zeigt Hoffnung stiftende Lösungsansätze auf, die im Kleinen beginnen.  

Breaking Social (2023)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

Survival of the Friendliest

Unser Planet brennt, die Ressourcen schwinden dahin und die globalen Machtstrukturen verfestigen sich zum Vorteil einiger weniger. Wahrlich: Die derzeitige Nachrichtenlage vermittelt den Eindruck, wir würden in rasender Geschwindigkeit eine Abwärtsspirale hinunterrutschen. Wie soll man da noch Optimismus und Tatkraft in sich mobilisieren? Fredrik Gerttens begegnet dem um sich greifenden Zynismus und der Resignation mit einem idealistischen Ansatz: Sein Dokumentarfilm „Breaking Social“ adressiert die multiplen Krisen der Menschheit nicht nur, sondern zeigt auch Lösungsansätze auf, die aufrütteln sollen, selbst aktiv zu werden!

Das neoliberale Aufstiegsversprechen ist hinlänglich bekannt: Wer Fleiß und harte Arbeit investiert, werde früher oder später mit beruflichem Erfolg und materiellem Wohlstand belohnt. Und noch immer scheinen sich zahllose Menschen mit diesem Märchen friedlich in den Schlaf zu wiegen. Statistisch unwiderlegter Fakt ist jedoch, dass die Schere zwischen Arm und Reich seit Jahrzehnten fortschreitend weiter auseinanderklafft. Ganz in diesem Sinne lautet die für manche vielleicht nicht ganz unprovokative Einstiegsfrage des Films: „Können wir uns die Reichen noch leisten?“

Die Meritokratie, in der wir vermeintlich leben – eine Gesellschaft, die Leistung belohnt – sei in Wahrheit eine Kleptokratie; also eine Gesellschaft, in der Reiche ihre Privilegien nutzen, um sich auf die Kosten der Vielen noch weiter zu bereichern. Es bestünde ein engmaschiges und sehr komplexes Netzwerk, das diese korrupten Machtstrukturen aufrechterhielte, schütze und die Geldflüsse auf einige Einzelpersonen konzentriere, so die renommierte Journalistin und Politik-Expertin Sarah Chayes. Das alles geschehe auf Kosten der zahllosen Menschen, die tagtäglich hart arbeiten und die eigentlichen Pfeiler unserer Gesellschaft seien. Auch der prominente niederländische Historiker und Aktivist Rutger Bregman schlägt in diese Bresche. Als Autor von Büchern, die in deutscher Übersetzung bei Rowohlt unter den Titeln „Im Grunde gut“ und „Utopien für Realisten“ veröffentlicht wurden, beschreibt er die mediale Negativitäts-Dunstglocke als eine Art Lähmungskatalysator für die breite Masse. All das würde die aktuellen Machtverhältnisse stärken, da es die Menschen niedergeschlagen und zynisch mache. 

Dass es trotz dessen auch viele Menschen gibt, die sich für eine bessere Welt und mögliche Utopien einsetzen, zeigt Breaking Social an diversen Beispielen von aktivistisch Tätigen: Ob in Chile, wo noch immer patriarchale Strukturen vorherrschen und laufend Frauen entführt und ermordet werden, in Malta, wo die Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia im Zuge ihrer Recherche gegen Korruption 2017 einem Anschlag zum Opfer fiel, oder in den USA, wo Lehrende an Schulen oder Arbeitende bei Amazon sich gegen ausbeuterische Systeme wehren. 

Angesichts der Dringlichkeit der globalen Themen, die Frederick Gertten in seinem Film verarbeitet, irritiert der über weite Strecken eher einlullende Tonfall einer nachmittäglichen Fernseh-Doku. Durchaus wichtige und interessante Beobachtungen der Talking Heads werden bebildert mit gemütlichen Spaziergängen am Fluss oder gemächlichen Kaffeekränzchen. Womöglich war es aber auch eine bewusste dramaturgische Entscheidung, um sich vom Alarmismus abzugrenzen?! 

Passen könnte es, denn argumentativ wird dem „survival of the fittest“ das „survival of the friendliest“ gegenübergestellt. Und der grassierenden Resignation wird mit zaghaftem Optimismus begegnet. Breaking Social deutet auf globale Missstände und veranschaulicht inspirierende Formen des Engagements sowie (friedlichen) Protests und Widerstands. Ein durchaus engagierter Dokumentarfilm, der im Kleinen ansetzt und seinen Beitrag dazu leistet, den Saboteur in uns niederzuringen.

Breaking Social (2023)

Alle Gesellschaften beruhen auf der Idee eines Gesellschaftsvertrags. Uns wird gesagt, dass wir belohnt werden, wenn wir hart arbeiten, wenn wir andere mit Respekt behandeln und wenn wir die Regeln befolgen. Aber dann gibt es die Regelbrecher. Diejenigen, die Steuerparadiese nutzen und Gewinne einstecken, ohne der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
„Breaking Social“ wirft einen Blick auf globale Muster von Kleptokratie und Extraktivismus. Ein ermordeter Investigativjournalist in Malta. Ein Fluss ohne Wasser in Chile. Wenn die Menschen einen Kipppunkt erreichen, beginnen sie, sich zu organisieren und zu protestieren. Wir sehen die- jenigen, die bereits an der vordersten Front der sozialen Aufstände auf der ganzen Welt kämpfen.
„Breaking Social“ erforscht die Möglichkeiten der Bekämpfung von Ungerechtigkeit und Korrup- tion. In diesem Film geht es darum, die Grundpfeiler unserer Gesellschaft neu zu definieren und die Hoffnung zu wecken, die in jedem von uns lebt.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen