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„Demon Pond“ ist die radikale filmische Umsetzung eines traditionellen japanischen Theaterstücks. Auf den äußerst atmosphärischen Aufbau eines Mysteriums in der ersten Hälfte des Films folgt ein wahnwitziger visueller Trip, bei dem jeglicher Anspruch an eine klassische Narration konsequent baden geht. 

Demon Pond (1979)

Eine Filmkritik von Moritz Henze-Jurisch

Menschen und Mächte

Mit „Demon Pond“ (zu deutsch: „Dämonenteich“) hat Regisseur Masahiro Shinoda im Jahr 1979 einen verhältnismäßig späten, aber nicht minder interessanten Beitrag zur Japanese New Wave (Noberu Bagu) gedreht. Der Film basiert auf dem gleichnamigen japanischen Theaterstück, das man dem traditionellen Kabuki-Theater zuordnen kann. Dabei sind die inszenatorischen Eigenheiten dieser besonderen Form des Theaters auch deutlich in dessen filmischer Umsetzung zu finden, wodurch Shinoda eine äußerst experimentelle Adaption gelungen ist, die Tradition und Moderne vereint. 

Die Legende vom Dämonenteich besagt, dass in ihm ein böser Drache haust. Um zu verhindern, dass er ausbricht und das naheliegende Dorf in seinem Zorn überschwemmt, muss jeden Tag dreimal eine Glocke geläutet werden. Seit vielen Jahren geht Akira Hagiwara (Gô Katô) dieser Aufgabe nach. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Yuri (Tamasaburo Bando). Beide leben in liebender Harmonie miteinander, die im Laufe des Films ins Wanken gerät. Eine Dürre macht dem Dorf zu schaffen, wodurch der Frieden zunehmend gefährdet wird. Hinzu kommt der Fremde Gaukuen Yamazaki (Tsutomu Yamazaki), der den Dämonenteich erforschen will. 

Demon Pond beginnt ruhig und mysteriös. Wir folgen zuerst dem Fremden, wie er auf seiner Suche nach dem Dämonenteich das Dorf und seine merkwürdigen Bewohner*innen kennenlernt. Es wird viel von geheimnisvollen Wesen und Sagen gesprochen, und der besondere „Dämonenteich“ wird in nahezu jedem Satz erwähnt. Dadurch baut der Film bereits ein großes Mysterium auf, das durch die besondere Optik eine zusätzliche traumartige Atmosphäre erschafft. Der erste besondere Clou: Die meisten Sets des Films sind häufig eindeutig als Studiobauten zu erkennen und ähnlich wie eine Theaterbühne aufgebaut. Die Kulissen sind dabei aber mitnichten karg oder leer, sondern gefüllt mit zahlreichen liebevollen Details. Die Kamera verweilt auch mitnichten in einer Theater-artigen statischen Position in langen Einstellungen, sondern bewegt sich äußerst dynamisch und findet immer wieder ungewöhnliche Blickwinkel.

Es dürfte bereits jetzt klar werden, dass Regisseur Masahiro Shinoda die Kabuki-Vorlage seines Films durchaus ernst nimmt, sich aber eben nicht zu starr an dessen Eigenheiten festhält, sondern diese gekonnt in eine filmische Form übersetzt. Nichtsdestotrotz kann eine gewisse Grundkenntnis über die Besonderheiten des Kabuki-Theaters das Verständnis und die Seherfahrung von Demon Pond enorm aufwerten. Deshalb folgende Handreichung: Kabuki-Theater zeichnet sich dadurch aus, dass in der Regel nicht gesprochen wird. Die Geschichte soll durch Gesang und Pantomimen-artigen Tanz erzählt werden. Häufig handeln Kabuki-Stücke von Samurais, japanische Folklore und Sagen, insbesondere aus der Geisterwelt, spielen aber ebenfalls oft eine Rolle. Eine weitere Besonderheit ist, dass seit 1652 als Frauen gelesene Darstellerinnen grundsätzlich verboten wurden. Als Grund für seine Entscheidung nannte der damalige Kaiser die ungewollte erotische Komponente, die durch den Tanz der Frauen angeblich entstand. Als Konsequenz wurden zukünftig alle weiblichen Rollen ebenfalls von Männern verkörpert. Diese wurden auffällig weiblich geschminkt und sangen im hohen Falsett. 

Diese ursprünglich zutiefst chauvinistische Entscheidung hat heutzutage ironischerweise aber auch einen besonderen geschlechtsübergreifenden Aspekt, den Shinoda als zweiten Clou aufgreift. So wirken in Demon Pond zwar auch Schauspielerinnen mit, aber Yuri, die weibliche Hauptrolle des Films, wird von einem Mann verkörpert. Tamasaburo Bando ist dabei tatsächlich ausgebildeter Kabuki-Schauspieler und spezialisiert auf weibliche Rollen. Seine Performance passt sich der besonderen Stimmung des Films hervorragend an, vor allem da seine Figur sich in der zweiten Hälfte zur eigentlichen Hauptfigur des Films entwickelt, in der Demon Pond dann nochmal in eine ganz andere Richtung verläuft. 

Nach all dem mysteriösen Aufbau in der ersten Hälfte löst der Film diesen dann tatsächlich ein und betritt endgültig das Reich der Fantasie in Form der Geisterwelt (der dritte Kabuki-Verweis). Hier treffen wir dann Prinzessin Shirayuki (ebenfalls gespielt von Bando), die als eine Art Doppelgängerin von Yuri in der Geisterwelt existiert. Begleitet wird sie dabei von allerlei fantastischen Wesen. Ohne zu viel zu verraten, sei an dieser Stelle gesagt, dass diese Wesen jederzeit als Schauspieler in Kostümen zu erkennen sind, ihre Kostüme aber dennoch absolut fantastisch aussehen. Im Kontrast zum doch sehr langsamen Aufbau des Films zieht dieser nun das Tempo auch gehörig an und konzentriert sich fast ausschließlich auf seine volle visuelle Kraft, die man in Worten nur sehr schwer beschreiben kann. Jegliche Ansprüche an eine stringente Narration werden dabei vernachlässigt, es zählt nur noch die rauschartige Wirkung der Filme.

Dieser krasse Bruch wird dabei einige Zuschauenden mit Sicherheit verunsichern oder gar abstoßen. Es ist aber auch diese konsequente und radikale Verschmelzung zweier Erzählformen, die Demon Pond zu einem so besonderen Film macht, den man am besten im Kino auf sich wirken lässt.

Demon Pond (1979)

„Demon Pond“ ist eine Geschichte aus der Welt der Fantasie und der Legenden, geschrieben von Kyoka Izumi. Die Geschichte handelt von der Legende des Dämonenteichs, einem Teich in der Präfektur Fukui, der von den Bergen des Mikuni-Passes umgeben ist. Ein Drachengott ist in dem Teich eingeschlossen, und wenn die Glocke in der Nähe des Teiches nicht dreimal am Tag geläutet wird, wird der Drachengott wild um sich schlagen und das Dorf wird von einer großen Flut heimgesucht. Der Mann und die Frau, die die Glocke hüteten, lebten friedlich und glücklich… aber ihr ereignisloses Leben fand plötzlich ein Ende, als sich die Welt der Fantasie und der Geheimnisse entwickelte… (Quelle: Rapid Eye Movies)

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