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In den Hügeln von Hollywood liegt das Paradies: Hier können Mitarbeiter der Film- und Fernsehindustrie ihren Lebensabend genießen. In „Sunset Over Hollywood“ begleitet Uli Gaulke einige der früheren Hollywood-Handwerker in ihrem Alterssitz – sanft, einfühlsam, unterhaltsam.

Sunset over Hollywood (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Untergehende Sterne

In den Hügeln von Hollywood, irgendwo beim Spielberg Drive, am Ende des Mulholland Drive, liegt das Paradies für Ruheständler: Ein wunderschön gepflegtes, mit feinen Bungalows säuberlich besetztes, parkähnliches Altersheim für die, die früher im Filmbusiness gearbeitet haben. Dort leben keine Stars, sondern die kreativen Handwerker, die, die den Betrieb am Laufen hielten: Vom Produzenten über den Regisseur und den Autor bis zum Cutter ist alles da, und, auf weiblicher Seite, vornehmlich Schauspielerinnen. Getragen wird der Ruhesitz von einer Stiftung, in die die Filmemacher einzahlen – und dabei von den Stars, Jodie Foster und George Clooney, David Carradine und Kirk Douglas (der ob seines Starruhms selbst kein Fall für das Seniorenstift ist) unterstützt werden. Man kann sich das Motion Picture Country Home als eine Art Altersresidenz/Betreutes Wohnen vorstellen, Heimat im Hebst des Lebens für Hollywoodianer, in einer geschlossenen Gesellschaft, so was wie eine gated community.

Uli Gaulke porträtiert in Sunset Over Hollywood dieses Abstellgleis der Filmwirtschaft, freundlich und zugewandt und neugierig auf die, die hier wohnen: Ausgehend von einem Workshop für Kreatives Schreiben, der für die silver ager des silver screens hier angeboten wird, verfolgt er den Alltag von einigen der Bewohner, die bereitwillig ihre Gedanken zum Alter und ihre Erinnerungen an früher teilen. Der Vorteil für den Filmemacher dabei: Das sind alles alte Hasen im Filmbusiness, die erstens wissen, was ein Film braucht, um gut zu wirken, und zweitens wissen, welche interessanten Infos sie liefern sollten, und die drittens allesamt Entertainer genug sind, ihre Anekdoten höchst vergnüglich abzuliefern.

So ergibt sich ein sanftes, liebevolles, unterhaltsames Porträt des Ruhestands in der Traumfabrik, in dem sich die Senioren und Seniorinnen an alten Filmen erfreuen und an neuen Stories versuchen, in denen man mal kollegial freundlich zueinander ist, mal liebevoll neckend, und in dem sich auch immer mal wieder zwei ineinander verlieben und im Herbst des Lebens heiraten. Einer, ein alter Fuchs unter den Regisseuren, unternimmt eine – für Altersheimverhältnisse – Großproduktion, „mit Greenscreen, richtig professionell!“, um seine originelle Story von Santa Claus auf Film zu bringen. Diesen lustig anmutenden Film,  produziert in den hauseigenen Studios fürs hauseigene TV, hätte man als Zuschauer dann auch selbst gerne ganz gesehen. Im Schreibkurs ist es denn auch Aufgabe, sich eine Casablanca-Fortsetzung auszudenken, und das gedeiht ganz gut – wenn man mal den Vorschlag, Rick in eine mexikanische Schwulenbar zu versetzen, weglässt. Und ein altes Ehepaar will einen Ratgeber über ihre jahrzehntelang erfolgreiche Beziehung schreiben – streitet aber immer wieder über den Titel ihres Buches. Was eine lustige Pointe setzt und überhaupt einiges aussagt über die Atmosphäre des Films: Am besten ist es, alles nicht so ernst zu nehmen, altersweise und abgeklärt über den Dingen zu stehen, alles zu nehmen, wie es kommt, und zwar selbstironisch mit Humor.

Der Kurs zum Kreativen Schreiben stellt dann auch mehr oder weniger eine Art Selbsthilfegruppe dar; die Casablanca-Fortsetzung soll ausdrücklich auch dazu genutzt werden, sich über sich selbst klar zu werden, über die Entscheidungen, die man getroffen hat, die man vielleicht bedauert, die man vielleicht aber auch wieder so treffen würde. Das mehr oder weniger vorhandene Verhältnis zu den eigenen Kindern ist ebenso Thema wie das Schreiben der eigenen Memoiren, um wenigsten via Autobiografie der oft genug im Film-Job vernachlässigten Familie etwas von sich zu erzählen.

Uli Gaulke zeigt eine heile Welt. Es ist ein bestimmendes Stilmittel seiner Dokumentarfilme, sich einzufühlen in seine Protagonisten, ihnen interessiert nahe zu kommen und ihre Lebenswelt aus ihrer Perspektive zu schildern. Beim genauen Betrachten der schönen Oberfläche aber – und das sollte man ja immer tun, genau hinschauen und mitdenken! – ergibt sich hinter der frei-fröhlichen Altersgemeinschaft das Bild einer kalten Welt. Nämlich außerhalb des Motion Picture County Home, da, wo es keine funktionierenden Sozialsysteme gibt, weshalb verdiente, aber oft genug freischaffende Mitarbeiter einer der größten Industrien der Welt, auf ein spendenbasiertes Altenteil angewiesen sind, weil es keine Rente, keine staatlich garantierte finanzielle Sicherheit im Alter gibt. Und man erkennt ein System, das modern daherkommt, aber die alten Grenzen mittelalterlicher Feudalität noch immer erkennen lässt, Grenzen zwischen den Ständen und zwischen den Zünften. Denn so schön es hier ist, so abgeschlossen ist es auch, abgeschlossen nach außen, zu den anderen, die noch kleinere Lichter im Business waren und die nicht für ein Altern in filmreifer Würde vorsorgen konnten.

Sunset over Hollywood (2018)

Versteckt am Ende des Mulholland Drive nördlich von Los Angeles liegt der Motion Picture & Television Fund, das Altersheim der US-Kinobranche. Seine Bewohner waren einmal das Rückgrat des amerikanischen Showbiz. Der Fond, der von Spenden berühmter Hollywoodgrößen unterstützt wird, gibt ihnen im Alter ein Zuhause. Denn das Alter kann den Schaffensdrang dieser vergessenen Hollywood-Helden nicht bremsen …

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