New York Express

Eine Filmkritik von Martin Beck

Runter mit der Augenbinde

Hat man erst einmal den völlig sinnbefreiten deutschen Titel verdaut, fühlt man sich bei New York Express schnell zuhause. Agenten, Doppelagenten, unschuldige Wissenschaftler, eine mysteriöse Femme fatale und ein gezielt ausschlagender Esel. Im Sog von Charade und James Bond entstanden in den sechziger Jahren eine ganze Reihe groß angelegter Spionagethriller, die sich vor allem darin unterscheiden, wie ernst die jeweilige Geschichte genommen wird. Also in diesem Fall hier nicht besonders ernst, zumindest ab der Hälfte. Wo der eigentlich straight erzählte Spion-vs.-Spion-Plot zunehmend albern wird … und das lockere Scharwenzeln der beiden Hauptdarsteller eine bemühte Note bekommt.
Nicht dass die beiden Stars, Rock Hudson und Claudia Cardinale, sich nicht abrackern würden, nur gibt es halt eine feine Grenze zwischen lässig und Quatsch. Der besagte Esel kickt Verfolger ins Wasser, Hudson stellt sich starr wie eine Schaufensterpuppe, die Cardinale ergeht sich im nächsten „süßen“ Anfall – wo Charade immer auch noch als Thriller funktioniert, steht hier vor allem leichte Unterhaltung mit Grimassen im Vordergrund. Der Film macht den Eindruck einer okayen, kaum ambitionierten Auftragsarbeit, die nicht ganz ohne Grund in Vergessenheit geraten ist. Selbst in Amerika konnte sich Universal nur zu einer DVD-R on demand aufraffen.

Die Geschichte von New York Express beginnt, jawohl, in New York, wo Psychotherapeut Rock Hudson zur Mitarbeit beim Geheimdienst engangiert wird. Mit verbundenen Augen gelangt er zu einem verwirrten Wissenschaftler (Alejandro Rey), dessen Hirn wertvolle Informationen unter Verschluss hält. Mr. Hudson soll sie aus ihm herausbekommen, was nicht nur die Schwester des Mannes (La Cardinale) auf den Plan ruft, sondern auch einen dubiosen FBI-Mann (Guy Stockwell). Es folgen Verwirrungen und Verwicklungen, eben die ganze Mischpoke eines typischen Sechziger-Jahre-Agententhrillers. Wenn es möglich wäre, à la Men in Black die Erinnerungen an x andere Filme aus dieser Richtung zu löschen, könnte das alles tatsächlich Spaß machen.

Aber nein, kein Blitzdings, sondern einfach nur ziemlich biedere Versatzstücke, die weder als Thriller noch als Komödie voll überzeugen. New York Express ist wenig ambitionierter Genre-Durchschnitt, dessen Anziehung vor allem aus den beiden Hauptdarstellern besteht. Rock Hudson und Claudia Cardinale beweisen hier erneut ihre glamourösen Fähigkeiten, doch selbst auf diesem kleinsten gemeinsamen Nenner gibt es einen Stolperstein — namentlich die Art, wie Cardinale als leicht doofe bis hysterische Zimtzicke mit unbedingter Hörigkeit dargestellt wird. Für manche mag das Nostalgie sein, andere könnten zumindest irritiert nach einem Staubtuch suchen. Noch mehr retro würde Lendenschurz bedeuten.

Für die Filmkategorie „Sonntagnachmittag & Regen“ mag New York Express ausreichen, alle anderen müssen sich auf den Sammlerwert dieser weltweiten Blu-ray-Premiere berufen. Gegenüber der vergriffenen DVD von Explosive Media ist ein kleiner Aufwärtstrend bei Bild und Ton zu verzeichnen, was insofern erfreulich ist, weil schon die alte Veröffentlichung sehr gute Qualität bot. Besondere Erwähnung verdient die deutsche Synchro, die wie so oft bei Filmen aus den sechziger Jahren exzellent gelungen ist. Extras sind erwartungsgemäß nicht anwesend.

New York Express

Hat man erst einmal den völlig sinnbefreiten deutschen Titel verdaut, fühlt man sich bei „New York Express“ schnell zuhause. Agenten, Doppelagenten, unschuldige Wissenschaftler, eine mysteriöse Femme fatale und ein gezielt ausschlagender Esel. Im Sog von „Charade“ und „James Bond“ entstanden in den sechziger Jahren eine ganze Reihe groß angelegter Spionagethriller, die sich vor allem darin unterscheiden, wie ernst die jeweilige Geschichte genommen wird.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Martin Zopick · 17.03.2022

Rock Hudson, der schon immer ein Garant für seichte Kinounterhaltung war, hat hier wieder zugeschlagen. Diesmal ohne Doris! Hier muss Claudia Cardinale gespannte Miene zum albernen Spiel machen. Philip Dunne hat alle bewährten Zutaten des Agentenfilms-für-Arme mit eingerührt:
• handfeste Auseinandersetzungen (hier kriegt Rock tüchtig auf die Mütze!) und
der Löschschaum ersetzt die Sahnetorte.
• Tumulte in der Öffentlichkeit, machen sich immer gut, das verwirrt so schön,
• Fake New jagen sich gegenseitig und
• Es wird geschmollt und geschimpft bis die Polizei kommt.
Und das Ganze ist dann unheimlich lustig, besonders wenn man dabei ins Wasser fällt.
Doch es gibt ja noch schier ausweglose Situationen und dann kommt der Spruch zum Einsatz ‘ Und wenn’s so aussieht, wie es geht nichts mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.‘ Die Slapsticks sind der Brüller, wenn z.B. einem Polizisten (Brad Dexter) eine Schaufensterpuppe auf die Rübe fällt, verdreht der die Augen und fällt ins Koma – der Zuschauer am liebsten auch.
Dabei sind die Tänzerin und der Psychiater doch ganz pfiffige Detektive und finden mit Leichtigkeit eine Nadel im Heuhaufen, weil die Gegenseite sich auch so dämlich anstellt. Ach ja, wir sind noch im Kalten Krieg und man macht sich gegenseitig die Spione abspenstig. Und für Gehirnwäsche braucht man Psychiater.
Und alle wissen, was Rock Hudson und Claudia Cardinale tun, wenn der Suchscheinwerfer die beiden am Ende beleuchtet. Das können sie wie der Originaltitel voraussagt ohne Augenbinde.
Massenware vom Band zwischen langweilig und schlicht, auch wenn Abenteuer drauf steht.