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In ihrem neuen Dokumentarfilm portraitiert Lisa Immordino Vreeland den schillernden britischen Fotografen und Kostümdesigners Cecil Beaton. Aber wie viele Facetten einer Persönlichkeit und Karriere passen in einen einzigen Film?

Love, Cecil (2017)

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

En vogue

Auf einem Bildschirm ist mir der Name Cecil Beaton zuletzt in der Netflix-Serie The Crown begegnet. Margaret, die Schwester der Königin, rebelliert in der zweiten Staffel gegen ihre Mutter, die für das jährliche Geburtstagsportrait den üblichen Haus- und Hoffotografen anschleppt. Hört man Margaret zu, könnte man den Eindruck bekommen, bei Beaton handele sich um einen zutiefst altmodischen Snob, vor dessen Linse sämtliche Modelle zu Porzellanpüppchen erstarren. Sicher ist seine Fotografie eine, die nicht immer en vogue war, der Vorwurf des Dekorateurs kam nicht von Ungefähr. Sie ist künstlich, opulent ausgestattet, manieriert, stets bestrebt, in jedem Anblick Schönheit zu finden. Aber es ist auch eine Art der Fotografie, die überdauert, auf die man immer wieder zurückkommt. Und dann ist da noch der Fotograf selbst, eine alles andere als angepasste Persönlichkeit.

Die Regisseurin Lisa Immordino Vreeland hat sich einen Namen als Dokumentaristin großer Persönlichkeiten der Kunstwelt gemacht: sie dokumentierte ihre legendäre angeheiratete Großmutter in Diana Vreeland: Das Auge muss reisen und zuletzt Peggy Guggenheim. In Love, Cecil widmet sie sich nun Cecil Beatons Karriere – jedoch weniger in technischer Hinsicht. Man wird in dem Film kaum erfahren, welche Brennweiten der Fotograf benutzte (wenn man ihn auch mehrmals mit seiner Rolleiflex sieht). Es geht in erster Linie um seine Persönlichkeit, seinen Antrieb, seinen Status eines Emporkömmlings von frühester Jugend an. Cecil Beaton, geboren 1904 in London als Sohn einer gehobenen Mittelklassefamilie, strebte stets nach Höherem. Fotografierte die junge britische Aristokratie, die sogenannten Bright Young Things, benutzte seine Kamera als Eintrittskarte in die High Society, bevor er zu einem der wichtigsten Portrait- und Modefotografen des 20. Jahrhunderts wurde und als Designer Filme wie Gigi oder My Fair Lady ausstattete.

Vor allem wenn man noch nicht viel über Cecil Beaton weiß, eignet sich Love, Cecil wunderbar als Einstieg in sein Werk. Lisa Immordino Vreeland versucht mit großer Sympathie und Faszination seine Sicht auf die Welt nachzuvollziehen, ohne ihn dabei küchenpsychologisch zu ergründen. Gelegentlich imitiert sie stattdessen seinen Blick mit der Kamera, etwa wenn sie die Ankunft am Buckingham Palace emuliert, wenn sie Wege auf seinem alten Grundstück beschreitet oder die das Anwesen umgebenden Landschaften auf den Kopf dreht – wie Beatons Freunde, die sich bei ausschweifenden Partys in den gepflegten englischen Rasen legten, um ihre Umgebung – wie sie es nannten — „vorurteilsfrei“ zu betrachten.

Angewiesen auf solches Füllmaterial ist Lisa Immordino Vreeland nicht. Das Problem bei einem Film über eine Persönlichkeit wie Cecil Beaton ist bei weitem nicht die Quellenlage: es gibt seine Fotografien und zahlreiche Selbstportraits, für das Fernsehen aufgezeichnete Interviews, die von ihm ausgestatteten Filme, eigens publizierte Monografien und Tagebücher (aus denen für Love, Cecil Rupert Everett liest). Dazu dutzende Künstler von David Bailey über David Hockney bis hin zu Leslie Caron, die selbst einiges über Cecil Beaton zu sagen haben. Schwierig ist es also eher eine gute Auswahl zu treffen, das Material zu ordnen. Cecil Betons Antisemitismusskandal nach einer heiklen Illustration in einer 1938er Ausgabe der amerikanischen Vogue, seine Zeit als Kriegsfotograf, die Affäre mit Greta Garbo und überhaupt die unglücklichen Verhältnisse zu seinen zumeist männlichen Liebhabern, die Arbeit für das britische Königshaus – all diese Episoden böten im Grunde genügend Stoff für eigene Filme. In Love, Cecil werden sie oftmals in ärgerlich knappen Exkursen geradezu abgehakt, der Rhythmus des Films kommt dann aus dem Tritt, findet keinen geschmeidigen Übergang vom einen zum nächsten Thema. Cecil Beatons Persönlichkeit wird das wahrscheinlich dennoch gerecht. Sie erscheint im Laufe des Films immer facettenreicher, wie ein Kleid, dessen aufgestellte Pailletten das Licht in alle Richtungen zugleich reflektieren.

Love, Cecil (2017)

Love, Cecil, der neue Film von Lisa Immordino Vreeland (Diana Vreeland: The Eye Has to Travel, Peggy Guggenheim), erinnert an den britischen Fotografen, Setdesigner und Grafiker Cecil Beaton, der den Jahren und Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unverkennbar seinen visuellen Stempel aufgedrückt hat.

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