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Achtsamkeits- und Meditationsübungen sind längst nicht mehr nur Beschäftigung für spirituell Interessierte, sondern werden von immer mehr Zeitgenossen in ihr persönliches Fitnessprogramm aufgenommen. Auch Schulen setzen bereits auf ihre positive Wirkung, wie dieser Dokumentarfilm zeigt.

Das stille Leuchten (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Praktischer Unterricht in Selbstwahrnehmung

Meditation und Achtsamkeit sind für viele Zeitgenossen keine theoretischen Begriffe mehr, denen der Nimbus fernöstlicher Esoterik anhaftet. Immer mehr Menschen stellen fest, dass ihnen Meditation hilft, mit dem Stress des modernen Alltagslebens besser umzugehen und ihre psychischen Kräfte aufzutanken.

Dass regelmäßige Meditation das Gehirn verändert, lässt sich an Kernspinaufnahmen ablesen. Sie kann die Konzentrationsfähigkeit erhöhen, sogar Depressionen lindern. Auch an manchen Schulen gehören Übungen zur Selbstwahrnehmung und inneren Einkehr bereits zum festen Programm neben dem herkömmlichen Unterricht. 

Der Dokumentarfilm von Anja Krug-Metzinger befasst sich mit verschiedenen Angeboten des Meditations- und Achtsamkeitstrainings für alle Altersstufen, vor allem auch mit solchen, die auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind. In einer Berliner Kita sitzen Kinder im Kreis und legen ihre Hände auf den eigenen „Ankerpunkt“ am Körper, wo der Atem zu spüren ist. Cécile Cayla, die dieses Programm mit dem Namen Happy Panda Projekt entwickelt hat, erklärt, dass „Achtsamkeit als Werkzeug“ keine Heilmethode sei, sondern der Selbsterforschung und Entwicklung der emotionalen Intelligenz diene.

An der Frankfurter Elisabethenschule beschäftigen sich die Kinder neben dem Unterricht auch mit der Wahrnehmung ihrer inneren Impulse, lassen sich auf zuweilen negative Gefühle ein, ohne sie wegzudrängen oder gleich auszuleben. Das Ziel dieser Übungen ist, die Kinder zur bewussten Entscheidung zu befähigen, ob sie ihren Gefühlen nachgeben wollen. An der Pariser Living School umfasst das Konzept der Achtsamkeit auch die Förderung des Umweltbewusstseins. 

An der Freiburger Sprachheilschule, die mehrheitlich von Migranten besucht wird, üben die Kinder, sich selbst zu fühlen, um psychisch widerstandsfähiger zu werden. Auch traumatisierte Kinder konnten, so die Erfahrungen der Lehrer, bereits von diesem Training profitieren. Der französische Fußballverband war der erste Sportverband auf der Welt, der ein als bewusste Selbstwahrnehmung umschriebenes Übungskonzept zum zentralen Bestandteil der Ausbildung machte. Die jungen Spieler sollen mit seiner Hilfe ihren inneren Frieden herstellen können und selbstsicherer werden.

Der Dokumentarfilm holt nicht nur Statements der Kurs- und Übungsleiter ein, sondern beobachtet auch, wie die Kinder das Training annehmen. Aus ihren lebhaften Wortmeldungen und der Art, wie sie sich darauf einlassen, lässt sich schließen, dass es wohl ganz gut ankommt. Offenbar merken die Kinder, dass es um sie selbst geht und nicht darum, sich einfach ruhig zu verhalten und Zeit abzusitzen. Oft sind es kleine Momente, die dem Betrachter Aha-Erlebnisse bescheren und ausgesprochen anregend wirken. 

Auch Projekte für junge Erwachsene und ältere Semester werden vorgestellt. Das von Adelheid Tlach-Eickhoff mitgegründete Project Peace bietet ein Bildungs- und Entwicklungsjahr für junge Erwachsene an. Nach einer Gruppen- und Übungsphase gehen die Teilnehmer für sechs Monate hinaus in die Welt, um sich im Ausland im Rahmen einer selbstgewählten Aufgabe zu engagieren. Das klingt nach einer interessanten Alternative zum hierzulande gerade wieder geforderten sozialen Pflichtjahr. Denn die eigene Resilienz und emotionale Intelligenz zu stärken, fördert nicht nur Empathie und Hilfsbereitschaft, sondern beugt sicherlich auch stressbedingten Gesundheitsschäden vor.

Anja Krug-Metzinger gelingt es in diesem Film, den vitalen, dynamischen Kern der Meditationspraktiken zu enthüllen. Es stimmt positiv, zu erfahren, dass mit scheinbar einfachen, stillen Übungen ohne Geräte und sonstigem Aufwand die mentale und emotionale Fitness gestärkt werden kann, und zwar auch schon in jungen Jahren. Der Untertitel des Films – Die Wiedereroberung der Gegenwart -, bringt auf den Punkt, dass es bei diesen Methoden der inneren Einkehr um eine Selbstermächtigung geht, um ein Freischaufeln von Raum und Ressourcen, damit man sich nicht ganz in Pflichten, Konsumverhalten und Ablenkungen verliert.

Das stille Leuchten (2018)

Der französische Fußballverband war der erste Sportverband weltweit, der „Bewusstheit“ und „Selbsterkenntnis“ als zentrale Komponenten in sein Ausbildungsprogramm für jugendliche Spieler aufgenommen hat. An vielen Orten in Europa entsteht im Moment eine neue Bewusstseinskultur: Eine Achtsamkeitspraxis ohne jede Bindung an Heilslehren oder religiöse Dogmen findet an vielen Orten gleichzeitig ihren Weg in unser Bildungssystem. Eine kulturelle Strömung, deren Quellen sowohl in der Antike als auch in asiatischen Weisheitstraditionen liegen, erlebt eine Renaissance. (Quelle: Verleih)

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Meinungen

Klaus · 02.12.2018

Für eine überlastete, zerstreute und oberflächliche Leistungsgesellschaft, die zunehmend am Burnout leidet und erkrankt, genau der richtige Film. Entspannungstechniken sollten deshalb schon im Kindergarten, in der Schule und im Studium bzw. in der Berufsausbildung erlernt und geübt werden. Der Film zeigt dazu gute Beispiele, wie wir wieder zu einer achtsameren, entspannteren und dadurch gesünderen Gesellschaft zurück finden können. Ein ausgezeichneter Film, den jeder Lehrer, Ausbilder, Erzieher, etc., aber auch jeder andere sehen sollte. Sehr Empfehlenswert !!