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Das Konzept der harmonischen Nachbarschaft wird in The Beasts auf eine harte Probe gestellt, als die Realisierung eines Windparks die Menschen gegeneinander aufbringt. Im Zentrum des Sturms steht das zugezogene Ehepaar Vincent und Olga; die eingeschworene Dorfgemeinschaft will sie loswerden.

Wie wilde Tiere (2022)

Eine Filmkritik von Sophia Derda

Auf eine gute Nachbarschaft

Das französische Ehepaar Vincent (Denis Menochet) und Olga (Marina Foïs) hat sich in einem kleinen Dorf im Landesinneren Galiciens niedergelassen. Dort wollen die beiden zur Ruhe kommen. Man hat vieles von der Welt gesehen, die Tochter ist aus dem Haus und ein wenig Geld ist gespart. Jetzt besteht der Wunsch nach einem einfachen Landleben. Dieses einfache Landleben ist für die Brüder Xan (Luis Zahera) und Lorenzo (Diego Anido) sowie die gesamte Dorfgemeinschaft die Realität seit Anbeginn ihres Lebens. Als sich die Chance ergibt, dass durch den Bau eines Windparks für alle eine finanzielle ​​Entschädigung im Raum steht, klaffen die beiden Parteien aneinander.

Nachbarn wissen vieles voneinander – freiwillig oder unfreiwillig. Vieles dringt zu den Ohren der anderen durch, je nachdem, wie dick die Wände sind. So können Nachbarn schnell zu besten Freunden oder besten Feinden werden. Das Gute an der anonymisierten Großstadt ist zumindest, dass es einem dann doch zu einem gewissen Grad egal sein kann. Bei Störungen wird darüber hinweggesehen und Beschwerden bleiben unbeantwortet. Im Flur wird nicht gegrüßt und man bleibt unter sich. In der kleinen Dorfgemeinschaft von The Beasts ist das nicht möglich.

Es ist von Beginn an klar, dieser Film wird kein gutes Ende nehmen. Die angespannte Stimmung ist in jeder Szene Teil der Inszenierung. Man wird das Gefühl nicht los, dass es nur wenig bedarf, damit es mit der Ruhe vor dem Sturm endgültig vorbei ist. Regisseur und Drehbuchautor Rodrigo Sorogoyen wählt dabei einen höchst interessanten Weg, die Geschichte des Dorfes zu erzählen. Sehr langsam wird sich zu Beginn den Figuren genähert.

Auf der einen Seite ist der schweigsame Franzose Vincent und auf der anderen Seite der aufbrausende Spanier Xan. Sie sind Nachbarn, können sich auf die Höfe gucken und in der Kneipe treffen sie aufeinander. Xan nimmt es Vincent übel, dass er das Angebot abgelehnt hat, seinen Hof für gutes Geld an die Windrad-Lobby zu verkaufen. Erst, wenn alle Parteien zustimmen, wird das Vorhaben umgesetzt. Xan ist außerdem darüber irritiert, dass Vincent Franzose ist.

Er lässt in seinen prahlerischen Monologen immer wieder heraushängen, dass er Frankreich nicht leiden kann und Vincent dahin zurückkehren soll. Im Laufe des Films werden die verbalen Attacken von Xan härter, bis sich schließlich körperliche Gewalt Bahn bricht.

The Beasts stellt sich die Frage, wie viel Heimat wert ist. Auf der einen Seite ist die alteingesessene Dorfgemeinschaft, die sich lieber heute als morgen auflösen würde. Nichts hält sie an diesem verlassenen Ort und die Aussicht auf einen Umzug in eine größere Stadt scheint das Versprechen auf eine Zukunft. Die Zugezogenen sehen das anders. Das Ehepaar hat sich dieses Dorf als ihre Wahlheimat ausgesucht. Sie genießen den profanen Lebensstil und interessieren sich nicht für Geld. An diesem Punkt beginnt sich der Film zu drehen und das Konzept von Gut und Böse wird außer Kraft gesetzt.

Der Konflikt entwickelt sich weiter, aus Abneigung wird Hass, bis die Eskalationsstufe am Siedepunkt ist. The Beasts bleibt dabei in seiner Tonalität durchweg fordernd – eine filmische Herausforderung. Die Gegenüberstellung der beiden Parteien ist dabei bemerkenswert vielschichtig. Obwohl man zu Beginn noch davon ausgeht zu wissen, welche Seite nachvollziehbar und empathisch handelt, wird man im Laufe des Films eines Besseren belehrt. Xans Persönlichkeit wird dabei derart fein gezeichnet, dass sich ein Umdenken einsetzt. Der konservative, ländliche Charakter wird mit dem Wunsch nach einem Ausbruch aus der Einöde gegen den Strich gebürstet. Heimat ist für diesen Menschen schlichtweg nicht von Bedeutung. Über die Jahre hat das Dorf alles verloren, Xan und die Nachbarschaft sind die letzten Zurückgebliebenen.

Am Ende sind es die Frauen, die die Folgen des Konflikts aushalten und der Film wechselt erneut seinen Blickwinkel. Sie sind es, die immer weitermachen und an der Seite ihrer Männer stehen – komme was wolle. Marina Foïs, die als stille Kraft beginnt, entwickelt eine unglaublich tragende Rolle. Obwohl man den Unterschied in der Erzählweise spürt, kann man sich der Spannung, die dieser bemerkenswert starke Thriller erzeugt, nicht entziehen.
Teil einer harmonischen Nachbarschaft zu sein bedeutet, die Menschen um sich herum zu akzeptieren und gleichzeitig die eigenen Grenzen zu ziehen. Voneinander zu lernen und miteinander zu leben. Als Publikum ist man froh, wenn dieser Film in den Abspann zieht. Das Gesehene macht es einem schwer, positiv über die Menschheit zu denken. Wenn es darauf ankommt, werden alle zu Bestien.

 

Wie wilde Tiere (2022)

Ein Paar mittleren Alters zieht nach Galizien, um dort im Einklang mit der Natur Landwirtschaft und sanften, nachhaltigen Tourismus zu betreiben.Das bringt sie aber schnell in Konflikt mit den Anwohnern, weil sie sich gegen die Pläne für eine Windkraftanlage in der Gegend aussprechen. Daraufhin wachsen die Spannungen immer mehr an, bis sie sich schließlich in einem Ausbruch von Gewalt entladen. 

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