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In der Literaturverfilmung „Salamandra“ zeichnet Alex Carvalho das Porträt einer Liebesbeziehung zwischen einer Französin mittleren Alters und einem jungen Mann aus Brasilien.

Salamandra (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Ein neues Leben

Urlaub am Strand – dieses Motiv wurde im französischen Kino schon auf unterschiedlichste Weise behandelt. In „Die Ferien des Monsieur Hulot“ (1953) von und mit Jacques Tati war Slapstick-Chaos angesagt, in Laurent CantetsUnter dem Sand“ (2000) mit Charlotte Rampling wurden menschliche Abgründe ausgeleuchtet – und in der Horrorparodie „Year of the Shark“ (2022) tat sich ein hungriger Hai in den Gewässern eines Badeortes am touristischen Büfett gütlich.

Die Hauptrolle als beharrliche Wasserschutzpolizistin in jenem Knorpelfisch-Abenteuer spielte die 1970 geborene Charakterdarstellerin Marina Foïs (In den besten Händen), die nun auch in Salamandra im Zentrum steht und sich in ihrer Rolle abermals am sonnigen Strand aufhält – diesmal jedoch nicht aus beruflichen Gründen, sondern sozusagen zum Vergnügen. Entspannt wirkt die von ihr verkörperte Pariserin Catherine zunächst indes nicht.

Das Werk von Alex Carvalho basiert auf dem 2005 veröffentlichten Roman La Salamandre des französischen Arztes, Diplomaten und Schriftstellers Jean-Christophe Rufin (Jahrgang 1952). Wir erfahren zu Beginn, dass sich die Protagonistin viele Jahre lang um ihren Vater gekümmert hat; nun ist er gestorben. So reist Catherine zu ihrer Schwester Aude (Anna Mouglalis), die in Brasilien in einem luxuriösen Hochhaus lebt. Als sie allein am Strand sitzt, wird sie von dem jungen Einheimischen Gilberto (Maicon Rodrigues), genannt Gil, auf eine Party eingeladen und ganz locker darum gebeten, ihm den Rücken einzucremen.

Die beiden können verbal kaum miteinander kommunizieren – weder auf Französisch noch auf Portugiesisch oder Englisch. Dennoch ist rasch eine starke Anziehung zwischen der 40-jährigen, eher schwermütig wirkenden Europäerin und dem zumeist unbekümmert anmutenden Brasilianer zu spüren. Carvalho und seine Kamerafrau Josée Deshaies erfassen die körperliche Intensität in den Liebesszenen, die immer auch etwas Kämpferisches an sich haben. Kontrolle und Hingabe, Dominanz und Unterwerfung spiegeln in diesen leidenschaftlichen Momenten nicht zuletzt die Machtverhältnisse, die in der Liaison von Catherine und Gil von entscheidender Bedeutung sind.

Wie etwa auch das Drama Le Prince (2021) von Lisa Bierwirth überzeugt Salamandra als Charakter- und Beziehungsstudie mit genauem Blick. Wiederholt wird Catherine von ihrem sozialen Umfeld darauf hingewiesen, dass ihre Liebe zu Gil nicht den Konventionen entspricht – dass sie gesellschaftliche Regeln bricht und klare Grenzen überschreitet. Es gibt schlichtweg keinen Raum für diese Beziehung, weder am Pool des schicken Hochhauskomplexes, in dem Aude mit ihrem Partner wohnt, noch in der Privatheit von Audes Apartment, in dem Gil alsbald als Störfaktor empfunden wird. Gils vermeintliche Wohnung scheint ihm wiederum gar nicht selbst zu gehören, sodass dort ebenfalls kein dauerhafter Rückzug, kein Ausleben des frischen gemeinsamen Glücks möglich ist. Catherine und Gil schmieden schließlich einen großen Zukunftsplan.

Salamandra schildert den Versuch einer Frau, ihr komplettes Dasein zu erneuern. Das titelgebende Tier, das einem Mythos zufolge durchs Feuer zu gehen vermag, um sich am Ende neu zu erfinden, dient als Vorbild für die Verwandlung, die mit Fehlern und Schmerzen verbunden ist. Carvalho, der aus Recife, einer der ärmsten Metropolen Brasiliens, stammt, schlägt sich in der Erkundung der Dynamik zwischen dem ungewöhnlichen Paar auf keine Seite. Er zeigt, wie er selbst in einem Regiestatement sagt, eine gegenseitige Ausbeutung – teils emotional, teils physisch und teils finanziell. Dabei geht der Filmemacher radikal und konsequent vor. Und er hat in Foïs und Rodrigues zwei gute Kompliz:innen gefunden, um diesen Weg mutig zu beschreiten.

Salamandra (2021)

Die attraktive vierzigjährige Catherine (Marina Foïs) führt in Paris ein scheinbar ereignisloses Leben. Jahrelang hatte sie sich um ihren Vater gekümmert. Als er stirbt, reist sie zögerlich zu ihrer Schwester (Anna Mouglalis) nach Brasilien, um Abstand von ihrem alten Leben zu gewinnen. Am sonnigen Strand begegnet Catherine dem jungen Brasilianer Gil (Maicon Rodriguez), der sein unbekümmertes Leben mit viel Feiern und Flirten genießt. Zwischen dem ungleichen Paar entwickelt sich eine leidenschaftliche Affäre, deren Intensität Catherine fast verbrennt. Wie ein Salamander geht sie durchs Feuer, um sich am Ende neu zu erfinden.

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