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Der Animationsfilm „Nimona“ spielt in einem mittelalterlich angehauchten SciFi-Setting und handelt von einem ungleichen Duo, das ein Komplott aufdeckt und dabei gegen Diskriminierung ankämpft.

Nimona (2023)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Ritterlichkeit und Toleranz

Es ist ein gutes Jahr für Animationsfilme. Makoto Shinkai bescherte uns im April mit „Suzume“ ein vor allem visuell brillierendes Abenteuer, kurz zuvor erschien der zwar flache, aber doch (für allem für Fans) überaus unterhaltsame „Super Mario Bros. Film“, im Juni folgte der herausragende „Spider-Man: Across the Spider-Verse“. Mit „Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem“ (August) und „Wish“ (November) bahnen sich bereits die nächsten Highlights an, und sogar der jüngste Film von Anime-Meister Hayao Miyazaki namens „How do you live?“ könnte es mit Glück noch in diesem Jahr nach Europa schaffen. Auch die Streaming-Anbieter sind zwischendurch für die ein oder andere Überraschung gut – so jüngst Netflix mit „Nimona“, einer Animations-Achterbahnfahrt, die angenehm zeitgeistig ist und ihr Thema konsequent ausarbeitet.

Schon das Setting von Nimona überrascht, auch wenn hier streng genommen nur zwei Klischees vermischt werden: eine hochentwickelte Science-Fiction-Welt, durchsetzt von mittelalterlich-ritterlicher Ästhetik. Neben Burgtürmen und Recken in Rüstung finden sich fliegende Autos und blinkende Neonlichter, statt mit klassischen Bolzen feuern die Armbrüste mit blauen Lasern. Mittendrin: Ballister Boldheart (englischer Sprecher: Riz Ahmed). Als erster Bürgerlicher soll er dem Zirkel der Ritter beitreten, die das Reich vor Monstern beschützen, von denen eine alte Legende erzählt.

Auf der Zeremonie, bei der er seinen Ritterschlag erhalten soll, feuert sein Schwert jedoch plötzlich einen Laser ab – und die Königin kommt zu Tode. Ein Komplott, das Ballister zur Flucht zwingt und ihn zum Meistgesuchten im Reich macht. Kurz darauf steht Nimona (Chloë Grace Moretz) vor seiner Tür, eine temperamentvolle, energiegeladene junge Frau und Gestaltwandlerin, die sich in allerhand (stets rosafarbene) Tiere verwandeln kann. In Ballister sieht sie einen Schurken, dem sie nun als Sidekick bei etwaigen Racheplänen helfen will – dabei will der etwas zu aufrichtige und gutgläubige Kerl aber einfach nur seine Unschuld beweisen.

Nimona ist eine Adaption der gleichnamigen, mehrfach ausgezeichneten Bestseller-Graphic-Novel von ND Stevenson. Das ursprünglich bei Fox ansässige Projekt fiel dem Aufkauf durch Disney zum Opfer, woraufhin Netflix einsprang – zum Glück, wie sich nun herausstellt. Denn auf Grundlage des Drehbuchs von Robert L. Baird (Baymax, Die Monster Uni) und Lloyd Taylor (Spione Undercover) ist unter der Regie von Nick Bruno und Troy Quane (ebenfalls Spione Undercover) ein mitreißender Animationsfilm entstanden, der es in Sachen Dynamik, Humor und Drama durchaus mit Spider-Man: Across the Spider-Verse aufnehmen kann. Lediglich in Sachen Optik bäckt Nimona dann aber doch deutlich kleinere Brötchen: Vor allem die meist kargen, detailarmen Hintergründe fallen immer wieder negativ auf.

Den dezent Film-noir-esken (Polit-)Krimi-Plot rund um die Aufdeckung einer Verschwörung reichert das Team mit allerhand packenden Actionsequenzen an, deren Tempo sich vor allem aus Nimonas Verwandlungsfähigkeit speist, sowie starken Charaktermomenten, zuweilen etwas überdrehtem Humor und ehrlich emotionalen Szenen. Das Herzstück ist jedoch die Dynamik zwischen dem so gänzlich ungleichen Duo Nimona und Ballister: Sie ist mit ihrer punkigen Attitüde vor allem auf Stress aus, er zeigt sich stets möglichst empathisch und verantwortungsvoll. Und doch wollen beide in ihrem Innersten das gleiche: von der Gesellschaft wieder akzeptiert werden.

Das Thema Toleranz bildet das Leitmotiv dieser Geschichte, zumal es sich bei den beiden Hauptcharakteren um queere Figuren handelt – Nimona implizit, Ballister explizit. Letzterer führt eine Beziehung mit dem Ritter-Shooting-Star Ambrosius Goldenloin (Eugene Lee Yang), der Ballister nach dem Anschlag eigentlich jagen soll, aufgrund seiner Liebe zu ihm aber damit hadert, und diese emotionale Verbundenheit wird Nimona auch nicht müde, auszuarbeiten. Ohnehin ist der gesamte Film eine Auseinandersetzung mit Diskriminierung sowie der Bildung und Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Feindbilder – respektive der Toxizität, die entsteht, wenn gegen mutmaßliche Andersartigkeit und das Abweichen von Normen agitiert wird, um den Zusammenhalt einer Gesellschaft zu beschwören. „Kleine Kinder wachsen in dem Glauben auf, dass sie Helden sein können, wenn sie nur ein Schwert in alles rammen, was anders ist“, sagt Nimona einmal – ein Satz, der leider weit über dieses Fantasy-Reich hinausreicht. Wer sich da in Internet-Kommentarspalten über den Kuss zweier Männer am Ende des Films echauffiert, hat den Film nicht verstanden und sollte sich vielmehr von Nimona inspirieren lassen, sein Weltbild zu hinterfragen.

Nimona (2023)

Als ein Ritter in einer futuristischen mittelalterlichen Welt eines Verbrechens beschuldigt wird, das er nicht begangen hat, ist die einzige Person, die ihm helfen kann, seine Unschuld zu beweisen, Nimona – eine schelmische Teenagerin, bei der es sich zu allem Übel ausgerechnet um die Gestaltwandlerin handelt, die er zu vernichten geschworen hat.

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Meinungen

Susi · 08.07.2023

Absolut empfehlenswert: Ganz toller Film, sehr bewegendes Thema und mega gut umgesetzt!