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Der Dokumentarfilm „All Inclusive“ zeigt, wie sich vier Sportler*innen aus Deutschland, Finnland, Kenia und der Mongolei auf die bevorstehenden Special Olympics in Berlin vorbereiten – und wie wichtig die inkludierende Funktion von Sport für sie ist.

All Inclusive (2023)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Sport frei – für alle

1968 organisierte Eunice Kennedy-Shriver, Schwester des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, die ersten Special Olympics in Chicago. Der große Unterschied zu den erstmals acht Jahre zuvor abgehaltenen Paralympischen Spielen: Während dort Menschen mit körperlichen Behinderungen antreten, können bei den Special Olympics Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung ihr sportliches Können beweisen. Vom 19. bis 25. Juni 2023 wird Berlin zum Austragungsort der nächsten Special Olympics – es ist das größte internationale Sportereignis seit den Olympischen Spielen 1972 in Deutschland. Gut 7000 Athlet*innen aus mehr als 190 Ländern treten dann in 24 Disziplinen gegeneinander an.

Die Dokumentation All Inclusive wirft vorab ein Schlaglicht auf vier dieser Athlet*innen aus verschiedenen Winkeln der Welt. Das Regieduo Thorsten Ernst und Tobias Lickes begleitet sie in ihrem Alltag, bei ihren Vorbereitungen und schlussendlich bei der Qualifikation für das große Turnier, und dabei wird deutlich: Die Teilnahme an den Special Olympics ist für die vier mehr als nur ein Traum von sportlichem Erfolg, sondern vor allem ein Weg zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung und Teilhabe. Der Pfad bis dorthin verlangt von ihnen allerdings auch mehr als nur körperliches Training.

Der aus Hamburg stammende Timo etwa, der mit Down-Syndrom lebt und im Tennis antreten will, verträgt Niederlagen überhaupt nicht. Als er bei einem inklusiven Tennisturnier mehrere Matches verliert, zeigt er sich schnell frustriert und ärgert sich über seine Mitspieler*innen, weshalb eine der großen Aufgaben seines Trainers darin besteht, ihm den Umgang mit solchen Situationen beizubringen. Die junge Uyangaa aus der Mongolei wiederum, die mit einer schweren Lernbehinderung lebt, muss ihre Schüchternheit überwinden und sozialen Anschluss finden, um in der Teamsportart Volleyball voranzukommen. Doch ist das erst einmal geschafft, blüht sie regelrecht auf.

Ebenfalls mit einer Lernbehinderung zu kämpfen hat Mary Stella aus Kenia, deren soziales Umfeld und die schlechte Infrastruktur ihres Landes es ihr zusätzlich erschwer(t)en, ihren Berufswunsch Erzieherin zu verwirklichen. Sie will als Fußballtorhüterin bei den Special Olympics antreten. Protagonist Nummer vier schließlich ist Toivo aus Finnland, dessen Disziplin das Segeln ist und dem sein Asperger-Syndron es erschwert, sich zu konzentrieren und morgens aus dem Bett zu kommen.

All Inclusive verwendet viel Zeit darauf, die alltägliche Realität dieser Menschen samt Hürden, Schwierigkeiten und auch schönen Momenten wie dem familiären Alltag zu zeigen, setzt dabei sowohl auf stille Beobachtung als auch direkte Interviews mit den Porträtierten und den Menschen aus ihrem Umfeld. Dass die Aufnahmen über einen Zeitraum von drei Jahren entstanden sind, wird weder kommuniziert noch fällt es auf – damit verschenkt der Film leider Potenzial. Denn statt das Gefühl zu erzeugen, die Protagonist*innen bei einem langen persönlichen und sportlichen Reifeprozess zu begleiten, fühlt er sich über lange Zeit eher wie eine Sammlung aus Momentaufnahmen an.

Das ändert sich erst in der letzten halben Stunde, wenn es um die Qualifikation für die Special Olympics geht, und dann kommt sogar auch ein wenig Spannung auf ob der Frage, ob die vier es tatsächlich schaffen. Dann fiebert man tatsächlich mit – und hat schlussendlich auch den Eindruck, ihnen näher gekommen zu sein, anstatt sie nur beobachtet zu haben.

Legt man allein den Faktor „Erkenntnisgewinn“ als Maßstab für eine gelungene Dokumentation an, schneidet All Inclusive nicht besonders gut ab. In Sachen Empathie und vor allem Repräsentation – und hierauf liegt eindeutig der Fokus der Filmemacher – ist er jedoch ein wichtiger und sehenswerter Beitrag. Bleibt zu hoffen, dass bald eine Fortsetzung folgt, in der die Erlebnisse der vier Porträtierten bei den Special Olympics selbst gezeigt werden.

All Inclusive (2023)

Vier Sportler:innen aus verschiedenen Ländern leben mit geistigen Beeinträchtigungen. Doch „special“ zu sein, ist für sie nicht die eigentliche Herausforderung, denn sie müssen auch mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens fertig werden, wahre Freunde finden und sich klar machen, was sie vom Leben wollen.

Die Geschichten von Timo, Toivo, Uyangaa und Mary Stella zeigen uns, wie inklusiver Sport das Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Umgebung positiv verändern kann. Alle vier haben ein gemeinsames Ziel: Die Teilnahme an den Special Olympics World Games in Berlin im Sommer 2023. Wie meistern sie diesen Weg?

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Meinungen

Erik Armbrüster · 12.12.2023

Die Erinnerung an die wunderschönen zwei Wochen Helfertätigkeit kamen beim heutigen Anschauen des Films zurück

Erik Armbrüster · 12.12.2023

WUNDERSCHÖNER Film über besondere Menschen!

Pawel Dillinger · 11.06.2023

Ich bin als Volunteer in Berlin #DABEI. Vielleicht treffe ich die Protagonisten des Films im Olympiastadion.

Ich bin gespannt.

Pawel 😄

Sagemueller HM · 07.06.2023

Ich brauchte eine Zeit um in den Film reinzukommen aber dann hat er micht gepackt.
Jedenfalls kam ich gedanklich und emotional anders aus dem Film heraus als ich hinein
gegangen bin. Hat großen Eindruck auf mich gemacht