Eric Rohmer - Arthaus Close-Up

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Der große Inszenator des dialog-orientierten Kinos

Dass sie zusammen sprechen, Frauen und Männer, und zwar ausführlich und intensiv, banal und philosophisch, stets die unterschiedlichsten Ausprägungen der Liebe und des Begehrens im Visier, ist ein signifikantes Charakteristikum der Werke des französischen Filmemachers Éric Rohmer (1920-2010), der auch ein Theoretiker des Cineastischen war und sich und sein Schaffen wortreich zu präsentieren pflegte. Sie wandeln, sitzen und liegen im Diskurs, seine gedanklich aktiven Protagonisten, legen umfangreich ihre Anschauungen dar, nähern sich an, entfernen sich, und es wirkt nicht selten etwa zufällig oder gar spekulativ, wie sie am Ende mit- oder ohneeinander verbleiben. Während filmische Hintergrundmusik eher eine rudimentäre Rolle in seinen Filmen spielt, beherrschen bewegte und bewegende Bilder von der Zweisamkeit variabler Paare die Szenarien seiner Geschichten, die sich häufig in Zyklen aus mehreren Teilen abspielen, einem übergeordneten Thema gewidmet.
Für das Éric Rohmer – Arthaus Close-Up wurden mit Meine Nacht bei Maud / Ma nuit chez Maud (1969) und Claires Knie / Le genou de Claire (1970) zwei Filme aus dem Zyklus „Moralische Erzählungen / Six Contes Moraux“ und mit Sommer / Conte d’été (1996) ein Film der „Erzählungen der vier Jahreszeiten / Contes des quatre saisons“ ausgewählt, die sich alle drei auf ihre ganz eigene Art mit dem regen Austausch verschiedener Figurenkonstellationen über das Wesen von komplizierten Beziehungen zwischen den Geschlechtern beschäftigen. Während Sommer sich dabei mit Darstellern wie Melvil Poupaud und Amanda Langlet der jungen, noch eher zaghaft experimentierenden Generation zuwendet und Jean-Louis Trintignant und Françoise Fabian in Meine Nacht bei Maud die recht erfahrenen, zielstrebigen Typen mit intellektuellen Ansprüchen repräsentieren, wartet Claires Knie mit Jean-Claude Brialy und Aurora Cornu mit zwei abgeklärten Charakteren auf, die ihre zynischen, erotischen Gedankenspiele spielerisch an der Jugend erproben.

So unterschiedlich diese drei Filme auch gestaltet sind, weisen sie doch allesamt markante Wendungen am Ende ihrer Geschichten auf, sei es nach melancholischen bis sonnigen Eskapaden eines jungen Musikers in Sommer, nach spitzfindigen Diskussionen über den französischen Philosophen Blaise Pascal in Meine Nacht bei Maud oder nach einer Art Provokation in Sachen Verführung in Claires Knie. Auf diese Weise erhalten die zuvor entstandenen Entwicklungen letztlich noch einmal eine frische Dimension mit einer zuvor verborgenen Komponente, die die Motivation der Figuren in einem neuen Licht erscheinen lässt. Damit eröffnet Éric Rohmer als großer Inszenator des dialog-orientierten Kinos ein schier unerschöpfliches Spektrum an Varianten für den Verlauf von vielschichtigen Beziehungen, die über den Ausschnitt, den er in seinen Filmen abbildet, in die Weite des ebenfalls Möglichen im Universum der Fiktion hinausragen, vom Regisseur sorgfältig konstruiert eingeführt und anschließend wohlweislich ihrem offenen weiteren Schicksal überlassen.

Eric Rohmer - Arthaus Close-Up

Dass sie zusammen sprechen, Frauen und Männer, und zwar ausführlich und intensiv, banal und philosophisch, stets die unterschiedlichsten Ausprägungen der Liebe und des Begehrens im Visier, ist ein signifikantes Charakteristikum der Werke des französischen Filmemachers Éric Rohmer (1920-2010), der auch ein Theoretiker des Cineastischen war und sich und sein Schaffen wortreich zu präsentieren pflegte. Sie wandeln, sitzen und liegen im Diskurs, seine gedanklich aktiven Protagonisten, legen umfangreich ihre Anschauungen dar, nähern sich an, entfernen sich, und es wirkt nicht selten etwa zufällig oder gar spekulativ, wie sie am Ende mit- oder ohneeinander verbleiben.
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