Der Vorname

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Ein kurzweiliges Kammerspiel

Die Wahl des richtigen Vornamens treibt so manchen in die Verzweiflung. Schließlich sagt so eine Namensgebung auch eine Menge über die Eltern selbst aus. Soll es etwas Traditionelles, Experimentelles oder Modisches sein? Vielleicht eine Anlehnung an eine berühmte Persönlichkeit oder einen Künstler, zu dem man eine Verbindung spürt? Wie weit die Diskussion über die Legitimität eines Namens führen kann, zeigt der Film von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière mit dem kurzen aber aussagekräftigen Titel Der Vorname.
Vincent (Patrick Bruel), Élisabeth (Valérie Benguigui), Pierre (Charles Berling) und Claude (Guillaume de Tonquédec) kennen sich seit der Kindheit. Élisabeth und Pierre haben inzwischen geheiratet und führen mit ihren zwei Kindern ein beschauliches Kleinfamilienleben. Und auch Vincent erwarten nun Vaterfreuden, denn seine Freundin Anna (Judith El Zein) ist im fünften Monat schwanger. Als Vincent beim gemeinsamen Abendessen seinen Freunden jedoch eröffnet, welchen Namen sein ungeborener Nachkomme tragen soll, entspringt eine hitzige Diskussion, bei der es bald nicht mehr nur um den angemessenen Vornamen eines Kindes, sondern um jedweden unausgesprochenen Konflikt innerhalb der Gruppe geht. Die Harmonie des geselligen Abends ist endgültig zerstört, als jeder der fünf Freunde beginnt, seinem über Jahre sorgfältig gepflegten Ärger Luft zu machen.

Der Vorname ist die filmische Adaption eines Theaterstücks, das sowohl in Frankreich als auch in Deutschland mit großem Erfolg die Bühnen eroberte. Für die Verfilmung wurde das Konzept kaum verändert. Von wenigen Rückblenden und dem Intro abgesehen, handelt es sich um ein Kammerspiel, das Erinnerungen an Der Gott des Gemetzels wachruft. Nur geht es in Der Vorname deutlich ironischer und lustiger zu. Zumindest ist dies die eindeutige Absicht der Theater- und Filmemacher Delaporte und de la Patellière. Die Einführung der Charaktere durch ein sarkastisches Voice-Over ringt dem Zuschauer bereits einige Schmunzler ab, doch die Komik entfaltet sich im Grunde erst mit der Bekanntgabe des schon im Titel angekündigten Vornamens. Wenn alle Masken fallen und die Protagonisten kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, bleibt dem Publikum das Lachen vermehrt im Halse stecken. Der komödiantische Charakter der Ereignisse kann nicht durchgehend aufrechterhalten werden. Nicht immer versprühen die Gespräche der Freunde humoristischen Charme und der Zuschauer droht von der Dialoglast des Konzepts erschlagen zu werden.

Die französischen Theater- und Filmemacher legen wie ihre Leinwandcharaktere den Finger mitten in die Wunde. Nicht nur die Protagonisten, auch die Zuschauer müssen sich selbst hinterfragen und Position zu der anhaltenden Namensdiskussion beziehen. Zudem gibt es eine Menge zeitgenössischer Anspielungen auf beispielsweise linke Intellektuelle und die versäumte Emanzipation der heutigen Hausfrau, bei der so mancher Zuschauer über sich selbst schmunzeln wird. Gerade was jedoch die Rolle der Frauen in Der Vorname angeht, wird nicht ganz klar, inwiefern der dargestellte Status Quo kritisiert oder doch als Normalfall zumindest respektiert wird. So fährt Élisabeth im Laufe des Abends ein beachtliches Buffet auf, in Anblick dessen dem Publikum das Wasser im Munde zusammenläuft. Doch wird ihrer kulinarischen Leistung weder durch ihre Freunde noch durch den Film Rechnung getragen. Obwohl die gemeinsame Mahlzeit im Zentrum des Films steht, wird der eigentlichen Nahrungsaufnahme kaum Beachtung geschenkt. Fast unangetastet bilden die Speisen einen Teil des Set-Designs und verkommen ebenso zur Dekoration wie die weiblichen Charaktere, die an den wirklich grundlegenden Diskussionen nicht teilhaben dürfen. Diese und andere Einzelheiten legen die Vermutung nahe, dass Der Vorname zwar gesellschaftskritische Ansätze formuliert, im Grunde aber nicht mehr als massentaugliche und weitgehend unproblematische Unterhaltung bieten will.

Das ist Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière im Grunde auch gelungen. Die zahlreichen Dialoge wirken größtenteils natürlich, die Charaktere bieten viel Identifikationsfläche und die Themen der Gespräche unterhalten durch ihren Wiedererkennungswert. Humor ist – wie immer – letztendlich Geschmackssache. So wie auch die Protagonisten ihre Witze nicht immer alle gleichermaßen komisch finden, kann auch diese Komödie nicht an allen Stellen zünden. Der Vorname ist zwar keine filmische Offenbarung, aber durchaus ein kurzweiliges, humoristisches Kammerspiel.

Der Vorname

Die Wahl des richtigen Vornamens treibt so manchen in die Verzweiflung. Schließlich sagt so eine Namensgebung auch eine Menge über die Eltern selbst aus. Soll es etwas Traditionelles, Experimentelles oder Modisches sein? Vielleicht eine Anlehnung an eine berühmte Persönlichkeit oder einen Künstler, zu dem man eine Verbindung spürt? Wie weit die Diskussion über die Legitimität eines Namens führen kann, zeigt der Film von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière mit dem kurzen aber aussagekräftigen Titel „Der Vorname“.
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