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Selbst Jahre nachdem seine Frau tragisch umgekommen ist, kann sich Juha nicht trösten. Bis er eines Tages durch Zufall auf eine Domina stößt, die ihm durch Schmerzen hilft, die Trauer endlich zum Ausdruck zu bringen. Die Frage ist nur, ob das nicht zu noch mehr Problemen führt?

Dogs Don't Wear Pants (2019)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Oh süßer Schmerz

Wie ein Traum erscheint einem die erste Sequenz aus J-P Valkeapääs „Dogs don’t wear pants“. Juha (Pekka Strang) ist mit seiner Frau und seinem Kind im Urlaub am See. Es ist Sommer und besser und wärmer und schöner könnte das Leben nicht sein. Sein Kind spielt am Ufer, die Frau geht in den See… und kommt nicht wieder. Ein Unfall entreißt Juha sämtliche Lebensgrundlage und auch Jahre später fast den eigenen Lebenswillen. Doch nicht nur den. Auch seine Libido ist ihm abhandengekommen. Nur mithilfe des Parfüms seiner Frau und deren Kleid vermag er noch sexuelle Gefühle zu entwickeln. Kurzum: im Grunde ist Juha damals mit ihr gestorben.

Und er wäre es wirklich fast. Um ein Haar war er ertrunken auf der Suche nach seiner Frau dort im See. Und nun schlafwandelt er durch sein Leben als Chirug und sein Leben als alleinerziehender Vater einer nunmehr pubertären Tochter. Bis er eines Tages auf Mona (Krista Kosonen) trifft. Oder besser sie auf ihn, ist er doch versehentlich in ihr Dominastudio gewandert. Ehe er sich’s versieht, ist er am Boden und wird von ihr stranguliert. Und das ändert für ihn alles. Der Atementzug, die Überwältigung, der Schmerz, sie bringen ihn ein Stück zurück zu damals am See und zu seiner Frau und sie bringen ihn unweigerlich auch ein bisschen zurück in seinen eigenen Körper. Von da an gibt es kein Halten mehr. Juha bucht Mona mehrmals am Stück. Er ist ihr Hund — und Dogs Don’t Wear Pants. Dafür aber Leder-Harnesse, denn das gefällt Mona. Im Austausch dafür bekommt Juha, was er will: Strangulation bis ihn sein vernebeltes Gehirn zurück zu seiner Frau trägt. Doch er will immer länger bleiben und malträtiert seinen Körper zusehends. Am Ende wird sein Hals zerschunden, seine Hand zerschnitten, sein Fingernagel und ein Zahn abhandengekommen sein.

Dogs Don’t Wear Pants geht einen recht unüblichen Weg, um über Trauer und Verlust zu sprechen und diesem etwas entgegenzustellen. Doch es macht Sinn, einen Ausweg in BDSM-Aktivitäten zu suchen, wenn einem der eigene Schmerz so tief sitzt, dass man keinen Zugang mehr findet. Einzig hier wird es dann auch sehr holperig, verheddert sich J-P Valkeapääs Werk hier doch in so einigen Klischees. Seine Domina, Mona, ist natürlich eine stille, wütende Frau, die ebenfalls repressiv mit sich selbst umgeht und keine Beziehung hat. Ihre Dienste sind durchweg gezeichnet von Grenzüberschreitungen hinein in eine Art malignen Sadismus, der mit BDSM nicht viel gemein hat, aber gern mit ihm gleichgesetzt wird. Umso schwieriger wird diese Auflösung von Grenzen zwischen S/M und Missbrauch, wenn man Juhas Verhalten mit einbindet. Im Gegensatz zu vielen von Monas Kunden kommt er nicht aus sexuellen Gründen. Das wird der Frau auch bald klar, doch ihre Überraschung darüber und Reaktion darauf sind schon so verbunden mit der Unklarheit ihrer professionellen Haltung gegenüber, dass diese Dinge sich unglücklich überlagern und Valkeapääs eigentlichen Punkt — hier treffen im sexuellen Ritual zwei Menschen wirklich intim aufeinander — fast gänzlich schlucken. Doch es wird noch komplizierter, denn auch Juha überschreitet Grenzen. Erst aus Naivität, dann aus purem Eigennutz. Er würde alles tun, um seine Frau wieder zu sehen. Auch seinen eigenen Tod in Kauf nehmen und Mona als Vehikel dafür benutzen. Und so wird aus dem Kunden ein Stalker, aus der Frau ein Objekt, wenn auch des Todes- und nicht des Sexualtriebs.

Wie schade, denn mit größerer Trennschärfe, mehr Nachsicht und Genauigkeit hätte Dogs Don’t Wear Pants viel tiefer in seine Materie, seine Figuren und die Idee, mit Schmerz Schmerz zu lindern, gehen können. Doch so verschwurbeln sich die Dinge zu einem großen Brei, in dem die Schicksale, die Menschen, die Abhängigkeiten und Beziehungen unterzugehen drohen. Erst am Ende reißt der Film es noch einmal rum, erinnert sich an seine Grundprämisse und seine Figuren und vermag letztendlich noch einen Endspurt hinzulegen, der einem in Ansätzen zeigt, wie wundervoll sensibel und sinnlich in all seiner Schmerzhaftigkeit das Werk doch eigentlich ist.

Getragen wird Valkeapääs Film letztendlich aber vor allem von seinen Bildern (Kamera: Pietari Peltola). Egal ob die lyrisch-anmutenden Unterwasserszenen oder die Szenen im Club, die mit viel Rot und Schwarz, viel Glanz und wunderbar pointiertem Licht daherkommen; sie alle verschaffen Dogs Don’t Wear Pants elegant eine Stimmung voller Sehnsucht nach dem Leben. Sie erinnern an Jonathan Glazers Alien-Welt in Under the Skin, eine Welt, in der klinische Reinheit sich seufzend nach Nähe verzehrt. Auch Monas Domina-Alter-Ego kommt fast außerirdisch daher, man mag kaum glauben, wie sie im Alltag eigentlich aussieht. Umso lamentabler, dass ihre Figur stets im sexualisierten, objektivierenden Blick verloren geht, der es einfach hat, ist diese Figur doch erstens kaum mit eigener personalisierender Geschichte ausgestattet und muss sie sich doch schon innerhalb des Narrativs als Objekt der Begierde hergeben. Strangs Juha wiederum hat mehr Platz sich zu entfalten; der Schauspieler brilliert in seiner Rolle, die letztendlich den Film nach Hause trägt. Wenn er am Ende auf einer Tanzfläche steht, lädiert aber lachend, dann ist man bei ihm, ganz und gar.

Dogs Don't Wear Pants (2019)

Juha hat seine Frau bei einem Unfall verloren, bei dem sie ertrunken ist. Und selbst Jahre danach fühlt er sich immer noch nicht in der Lage, mit anderen Menschen eine Beziehung einzugehen. Das ändert sich erst, als er auf die Domina Mona trifft. 

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