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Es gibt sicher mehrere Gründe für Schneewanderungen in der Einsamkeit hinter dem Polarkreis. Eine davon ist, von der Spitze eines Berges mit dem Snowboard eine fast senkrecht abfallende Rinne hinabzusausen. Von den Bergen bis zum Südpazifik nimmt der Dokumentarfilm Extremsportler*innen ins Visier.

Reset (2021)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Extreme Sporterlebnisse in einsamer Natur

Jenseits des Polarkreises, auf dem Atoll Moorea, im Mont-Blanc-Massiv, in den Fluten des Südpazifiks suchen die jungen Menschen in diesem Dokumentarfilm das intensive Naturerlebnis. Dieses ist für sie mit Nervenkitzel und Risiko verbunden, denn sie praktizieren Extremsport. Ihre Disziplinen wie Speed Flying, Freeriding, Freediving und Wellenreiten üben sie in der Regel zu zweit, aber auch allein oder in kleinen Gruppen aus. Wie Entdecker erkunden sie gerne Gegenden abseits der Massensport-Gebiete und sind dabei oft in menschenleerer Wildnis völlig auf sich gestellt. Der französische Dokumentarfilmer Thierry Donard verbindet erneut die Faszination für Extremsport-Aufnahmen mit herrlichen Landschaftsbildern zu einem visuellen Erlebnis, das auf der großen Kinoleinwand natürlich am besten zur Geltung kommt.

Am Anfang des Films wird erwähnt, dass die Dreharbeiten wegen der Corona-Pandemie monatelang unterbrochen werden mussten. Selbst der Filmtitel scheint sich irgendwie auf die Erfahrung des Lockdowns zu beziehen. Nach einer Zeit des Rückzugs soll es um die Freuden des Draußenseins gehen – oder, wie der Verleih ankündigt, um eine filmische Reise zur Wiederentdeckung der Welt. Er verweist auch darauf, dass es Donard wichtig war, die ökologische Lebensweise der porträtierten Sportler*innen hervorzuheben.  Es ist ja schön, wenn die Protagonist*innen von Liebe zu weitgehend unberührter Natur erfüllt sind und darauf achten, die Umwelt mit ihren Aktivitäten nicht zu belasten. Aber wären sie nur einfach über die Berge gewandert, um an schönen Blumen zu riechen, hätte Donard keinen Film über sie gedreht.

Auch in seinen früheren Dokumentarfilmen wie Addicted to Life oder Imagine – Life Spent on the Edge versorgte Donard sein Publikum bereits mit atemberaubenden Bildern waghalsigster Sportabenteuer. Das ist hier nun auch der Fall – wenn beispielsweise die Speedflyer Malachi Templeton und Jamie Lee jauchzend von den Hängen des Mont Blanc hinunterfliegen. Wie sie mit ihren Gleitschirmen nahe am Fels entlangsausen, ohne ihn zu berühren, wie sie kühne Kreisel drehen, ist in schwindelerregenden Aufnahmen festgehalten. Es gibt Bilder aus verschiedensten Perspektiven, aus der Luft, von gegenüberliegenden Hängen und, besonders aufregend, von den Helmkameras der Akteure.  Auch die beiden Freunde Krister Kopala und Nikolai Schirmer, die in verschneiten Bergen Couloir Freeride praktizieren, liefern solche Eigenaufnahmen, die beim Zuschauen Faszination, aber auch ein mulmiges Gefühl auslösen. Eine fast senkrecht abfallende Rinne in den norwegischen Bergen fährt der eine auf dem Snowboard, der andere auf Skiern hinab – eine lebensgefährliche Mutprobe.

Für die ein- bis zweiminütige Abfahrten nehmen diese beiden Schneesportler zehnstündige Aufstiege in Kauf, wie einer von ihnen erzählt. Bei solchen Touren gehe es ihnen um das gemeinsame Bergerlebnis. In der nordnorwegischen Landschaft sind sie allein auf weiter Flur, allenfalls ein paar Rentiere lassen sich dort blicken. Davide Carrera, Weltmeister im Freediving, taucht mit seiner Monoflosse im Südpazifik. Er bezeichnet sich selbst als Gast im Ozean. Wie er mit einem Wal eine Art Wasserballett vollführt, ohne dass sich Mensch und Tier zu nahe kommen, beeindruckt und bekommt in Aufnahmen, die leicht verfremdet wirken, eine fast mystische Qualität.

Mit einer Gruppe Wellenreiter*innen im Ozean vor Moorea ist der Film dann wieder bei Donards Interesse für neue oder trendige Sportgeräte angekommen. Die Surfer fahren auf elektrisch angetriebenen Fliteboards, die waagrecht aus dem Wasser herausragen, hinaus zu den großen Wellen. Diese gleiten sie dann hinab, ebenfalls ohne auf ihren Brettern das Wasser zu berühren. Das sieht gut aus, zumal Aufnahmen des blauen Ozeans und der Brandung vor grün bewaldeten Küsten Französisch-Polynesiens die Sehnsucht nach exotischen Naturparadiesen bedienen.

Wer die einzelnen Sportler*innen sind, wird im Film allenfalls beiläufig und bruchstückhaft verraten. Einige von ihnen kommen zwar selbst zu Wort, aber diese Statements geben nicht mehr her als kurze Einblicke in ihre Motivation. Der Werdegang der einzelnen Protagonist*innen und eine tiefere Erforschung ihrer Mentalität stehen nicht im Zentrum des filmischen Interesses. Dieses gehört dem Nervenkitzel und der Bewunderung, die abwechslungsreich präsentierte Extremsportarten in malerischen, entlegenen Naturlandschaften erzeugen.

Reset (2021)

Nach einem Jahr voller dramatischer Veränderungen und konstanter Distanz, nimmt „Reset“ Zuschauer weltweit mit auf eine Wiederentdeckungsreise, von dem nördlichen Polarkreis, bis hin zu den weißen Sandstränden von Französisch-Polynesien. Eine Weltreise, erzählt durch die Augen junger Menschen, die ihrem Leben mehr Sinn verleihen wollen. (Quelle: Kinostar Filmverleih)

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