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27 000 Kilometer zu Fuß, auf dem Rad und im Wasser. Extremsportler Jonas Deichmann hat dieses Kunststück vollbracht, Regisseur Markus Weinberg zeigt, wie es gelang. Dabei lief nicht immer alles nach Plan.

Jonas Deichmann - Das Limit bin nur ich (2022)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der deutsche Forrest Gump

Irgendwann wird es auch für einen Weltrekordhalter schwierig. Was tun, wenn man schon alle Rekorde gebrochen hat? Jonas Deichmann, 1987 in Stuttgart geboren, hatte eine verrückte Idee. Nachdem er mit dem Fahrrad in Rekordzeit von Alaska bis Feuerland, von Portugal bis Wladiwostok und vom Nordkap ans Kap der Guten Hoffnung gestrampelt war, sattelte er um. Sein liebstes Fortbewegungsmittel benutzte er bei seiner nächsten Herausforderung nicht durchgängig. Von München aus startet Deichmann im September 2020 den längsten Triathlon der Welt – einmal rund um den Erdball, die 120-fache Iron-Man-Distanz.

429 Tage wird dieses wahnwitzige Unterfangen dauern. Seinen Bart lässt der Extremsportler während dieser Weltumrundung wachsen. Irgendwann ist er so lang, dass Deichmann, inzwischen in Mexiko angekommen und von der Rad- auf die Laufstrecke gewechselt, an eine von Tom Hanks‘ bekanntesten Filmfiguren erinnert, die im Handlungsverlauf irgendwann einfach losläuft und nicht mehr damit aufhört. Der zottelige Deichmann ist ein gefundenes Fressen für die mexikanischen Medien, die landauf, landab über den „deutschen Forrest Gump“ berichten. Deichmann ist aber auch eine Inspiration.

Scherte sich auf seinem Weg von München nach Wladiwostok kaum einer um den kuriosen Kerl, scharen sich nun Menschen um ihn. Wo er in Mexiko auch hinkommt, überall laufen andere mit, ob nur wenige Meter oder die komplette Strecke. Abends nach vollbrachtem Tagwerk stehen sie für Selfies Schlange. Dass Deichmann fließend Spanisch spricht, macht ihn für Interviews attraktiv. Und plötzlich läuft auch eine Frau an seiner Seite, die der Sportler, der gern scherzt, dass er mit seinem Rad verheiratet sei, attraktiv findet. Unverhofft entwickelt sich eine kurze Laufromanze. Nicht die einzige Überraschung auf dieser Reise.

Mitten in der Corona-Pandemie gestartet, war Deichmann klar, dass seine Weltumrundung nicht einfach werden würde. Grenzen sind dicht, Visa schwer zu ergattern. Um an sein Ziel zu kommen, nimmt er manchen Umweg in Kauf. Doch selbst wenn es hart auf hart kommt, kommt von irgendwoher eine helfende Hand. Die Herzlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft der am Wegesrand getroffenen Menschen ist zwar keine neue, sondern für diese Art des Dokumentarfilms schon beinahe obligatorische Erkenntnis, aber eine, an die wir uns tagtäglich erinnern sollten. Wenn dieser Film in die Kinos kommt, hat ihn die Realität überholt. In der Ukraine tobt ein Krieg. Angesichts der Menschen, denen Deichmann in der Ukraine und in Russland begegnete, unvorstellbar.

Regisseur Markus Weinberg (Die Mission der Lifeline, 2019), früher selbst Radrennprofi, hat Jonas Deichmann mit der Kamera begleitet. Große Teile der Strecke hat der Rekordmann jedoch selbst aufgenommen, was dem Film wiederholt den Look und Charme eines Videotagebuchs verleiht. Um dem Publikum ein wenig Hintergrund zu Jonas Deichmann zu liefern, unterhält sich Weinberg mit dessen Eltern. Zwingend nötig wäre das nicht gewesen. Wie Deichmann tickt und was ihn antreibt, erschließt sich auch so. Wie so oft bei Dokumentarfilmen über Weltreisen steht und fällt auch dieser mit seinem Protagonisten. Und der Protagonist dieses Films ist ein Volltreffer.

Viele Zuschauer dürften über Deichmanns mitunter naive Art und den fast schon kindlichen Glauben, dass sich alles irgendwie fügen wird, den Kopf schütteln. Bis heute hat ausgerechnet er, der jede freie Minute im Sattel verbringt, nie gelernt, wie man ein Fahrrad richtig repariert. Und Schwimmen zählt weiß Gott nicht zu seiner Paradedisziplin. Was ihn freilich nicht davon abhält, 460 Kilometer entlang der Adria zu schwimmen. Immerhin habe er als Kind das Seepferdchen absolviert und somit Voraussetzungen, scherzt Deichmann.

Das ist die andere, spontane, unverstellte und stets humorvolle Seite: Deichmann überlegt nicht lang, macht einfach und lebt seinen Traum. Seinen gut bezahlten Job bei einer schwedischen IT-Firma hat er 2017 endgültig an den Nagel gehängt. Seither ist er auf dem Fahrrad unterwegs – und genießt ein Leben frei von Zwängen, das ihm einige im Publikum neiden dürften, weil sie sich selbst nicht trauen, eine solche Freiheit zu leben.

Jonas Deichmann - Das Limit bin nur ich (2022)

Der mehrfache Weltrekordhalter und Extremsportler Jonas Deichmann durchlebt in pandemischen Zeiten sein jüngstes Abenteuer — den wohl spektakulärsten und längsten Triathlon aller Zeiten, von München nach München einmal um die Welt. Die 120-fache Ironman-Distanz am Stück wird für ihn zur Grenzerfahrung und begeistert die Menschen weltweit. Regisseur Markus Weinberg begleitet und filmt diese abenteuerliche Reise - entstanden ist ein Dokumentarfilm, der über die übliche Reisedokumentation hinausgeht: Es geht um den Kern menschlicher Motivation, um Grenzerfahrungen und den persönlichen Durchhaltewillen. 

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