Für immer und dich – Ein Abend in Erinnerung an Rio Reiser

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Zum 10. Todestag des politischen Deutsch-Rockers

Ob Fan oder nicht: An manchen Lyrics von Rio Reiser kommt kaum jemand vorbei. Auch wem die Musik des Sängers und seine Band Ton Steine Scherben wenig sagt, kennt trotzdem Sprüche wie „Keine Macht für Niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, die jenseits ihres Ursprungs als Liedtexte Anfang der 1970er Jahre geradezu zu Slogans der politischen Linken avancieren. Nun kommt eine Hommage an den charismatischen Musiker in die Kinos, die der ehemalige Band-Manager Elser Maxwell aus einer Vielzahl an Material zusammengestellt hat.
Im wilden West-Berlin des Jahres 1970 gründet Ralph Christian Möbius, der sich in Anlehnung an den berühmten Entwicklungsroman Anton Reiser von Karl Philipp Moritz später Rio Reiser nennt, mit drei weiteren Musikern um die zwanzig die Band Ton Steine Scherben, deren Songs und Auftritte rasch in der musikalischen wie auch politischen Szene Deutschlands für einiges Aufsehen sorgen. Der Rock-Sound dieser Band, zu der neben Rio der Gitarrist R.P.S. Lanrue, der Schlagzeuger Wolfgang Seidel und der Bassist Kai Sichtermann gehören, setzt in Kombination mit überwiegend deutschsprachigen, sozialkritischen Texten ungewohnte neue Akzente innerhalb der deutschen Musikszene, und rasch entsteht auf Grund ihrer politischen Aussagen eine Verbindung zum Hausbesetzermilieu und einigen anderen mehr oder weniger radikalen linken Bewegungen jener Zeiten. Was die Scherben mit ihrem Stil und dem kritischen Engagement vor allem Rio Reisers anstoßen, ist so avantgardistisch wie provokativ und beschert der Band eine rasche Popularität, die sich in einem Spektrum von Begeisterung bis Anfeindung bewegt. Wie einflussreich diese politischen Aktivitäten von offizieller Stelle eingeschätzt werden, zeigt der Umstand, dass Reiser sogar vom Bundeskriminalamt überwacht wird; nach seinem Tod kondoliert die Behörde mit dem Absender: „Von denen, die ihn immer begleitet haben.“

Mitte der 1970er Jahre zieht sich die Band, die mit erweiterter und wechselnder Besetzung spielt, aus dem sozial brodelnden Berlin nach Nordfriesland zurück, wo sie in Fresenhagen mit einigen befreundeten Musikern eine Kommune mit nahezu legendärem Ruf gründet. So erfolgreich sie auch ist – kommerziell schlägt sich das nicht nieder, teils durch ihre eigene Weigerung begründet, sich vermarkten zu lassen, teils durch Boykotte der Musikindustrie und der Radiosender, die neben den Protestsongs ebenso die Liebeslieder konsequent ignorieren. Auch die Gründung des ersten deutschen Independent-Labels, der David Volksmund Produktion, kann sie nicht vor dem finanziellen Ruin bewahren, so dass sich die Scherben 1985 letztlich auflösen.

In diesem Jahr startet Rio Reiser seine Solokarriere, die ihm schließlich mit Songs wie Junimond und König von Deutschland Erfolg auf allen Ebenen beschert und rasch den angehäuften Schuldenberg der Scherben zu tilgen vermag. Es folgen engagierte und bewegte Zeiten des Sängers, die von musikalischen und politischen Umtrieben gekennzeichnet sind – so arbeitet Reiser als Schauspieler, Theatermusiker, komponiert Filmmusik und tritt nach der Wende der PDS bei.

Am 20. August 1996 stirbt Rio Reiser im Alter von 46 Jahren nach einem Herz-Kreislauf-Kollaps an inneren Blutungen. Sein einstiges Haus in Fresenhagen dient heute als Tagungsort und steht Künstlern als Studio zur Verfügung, und nicht wenige Fans pilgern in den kleinen nordfriesischen Ort, um die Ruhestätte des rastlosen Musikers zu besuchen.

So umstritten, facettenreich und eigenwillig wie die Persönlichkeit Rio Reisers sind auch die Darstellungen, die posthum über ihn veröffentlicht werden. Aus Anlass seines 10. Todestages präsentiert die Dokumentation Für immer und dich – Ein Abend zur Erinnerung an Rio Reiser basierend auf Ausschnitten von Lesungen der Biographien von Kai Sichtermann und Hollow Skai ein liebevolles, doch auch kritisches Porträt des Mannes, seiner Band und seines Lebensstils, zu dem auch der unmäßige Konsum von Alkohol und anderen Drogen gehörte. Ergänzt durch Interviews mit ehemaligen Mitgliedern der Scherben, von denen sich einige zur Ton Steine Scherben Family zusammengeschlossen haben, und durch Filmaufzeichnungen von Egon Bunne, der vier Jahre lang in der Kommune der Band lebte und heute Professor für Medien-Design ist, richtet sich die filmische Huldigung sicherlich primär an Fans. Doch gleichzeitig transportiert sie, so subjektiv ihre Gestaltung auch sein mag, ein spannendes und bewegendes Zeugnis deutscher (Musik-)Geschichte vor allem aus jenen turbulenten Tagen der 1970er Jahre.

Für immer und dich – Ein Abend in Erinnerung an Rio Reiser

Ob Fan oder nicht: An manchen Lyrics von Rio Reiser kommt man kaum vorbei. Auch wem die Musik des Sängers und seine Band Ton Steine Scherben wenig sagt, kennt trotzdem Sprüche wie „Keine Macht für Niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“.
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Meinungen

fengler · 20.07.2009

... gern hätte ich den Film gesehen. Flüchtig zu flüchtig ist er vorbei ... DVD?