Dirty Games (2016)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Mit Geld spielt man nicht

Mittlerweile hat sich auch beim größten Fan herumgesprochen, dass Sport ein schmutziges Geschäft ist. Zumindest hinter den Kulissen. Davon gibt es in den letzten Jahren oft monatliche Updates, was Radsport, Leichtathletik, Fußball, Olympia etc. angeht: Immer wieder neue Skandale und immer wieder Neuigkeiten zu älteren Skandalen. Benjamin Best widmet ihnen mit Dirty Games einen Dokumentarfilm, der im Stil einer Reportage mehrere Themen von Nepal bis Brasilien, von USA bis Katar abarbeitet. Dabei geht er nicht unbedingt in die Tiefe, dafür in die Breite, und es geht nicht unbedingt um die Sportler selbst – Stichwort: Doping –, sondern um die Seilschaften hinter den Kulissen, für die sportlicher Erfolg vor allem Geldmachen bedeutet.

Immer wieder kommt Best auf den Fußball-Bereich zurück – mit FIFA-Bestechungsaffäre, Blatter-Rücktritt, Katar-Nominierung liegt hier auch der aktuelle Nachrichtenwert hoch. Dabei geht es Dirty Games natürlich nicht um Aktualität, dafür umso mehr um all die Problemfelder, die noch beackert werden müssten. Es liegt einiges brach: In Kathmandu besuchen wir Opfer der Sklavenausbeutung beim WM-Aufbau in Katar, wo Minilöhne zu menschenunwürdigsten Bedingungen bezahlt werden – wenn überhaupt. Oftmals zahlt der Arbeiter selbst, mit seinem Leben. In der Schweiz offenbart eine Aktivistin, die zuvor Fußballfunktionärin war, die Deals und Vereinbarungen hinter den Kulissen, die eine erfolgreiche Bewerbung für ein Sportgroßereignis braucht. In Rio de Janeiro erleben wir mit, was die Politik alles tut, damit sich der Sport wohlfühlt: Favelas werden zwangsgeräumt und für Parkplätze plattgemacht – die dann aber doch nicht gebaut werden, dafür gibt es einen neuen Handelsplatz für die Drogendealer. In der Türkei geht es direkt um die Fußballspiele selbst: Dort wurde in den vergangenen Jahren kräftig zugunsten von Fenerbahçe Istanbul manipuliert, und die Verantwortlichen – allen voran der Fenerbahçe-Präsident – wurden zwar verurteilt, dann aber wieder freigesprochen. Weil sich die Politik und damit die Justiz, wie Best nahelegt, nicht mit dem Club, seiner Wirtschaftsmacht und seinen Fans anlegen wollte.

Zwischendurch reisen wir in die USA. Und lernen von Insidern – sprich: von einstmaligen Tätern – allerlei über die Manipulationsmöglichkeiten im Box- und Basketballsport. Darüber, wie Einzelne die Fehler des Systems auszunutzen verstanden und wie sehr das System Manipulationen wenn nicht förderte, so doch akzeptierte. Gegen Stars wie Michael Jordan wird ein Schrittfehler nicht gepfiffen. Die Playoff-Runde muss so viele Spiele wie möglich haben, alles andere wäre ja verlorenes Einkommen. Mit ein paar belanglosen Äußerungen lässt sich der Ausgang eines Boxkampfs vereinbaren. Und zur Not muss der Trainer während des Spiels eingreifen, wenn es um ein paar Millionen und die Mafia im Hintergrund geht.

Sportjournalist Benjamin Best, der seit Jahren den Betrügereien im Fußball nachgeht, bringt mit Dirty Games so etwas wie eine Reportagen-Kompilation ins Kino, in der nichts Neues, aber das Wichtige doch zusammengefasst ist. Ob man dafür in den Sarg eines gerade nach Nepal überführten Gastarbeiters blicken muss, der in Katar verstorben ist; und ob man dabei zu tragender Klaviermusik Freizeitsportler beim Korbschießen in Zeitlupe zeigen muss – ob man also auf einfachste Art die Gefühle des Zuschauers anspringen muss, nur weil das Thema per se eher faktenorientiert is, scheint ziemlich zweifelhaft. Denn mit der gefühligen Bilderschiene konterkariert Best die nüchterne Analyse, als die er seinen Film inhaltlich anlegt: Wenn die Emotionsmaschinerie angeworfen wird, geht es um das simple Einfangen des Zuschauers. Und ist das nicht eine ähnliche Strategie, wie sie, so Bests Anklage, die Sportfunktionäre fahren: Mit spannenden Wettbewerben und dem Kampf um den sportlichen Erfolg die Fans einlullen? Heimlich, im Hintergrund, kann dann ungestört ein ganz anderes Spiel ablaufen, um Macht und um Geld … Hier wäre eigentlich die argumentative Kraft der Tatsachen entgegenzusetzen, nicht eine Emotionalisierung.

Formal mit diesen Fehlern, geht der Film auch inhaltlich zwischendurch etwas quer: In Brasilien schwärmt der Favela-Bewohner davon, dass früher die Stadionpreise so angelegt waren, dass ganze Familien mit Kind und Kegel die Fußballspiele besuchen konnten, heute aber nur noch die Elite des Landes ins Stadion komme. Das ist zunächst einmal eine Entwicklung, die wenig mit Hinter-den-Kulissen-Spielchen zu tun hat, sondern ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage ist – ein Problem des kapitalistischen Systems an sich also, das dafür durchaus zu kritisieren wäre, was der Film freilich unterlässt. Des Weiteren aber kommt der Film mit dieser Episode über die, die kein Fußball mehr schauen können, in Widerspruch zur späteren Türkei-Thematik, wo der Trainer eines der Clubs, die Opfer der Manipulationen geworden waren, darüber klagt, dass Fußball für ihn nur noch ein Job sei, für den er kaum mehr Freude empfinde: „Früher schauten die Reichen zu“, meint er, „heute spielen die Reichen und die Armen schauen zu“. Das ist ein Widerspruch der Aussagen innerhalb des Films, der nicht aufgelöst wird.

Jenseits derartiger handwerklicher Mängel bleibt Dirty Games aber ein klares, wichtiges und hoffentlich nicht wirkungsloses Plädoyer für eine Entkommerzialisierung des Sports. Wo Geld ist, häuft sich noch mehr Geld zusammen, und Betrug ist nicht fern. Ein Gegenbeispiel bietet Best an: Der FC United of Manchester, der sich aus Protest gegen die Kommerzialisierung von ManU gegründet hat, ein Verein von Fans für Fans; und vor allem für einen schönen, sauberen Fußball, der auf dem Platz ausgetragen wird und nicht in den Hinterzimmern.
 

Dirty Games (2016)

Mittlerweile hat sich auch beim größten Fan herumgesprochen, dass Sport ein schmutziges Geschäft ist. Zumindest hinter den Kulissen. Davon gibt es in den letzten Jahren oft monatliche Updates, was Radsport, Leichtathletik, Fußball, Olympia etc. angeht: Immer wieder neue Skandale und immer wieder Neuigkeiten zu älteren Skandalen. Benjamin Best widmet ihnen mit „Dirty Games“ einen Dokumentarfilm, der im Stil einer Reportage mehrere Themen von Nepal bis Brasilien, von USA bis Katar abarbeitet.

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