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Eine Autobombe explodiert, die Attentäterin kommt ums Leben. Sie war erst 18 Jahre alt und hatte mit der Berliner Rechtsradikalenszene sympathisiert. Ein formalästhetisch eigenwilliges Low-Budget-Drama übers Heranwachsen in der Gegenwart und die Omnipräsenz von Social Media. 

Das Recht der Stärkeren (2022)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse

„Guten Abend. Hier findet gleich die Premiere des Films ‚The Rose of Haifa‘ statt. Und zu diesem feierlichen Anlass sind sie alle gekommen. Viele Politiker und Politikerinnen habe ich schon gesehen“, erklärt eine Moderatorin in einer nächtlichen Szene gegenüber der Kamera. Dann macht es plötzlich Peng! Ein Auto brennt, Rauch steigt auf und Panik macht sich unter dem Premierengästen breit. Dann folgt die Titeleinblendung von Sebastian Petersons „Das Recht der Stärkeren“, der letztes Jahr in Hof zu sehen war und nun in den deutschen Kino startet. 

Es folgt der erste von zahlreichen harten Schnitten. Statt nachts vorm Kino finden wir uns plötzlich bei einer jungen Frau wieder, die in loser Manier in ihr Smartphone spricht. „Hi, ich bin’s: Jana. Gestern war mein 18. Geburtstag. Endlich erwachsen!“ Ihr Geburtstagsgeld hat die Berlinerin, die gegenwärtig in einer Behindertenwerkstätte arbeitet, prompt in ein neues Smartphone investiert, um endlich einen professionellen Vlog zu starten. 

Was zunächst als klischiertes Dauergebrabbel einer neunmalklugen jungen Erwachsenen aus schwierigen Familienverhältnissen beginnt, gewinnt von Szene zu Szene durchaus an Zeitgeist und an Authentizität. Das liegt an Petersons zwar deutlich zu langer, aber ästhetisch durchaus radikaler Form: Jana vloggt ununterbrochen. Sein Drehkonzept wurde einerseits speziell für die junge Darstellerin (Irina Usova) entwickelt. Anderseits ist es auch sichtlich dem kleinen Budgetrahmen geschuldet, der gerade in einer Massenszene am Berliner Hauptbahnhof im Rahmen einer echten AfD-Demo unfreiwillig komisch ins Auge sticht. 

Gerade in den spannungsreichen ersten zwanzig Minuten ist Petersons per Crowdfunding entwickeltes Coming-of-age-Drama sehr sehenswert, weil es der Präsenz seiner Protagonistin so viel Raum lässt. Dann hat sich das Konzept aber dramaturgisch rasch erschöpft. Ähnliches gilt für die bemüht jugendsprachlich kolorierten Dialogfetzen, in denen selbstredend alles „zu krass“ ist. 

Angefixt durch reichlich positives Feedback auf ihren Social-Media-Kanälen, zieht Jana als „Eva Deutschman“ zunehmend das Interesse gewaltbereiter Rechtsextremer auf sich, so dass sie sich unter anderem mit radikalen AfD-Unterstützern trifft und auch deren obskure Geheimtreffen besucht, in denen von einer angeblichen „Überflutung durch Flüchtlinge“ die Rede ist, weshalb man nun unbedingt zu drastischen Maßnahmen greifen müsse. 

Parallel zu Janas fataler Neugierde für diese verabscheuungswürdige Szene, vergiftet sie auch in ihrem beruflichen Umfeld bewusst jegliches Arbeitsklima, sodass sie beispielsweise ihrem männlichen Vorgesetzten sexuelle Nötigung vorwirft, ehe sie in eine andere Abteilung zwangsversetzt wird.  Zugleich ist der Hausfrieden mit ihrem alleinerziehenden Vater Dennis (Fabian Stumm) endgültig am Ende, weshalb sie umso zielgerichteter in die Hände von Marvin (Tim Riedel) rennt, der ein gewaltbereiter Rechtsradikaler aus dem so genannten „Freundeskreis“ ist. Der hat allerdings wie seine Gruppenleiterin Helene (Jenny Löffler) nichts mit wahrer Liebe am Hut, sondern plant bereits den rassistischen Terroranschlag.

Was am Ende von Sebastian Petersons drittem Spielfilm nach Helden wie wir (1999) und Meier Müller Schmidt (2015) bleibt, ist viel guter politischer Wille, aber eine nur selten gelungene filmische Umsetzung, die unschlüssig bleibt und obendrein deutlich zu viel Schwarzweiß-Schemata enthält. Denn der Themenkreis dieses zumindest formalästhetisch beachtlichen Films ist per se höchst relevant. Nicht allein in Berlin.

Das Recht der Stärkeren (2022)

Eine Autobombe explodiert vor einem Berliner Kino. Die Attentäterin ist Jana, 18 Jahre, sie kommt bei dem Anschlag selbst zu Tode. Niemand weiß, was sie dazu getrieben hat. Der einzige Hinweis ist Janas Vlog auf Social Media. (Quelle: barnsteiner-film)

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