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Marcus Vetter ist es als erstem unabhängigen Filmemacher gelungen, beim Weltwirtschaftsforum in Davos hinter verschlossene Türen zu blicken. Wenn Macron, Trump, Merkel und Co. dorthin kommen, wird ein kleiner Wintersportort zur Bühne für Weltpolitik, doch traut sich der Film an die wichtigen Fragen?

Das Forum (2019)

Eine Filmkritik von Kais Harrabi

Der Blick ins Hinterzimmer

Jair Bolsonaro steht rum, wie der Neue in der Schule. Keiner will so richtig mit ihm reden und wenn doch, dann reagiert er seltsam steif und mit abweisenden Plattitüden. Diese Szene aus „Das Forum“ gehört zu den beängstigenderen im Film, denn Regisseur Marcus Vetter kontextualisiert sie geschickt mit den Waldbränden im Amazonas und dem Klimawandel. Schnell wird klar, dass es beim Kampf gegen die Erderwärmung auch darum geht, diesem Mann Honig ums Maul zu schmieren, um ihn sanft zu den richtigen Entscheidungen zu bewegen.

Das Weltwirtschaftsforum ist die Erfindung von Klaus Schwab. 1971 lud Schwab – damals Professor für Unternehmenspolitik an der Universität Genf, was der Film unterschlägt – über 400 Unternehmenschefs zum ersten European Management Symposium. In den Achtzigern wurde die Veranstaltung in World Economic Forum umbenannt und mittlerweile zählt sie zu den wichtigsten Treffen der Weltelite. Hier treffen Unternehmenschefs auf den US-Präsidenten oder die Bundeskanzlerin oder lernen in Panels über Klimawandel, Blockchain und Künstliche Intelligenz. Alles, wird Klaus Schwab im Film nicht müde zu betonen, um die Welt voranzubringen. Kritiker halten die Veranstaltung für relativ sinnlos, werfen den beteiligten Unternehmen (unter anderem Nestlé, Monsanto, oder der Rüstungskonzert Lockheed-Martin) vor ihre Westen reinzuwaschen, oder ordnen das Forum gleich irgendwo auf halber Strecke zwischen Bilderberg-Konferenz und Freimaurerloge ein. 

Marcus Vetter gibt sich redlich Mühe, diesen Mythos zu entzaubern und zeigt statt eines okkulten Clubs aus Superreichen und Staatsführern eine Maschinerie, die darauf ausgelegt ist einen Raum für sanfte Diplomatie zu schaffen. Wenn die Kameras weg sind (bzw. nur noch die von Marucs Vetter da ist) geschieht die eigentliche Arbeit. Bei Abendessen, Panels und Seminaren und bei informellen Treffen sollen die Mächtigen der Welt auch mit Entwicklungen und Ideen konfrontiert werden, die ihnen vielleicht nicht ganz so genehm sind. Alles, um die Welt zum Guten zu verändern, wie Forumsgründer Schwab nicht müde wird zu betonen. 

Dass Marcus Vetter und sein Kamerateam Zugang zu solchen informellen Treffen hatten und beispielsweise bei einem Gespräch von Schwab mit Aung San Suu Kyi, der Staatschefin von Myanmar, dabei sein konnten, macht den Film spannend. Vetter zeigt, dass auch Diplomatie nicht ohne persönliche Beziehungen jenseits des Rampenlichts auskommt. 

Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan bildet im Film den Gegenpol zu Schwab. Ihr Job ist es, Schwab einen Schubser in die richtige Richtung zu geben und dazu zu bringen, den Klimawandel prominent auf die Agenda zu setzen. Morgan wirkt aber auch wie eine Frau, die einen Kampf gegen Windmühlen kämpft. Nicht nur, dass sie überhaupt eine der wenigen Frauen auf dem Weltwirtschaftsforum ist (der Frauenanteil im Film ist erschreckend gering und Morgan ist die einzige weibliche Protagonistin), Morgans Themen sind bei den Teilnehmern hochgradig unpopulär. Wie sehr, das zeigt ein Moment, in dem sie auf einer Pressekonferenz die Chefs von Pepsi und Unilever für den Plastikverschleiß angeht. Die Männer auf dem Podium blicken pikiert und ertappt.

Vetters Film nimmt sich viel Zeit für Morgans kritische Stimme. Es wird schnell klar, dass Morgan nicht so recht mit dem Event kann, dass es aber fahrlässig wäre, nicht teilzunehmen. Problematisch ist an Das Forum vor allem, dass Vetter es kaum schafft Schwab selbst mit Kritik zu konfrontieren. Eine der stärksten Szenen seines Films ist, als er eben genau danach fragt: Wie glaubwürdig kann sich eine solch philanthropische Veranstaltung für eine bessere Welt einsetzen, wenn gleichzeitig Firmen wie Nestlé oder Monstanto in der Stiftung mit drinhängen, die das Event organisiert? Schwab ist für einen Moment ratlos und kann am Ende nur eine wenig überzeugende Antwort geben. Vetter belässt es dabei. Das ist schade, aber auch verständlich. Immerhin hängt sein Film vom Wohlwollen Schwabs ab, der dem Kamerateam ja die Türen zu den Treffen öffnet. 

Dabei offenbart Das Forum durchaus auch die Schwächen dieser Veranstaltungen, man muss nur genau hinschauen. Vetter zeigt das Forum auch als Spektakel, bei dem die Elite zusammenkommt, um gegenseitig voreinander anzugeben. Viele Podiumsdiskussionen, die Vetter zeigt, erinnern eher an Apple Keynotes, denn an Veranstaltungen, auf denen seriöse Politik gemacht wird. Beliebtestes rhetorisches Mittel im Film ist es, die eigene Arbeit durch irrwitzig hohe Zahlen zu legitimieren: Der Börsenwert der beteiligten Firmen betrage 20 Billiarden Dollar, hier geht es um das Schicksal von 800 Millionen Menschen, dort wieder um 2,5 Millionen, heißt es. Aber Vetter schafft es auch immer wieder, die kleinen Brüche in den Inszenierungen einzufangen: Die sonst eher spröde wirkende Angela Merkel sorgt mit flotten Sprüchen für ein paar Lacher, Jair Bolsonaro steht eben verloren rum, weil keiner so recht mit ihm reden will und der Nestlé-Chef sitzt in einem Seminar über Künstliche Intelligenz und kommt bei den Ausführungen nicht mit. Diese kurzen Momente machen den Film tatsächlich sehenswert: Abseits der Fernsehkameras offenbart sich, was das wirklich für Menschen sind, die da Länder regieren und Firmen führen. Manche geben sich jovial kumpelhaft, andere sind stocksteif und wieder andere wirklich witzig – Politiker hautnah sozusagen. Das zu zeigen vermag fast nur ein Dokumentarfilm.

Am Ende bleibt aber trotzdem ein zwiespältiger Eindruck von Das Forum. Ja, der Film bietet einen nie zuvor dagewesenen Einblick in ein Treffen, bei dem Weltpolitik gemacht wird und sich die Reichen und Mächtigen die Klinke in die Hand geben. Und das ist packend montiert und mit dramatischer Filmmusik der Marke Hans Zimmer unterlegt. Aber der Preis, den Regisseur Marcus Vetter dafür bezahlt, ist, dass er eben nicht ganz so kritisch-ausgewogen ist, wie er vielleicht sein könnte. Kann ein Filmemacher, dessen Film vom Wohlwollen seines Protagonisten abhängt, ihn wirklich mit kritischen Fragen löchern? Wahrscheinlich genauso wenig, wie Klaus Schwab mit seiner Veranstaltung den Palästina-Konflikt beenden oder den Klimawandel aufhalten kann (das mit dem Palästina-Konflikt hat Schwab immerhin versucht). Aber ist es so schlimm, es zu versuchen?

Das Forum (2019)

In Zeiten von grassierendem Populismus und zunehmendem Misstrauen gegenüber den Eliten begleiten wir Klaus Schwab, den 81-jährigen Gründer des umstrittenen Weltwirtschaftsforums über den Zeitraum eines Jahres bei seinen Bemühungen, sein Leitmotiv umzusetzen: den Zustand der Welt zu verbessern. Während der Film Klaus Schwab über den Zeitraum eines Jahres begleitet, scheint die Welt aus den Fugen zu geraten: Klimakrise, Brexit, Gelbwestenproteste auf Frankreichs Straßen, der brennende Amazonas-Regenwald und der Handelskrieg zwischen den USA und China… Aber nicht nur eine neue Riege populistischer Führer wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro fordern das Establishment heraus, auch eine neue Generation rebellischer Jugendlicher, angeführt von der Klimaaktivistin Greta Thunberg drängen in die Öffentlichkeit.

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