Annabelle 2 (2017)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Schönes Schaudern und überflüssiger Lärm

Im Jahr 2013 legte Filmemacher James Wan, der mit dem Schocker Saw ins Rampenlicht getreten war, den überzeugenden Spukhausbeitrag Conjuring – Die Heimsuchung vor, der seither immer größere Kreise zieht. Drei Jahre später erschien eine überraschend gelungene Fortsetzung, und bereits 2014 hatte John R. Leonetti (Wish Upon) das Spin-Off Annabelle inszeniert, das sich mit einer im Ursprungswerk nur kurz auftauchenden Puppe befasst. Im Gegensatz zu den beiden Wan-Arbeiten handelt es sich dabei allerdings um einen Horror-Streifen plumper Aufmachung, was viele Genre-Liebhaber jedoch nicht davon abhielt, die Kinosäle zu stürmen. Rund 257 Millionen Dollar kamen weltweit zusammen und ließen die Herzen der Macher höherschlagen. Immerhin waren lediglich 6,5 Millionen Dollar für die Fertigstellung des Films ausgegeben worden. Wiederholen sollte diesen Triumph die Fortsetzung Annabelle 2, die ungeachtet des deutschen Verleihtitels die Vorgeschichte zum ersten Teil erzählt.

Zwölf Jahre nach dem tragischen Tod ihrer Tochter Annabelle (Samara Lee) beschließen der Puppenmacher Samuel Mullins (Anthony LaPaglia) und seine traumatisierte Ehefrau Esther (Miranda Otto), einige Waisenkinder in ihrem abgelegenen Farmhaus aufzunehmen. Die Ordensschwester Charlotte (Stephanie Sigman) und ihre sechs Schützlinge sind überglücklich und machen sich schon bald mit der neuen Umgebung vertraut. Während die anderen Mädchen draußen umherstreifen, bleibt die an Polio erkrankte, gehbehinderte Janice (Talitha Bateman) die meiste Zeit im Haus und begibt sich dort auf kleine Erkundungstouren. Eine geheimnisvolle Zettelbotschaft führt sie direkt in das Zimmer der toten Annabelle, dessen Betreten der wortkarge Gastgeber strengstens untersagt hat. Dort entdeckt Janice in einem Wandschrank eine unheimliche Puppe, die vor vielen Jahren weggesperrt wurde und deren dämonische Kräfte von nun an neues Unheil anrichten.

Als gutes Zeichen durfte man es im Vorfeld deuten, dass John R. Leonetti den Regiestab an seinen schwedischen Kollegen David F. Sandberg weiterreichen musste, der 2016 mit seinem Spielfilmdebüt Lights Out einen soliden Gruselthriller in die Kinos gebracht hatte. Die Hoffnung auf eine Steigerung gegenüber dem ideenlosen Vorgänger bestätigt sich schon im ersten Akt. Angefangen beim Prolog nimmt sich Annabelle 2 – ähnlich wie Mike Flanagans Spuk-Prequel Ouija: Ursprung des Bösen – Zeit, um den Betrachter mit seinem 1950er-Jahre-Setting und den Sorgen und Leiden der Figuren vertraut zu machen. Das sorgsam arrangierte Szenenbild lässt die Vergangenheit eindrücklich aufleben und verleiht dem Geschehen einen nostalgischen Charme. Die tiefsitzende Trauer der Mullins vermittelt sich nicht nur dadurch, dass sich Esther in ihrem Zimmer verkriecht und den Kontakt zur Außenwelt meidet. Auch Samuels Schweigsamkeit und seine müden Augen lassen erahnen, wie schwer der Tod seiner Tochter wiegt. Obwohl das Ehepaar mit den Waisenkindern frischen Wind in das ländliche Anwesen bringen will, hängt fortlaufend ein Gefühl der Beklemmung in der Luft.

Größeres Augenmerk richtet das von Gary Dauberman verfasste Drehbuch zudem auf die körperlich beeinträchtigte Janice und ihre beste Freundin Linda (wie schon in Ouija: Ursprung des Bösen erstaunlich souverän: Lulu Wilson). Ihre Beziehung ist geprägt von Vertrauen und echter Zuneigung, wie schon die Fahrt zum Haus der Mullins zeigt, auf der die beiden beschließen, sich gegenseitig nie im Stich zu lassen. Gleichwohl nimmt Janice aufgrund ihrer Erkrankung eine Außenseiterrolle ein, die sie in einer Szene selbst forciert, wenn sie Linda nach draußen zu den anderen Mädchen schickt.

Eingebettet sind die ruhigen, figurenzentrierten Momente in eine wohlige Gruselatmosphäre, die sich aus klassischen, nach wie vor wirkungsvollen Elementen speist: Türen bewegen sich wie von Geisterhand. Dielenbretter quietschen. Ein Treppenlift entwickelt ein gefährliches Eigenleben. Und im Hintergrund sind mehrmals seltsame Umrisse zu sehen. Sandberg erfindet das Rad gewiss nicht neu, weiß aber, welche Knöpfe er drücken muss, um wachsendes Unbehagen zu erzeugen. Mit zunehmender Dauer begeht allerdings auch er den Fehler, der vielen Genre-Mitstreitern unterläuft. Statt dem stimmungsvoll-schauerlichen Pfad zu folgen, verlegt sich der Schwede irgendwann auf eine immer aggressiver anmutende Jump-Scare-Taktik, die freilich nicht ohne eine krachende Tonspur auskommt. Aufdringlich wird der Schrecken ins Bild geholt, was ihn mit der Zeit entzaubert, auch wenn man in einigen Situationen zusammenzucken muss. Während der Bezug zu den eigentlich liebevoll gezeichneten Figuren durch die kontinuierlichen Schockattacken etwas verlorengeht, wundert man sich plötzlich vermehrt über ihr Verhalten. Exemplarisch ist der Augenblick, in dem Charlotte die Waisenmädchen nach einem grausamen wie mysteriösen Vorfall bedenkenlos ins Bett schickt.

Annabelle 2 übertrifft den uninspirierten ersten Film ohne Mühe, erweist sich aber als unnötig zwiespältige Angelegenheit, da ab einem gewissen Punkt – wie in vielen modernen Horrorwerken – lauter, vordergründiger Terror den langsam in die Knochen kriechenden Grusel überlagert.
 

Annabelle 2 (2017)

Im Jahr 2013 legte Filmemacher James Wan, der mit dem Schocker „Saw“ ins Rampenlicht getreten war, den überzeugenden Spukhausbeitrag „Conjuring – Die Heimsuchung“ vor, der seither immer größere Kreise zieht. Drei Jahre später erschien eine überraschend gelungene Fortsetzung, und bereits 2014 hatte John R. Leonetti („Wish Upon“) das Spin-Off „Annabelle“ inszeniert, das sich mit einer im Ursprungswerk nur kurz auftauchenden Puppe befasst.

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