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Claire Pijman widmet sich in „Living the Light – Robby Müller“ dem stimmungsvollen Œuvre des niederländischen Kameramanns und lässt dessen Videotagebücher in die großen Kinobilder einfließen.

Living the Light - Die Bilderwelten des Robby Müller (2018)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Mit Wim im Kino

Im Sinne der Autorentheorie sprechen wir oft von einem „Alfred-Hitchcock-Film“ oder einem „Howard-Hawks-Film“. Regisseur_innen sollen damit als Künstler_innen gewürdigt werden. Dabei besteht indes die Gefahr, dass ein Film weniger als Gemeinschaftsleistung angesehen wird – und dass die Handschrift anderer Beteiligter keine angemessene Wertschätzung erhält. Etwa die des Kameramanns beziehungsweise der Kamerafrau.

In ihrem dokumentarischen Porträt Living the Light – Die Bilderwelten des Robby Müller befasst sich Claire Pijman mit einem großen Talent der Bildgestaltung. Der Niederländer Robby Müller (1940-2018) arbeitete im Laufe seiner Karriere häufig mit Wim Wenders, Jim Jarmusch und Lars von Trier zusammen. Auch bei Werken von Hans W. Geißendörfer, Barbet Schroeder, William Friedkin, John Schlesinger und Sally Potter führte er die Kamera. Er gewann zahlreiche Preise (darunter dreimal den Deutschen Filmpreis und einmal die Goldene Kamera); 2017 widmete die Deutsche Kinemathek ihm eine eigene Ausstellung mit großflächigen Projektionen, um insbesondere den bemerkenswerten Lichteinsatz in seiner Arbeit und die erkennbaren Einflüsse von Malern wie Edward Hopper und Jan Vermeer hervorzuheben.

Auch Pijman lässt uns in Müllers Bilderwelten eintauchen. All die ikonischen Momente aus modernen Klassikern wie Alice in den Städten (1974), Im Lauf der Zeit (1976), Barfly (1987) oder Breaking the Waves (1996) flackern in Living the Light auf. Kolleg_innen vor und hinter der Kamera, neben Jarmusch, Wenders, von Trier und Schroeder zum Beispiel der Schauspieler Rüdiger Vogler, kommen zu Wort. Herrlich ist es, wenn etwa Jarmusch oder Schroeder über technische Details der Kameraeinstellung oder der Beleuchtung ins Schwärmen geraten. Deutlich wird in allen Ausschnitten und allen Kommentaren, dass es Müller nie darum ging, „schöne Bilder“ zu finden, sondern vielmehr darum, Stimmungen und Gefühle einzufangen. Er hatte keinen „Hollywood-Blick“ und seine eigenen, überraschend unprätentiösen Methoden – selbst dann, wenn er an Großproduktionen mitwirkte.

Was Living the Light wiederum zu mehr als einer kinematografisch interessanten Geschichtsstunde macht, sind die privaten Aufnahmen von Müller, die fließend mit seinem professionellen Schaffen verknüpft werden. Denn auch hinter den Kulissen und in seiner Freizeit filmte Müller oft und hinterließ damit ein audiovisuelles Tagebuch. So sehen wir, wie er mit Wenders im Kino sitzt, wie er von Drehort zu Drehort reist oder wie er in seiner Wohnung die Anrufbeantworter-Nachrichten von Jarmusch und David Lynch abhört.

Ganz wunderbar ist eine Videobotschaft, die er für seine Mutter aufnimmt. Da liegt er im Bett eines US-Hotelzimmers, im Hintergrund läuft Spiegelungen im Wasser von Claude Debussy (etwas zu laut, sodass er es leiser drehen muss). Er berichtet, dass der Regisseur, mit dem er gerade arbeite, ein „Schlaffi“ sei und dass er hier „ein ziemlich faules Leben“ führe, weshalb er „sogar zum Lesen“ komme. Durch solch sympathische Einblicke entsteht eine Nähe zu Müller, noch verstärkt durch Statements aus Müllers privatem Umfeld und die Ehrlichkeit, die etwa Wenders an den Tag legt, wenn dieser über eine lange, aufreibende Drehzeit sagt, dass sie auch eine Zerreißprobe für die gemeinsame Freundschaft war.

Living the Light - Die Bilderwelten des Robby Müller (2018)

Der Künstler und Kameramann Robby Müller ist einer der wenigen Menschen auf dieser Welt, der weiß wie man die Sonne fängt. Wie man ihre schmetterlingsgleichen Sonnenstrahlen auf Celluloid bannt. Virtuos verbindet er Bilder und Licht, aber auch Musik zu einem stimmungsvollen Gesamtkunstwerk. Seine Arbeit wurde mit der von Malern wie Vermeer und Hopper, die selbst als Meister des Lichts gelten, verglichen. Für ihren außergewöhnlichen Dokumentarfilm Living the Light hatte Regisseurin Claire Pijman Zugang zu Tausenden Hi8-Videotagebüchern, Bildern und Polaroids, die Müller während seiner langen Karriere als Kameramann gemacht hat. Er drehte mehr als 70 Spielfilme und seine langjährige Zusammenarbeit mit gefeierten Regisseuren wie Wim Wenders, Jim Jarmusch und Lars von Trier brachte ihm u.a. dreimal den Deutschen Filmpreis, den Bayerischen Filmpreis und die Camera d’Or als bester Kameramann ein. Der Film verbindet mit eigens von Star-Regisseur Jim Jarmusch komponierter Filmmusik, die privaten Aufnahmen mit Ausschnitten seines Schaffens und zeigt, wie beides beinahe fließend ineinander übergeht.

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