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Specials: Couchperle: Und wer hat's geschrieben?

Der Streik der Writers Guild of America macht gerade mal wieder deutlich, wie wichtig das geschriebene Wort für die filmische Form ist. Eine kleine Würdigung des Drehbuchautor:innen-Berufs anhand einiger Beispiele.

Die „Herr der Ringe“-Reihe? Ganz klar: das Opus magnum von Peter Jackson! „E.T. – Der Außerirdische“? Ein Meisterstück von Steven Spielberg! Was dabei jedoch oft vergessen wird: Diese ikonischen Werke stammen nicht (ausschließlich) aus der Feder dieser Regisseure, sondern dahinter stecken (auch) die Ideen von Drehbuchautor:innen, die diese Welten (mit-)geschaffen haben. Das gilt auch für die Arbeiten großer Namen wie Alfred Hitchcock, Orson Welles und Michelangelo Antonioni. Die Kino-Zeit-Redaktion hat sich vier bemerkenswerte Drehbuchautorinnen herausgepickt, um den Berufsstand zu würdigen und Solidarität mit den Streikenden zu bekunden.

Melissa Mathison

Ob das kleine titelgebende Alien aus E.T. – Der Außerirdische (1982) nun unfassbar putzig oder doch ein bisschen gruselig aussieht, dazu gibt es — auch innerhalb der Kino-Zeit-Redaktion — durchaus unterschiedliche Meinungen. Dass der Film eine wirklich zauberhafte Geschichte mit liebenswürdigen Figuren, tollen Dialogen und One-Linern erzählt, dürfte indes als Tatsache gelten.

Das fängt schon mal damit an, dass es hier gut gelingt, Mutter-Kind- und Geschwister-Beziehungen zu schildern, die glaubhaft und kitschfrei anmuten. Zu verdanken ist dies dem Oscar-nominierten Skript von Melissa Mathison (1950-2015), das die Familiensituation der alleinerziehenden Mary (Dee Wallace-Stone) und ihrer drei Kids stimmig erfasst und ein feines Gespür für die Gefühle, insbesondere die Ängste junger Menschen in einer Phase der Orientierungslosigkeit an den Tag legt.

Spielberg hat sich immer wieder sehr angetan zu Mathison und deren Arbeit geäußert. Ihre ehrliche Stimme habe eine direkte Verbindung zu seinem Herzen hergestellt, meinte er etwa im Rahmen eines DVD-Specials. Am enormen Erfolg des Werks habe sie großen Anteil gehabt. Bei einer Episode des Anthologiefilms Unheimliche Schattenlichter (1983) und bei der märchenhaften Literaturadaption BFG: Big Friendly Giant (2016) kam es zu weiteren Zusammenschlüssen der beiden.

Mathisons Drehbücher zu den Coming-of-Age-Abenteuern Der schwarze Hengst (1979) und Der Indianer im Küchenschrank (1995) steckten ebenfalls voller Magie. Durch ihr Skript zu Martin Scorseses Kundun (1995) wurde sie zu einer engen Freundin des Dalai Lama und zu einer Aktivistin für die Tibetische Freiheit. In ihrem Schaffen verband Mathison Wucht und Sensibilität – womit sie zu einem Hollywood-Kino beigetragen hat, das den sense of wonder, den wir in audiovisuellen Fantasiewelten suchen, perfekt einfängt.

von Andreas Köhnemann

Fran Walsh und Philippa Boyens

Wenn es eine ultimative Film-Trilogie gibt, dann wohl Peter Jacksons Umsetzung von Der Herr der Ringe. Wobei, da fängt das Problem schon an, und ich bin zugegeben auch Teil davon: In der öffentlichen Wahrnehmung ist Jacksons Name derart stark mit diesen drei Filmen verknüpft, dass er als das große, wahre Mastermind dahinter gilt. Auch wenn sein Posten als Regisseur und genereller Kreativkopf dazu verleiten mag und die Inszenierung fraglos eine der Stärken der Trilogie ist – eine der größten Leistungen bestand ebenso darin, den sich in ausufernd-langweiligen Details verlierenden Sermon Tolkiens aufs Wesentliche, eigentlich Faszinierende und filmisch tauglich herunterzubrechen.

Neben Jackson zeichneten dafür vor allem seine Gattin Fran Walsh sowie Philippa Boyens verantwortlich — beides langjährige Skript-Weggefährtinnen Jacksons. Walsh war sogar schon an den Drehbüchern zu Meet the Feebles, Braindead und Heavenly Creatures beteiligt, in den Folgejahren aber leider auch an der desaströsen Hobbit-Trilogie. Dass gerade sie etwas unter dem Radar läuft, scheint allerdings auch gewollt: Walsh hält sich mit Auftritten und Privatem stark zurück und hat, bis auf den Audiokommentar, auch keinen Auftritt im exorbitanten Bonusmaterial von Der Herr der Ringe.

Seit dem ebenfalls unterwältigenden Mortal Engines ist es im Übrigen noch ruhiger um die beiden geworden. Zu Boyens ist lediglich bekannt, dass sie das Skript zu Ridley Scotts The Merlin Saga verantworten wird, der für 2024 geplant ist. Doch selbst wenn da nichts (Großes) mehr kommen sollte: Mit der so wichtigen und gelungenen Adaption der Herr-der-Ringe-Bücher in Filmform haben sich beide ein Monument für die Ewigkeit geschaffen.

von Christian Neffe

 Diablo Cody

Diablo Cody ist eine Drehbuchspezialistin – nicht nur, weil ihr Regiedebüt (Paradise, 2013) eher in die Hose ging. Sondern weil sie allem voran immer eine interessante Geschichte zu erzählen hat. Eine Autorin von Jugendromanen, die sich an ihre eigene Jugend klammert (Young Adult). Eine Rockerin, die sich von ihrer Familie abgewandt hat (Ricki and the Flash). Eine mordende High-School-Prom-Queen (Jennifer’s Body). Immer stehen im Zentrum dieser Geschichten Frauen, die sich den gesellschaftlichen Erwartungen, die an sie gestellt werden – nett und höflich sein, die Familie priorisieren, in Würde altern, nicht morden – verwehren. Auch im Detail stecken immer unverkennbare Eigenheiten. Oder wer hätte gedacht, dass die Komödie über die nonchalante schwangere Teenagerin eine Abhandlung der Filmkunst von Splatter-Pionier Herschell Gordon Lewis enthält?

Aus Sicht der Kritik konnte Cody den Erfolg ihrer Debütarbeit Juno nicht mehr toppen. Dabei ist es eine mindestens ebenso große Freude, wie sie in Jennifer’s Body die männlichen Blicke auf Megan Fox gegen den Strich bürstet, wenn das Teenie-Idol beginnt, Blut und Galle zu kotzen und Männer zu verspeisen. Cody arbeitete mit diesen Werken bewusst gegen Stereotype in der Darstellung von Teenagerinnen an. Aktuell wird erneut ein Skript über eine unbequeme Teenagerin verfilmt: Lisa Frankenstein will sich aus einer Leiche einen Boyfriend bauen. Die Kritik ist von diesen Stoffen wohl mitunter auch schlicht überfordert.

Nicht zuletzt steht Diablo auch selbst für die Marginalisierung von Frauen in der ohnehin marginalisierten Zunft der Drehbuchschreibenden: Nach Juno dauerte es 13 Jahre, bis wieder eine Kollegin mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichnet wurde (nämlich Emerald Fennell für Promising Young Woman). Aufgrund ihrer unkonventionellen Ansätze sind auch übermäßig viele Diablo-Cody-Projekte in der berüchtigten development hell verendet. Neben Lisa Frankenstein soll sie zuletzt an einer Filmbiografie Madonnas gearbeitet haben und an einer Realverfilmung der Powerpuff Girls. Was auch immer davon umgesetzt wird – es wird sicherlich kein Hollywood-Einheitsbrei.

von Mathis Raabe