Dekalog, Eins und Dekalog, Zwei

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es gibt nicht viele Fernsehserien wie diese – auch und gerade heute nicht (mehr). In den Jahren 1988 und 1989 drehte der polnische Meisterregisseur Krzysztof Kieślowski seinen Dekalog, einen zehnteiligen Zyklus, in der er sich in jeder Folge mit einem der zehn Gebote befasste. Und obwohl jeder Teil des Gesamtkunstwerkes in sich abgeschlossen war, gab es Querverbindungen und –verweise und natürlich die gemeinsame Handschrift des Regisseurs sowie ein stimmiges Konzept, dessen Ergebnis sich auch heute noch sehen lassen kann. Und zwei der Filme schafften es schließlich sogar als eigenständige Filme in die Kinos, sie sind unter den Titel Ein kurzer Film über das Töten und Ein kurzer Film über die Liebe bekannt geworden. Der deutsch-französische Kultursender ARTE zeigt Kieslowskis vollständigen Dekalog, beginnend mit den ersten beiden Teilen, die nacheinander zu sehen sind, die restlichen Folgen laufen jeweils an den nächsten Tagen – ein Erlebnis, dass man sich nicht entgehen lassen sollte.

In der ersten Folge des Dekalogs geht es um den Wissenschaftler Krzysztof (Henryk Baranowski), der nach der Trennung von seiner Frau mit seiner Schwester Irena (Maja Komorowska) zusammenlebt und mit ihr gemeinsam seinen Sohn Pawel (Wojciech Klata) aufzieht. Der Junge zeigt sich sehr interessiert an religiösen Fragen, was von seiner Tante unterstützt und gefördert wird. Sein Vater hingegen als Wissenschaftler glaubt allein an das empirisch Beweisbare, er legt seinem Sohn aber keine Steine in den Weg. Als Pawel eines Tages zum Schlittschuhlaufen geht, berechnet sein Vater die Dicke und Tragfähigkeit des Eises, doch Krzysztof macht seine Rechnung ohne einen wichtigen Parameter, so dass es zu einer Katastrophe kommt…

In Dekalog, Zwei erzählt Kieślowski die Geschichte eines Chefarztes (Aleksander Bardini), der vor einer schwierigen moralischen Entscheidung steht. In dem Mietshaus, in dem er wohnt, lebt auch Dorata (Krystyna Janda), deren Mann Andrzej (Olgierd Lukaszewicz) schwerkrank in der Klinik des Arztes liegt. Dorata erwartet ein Kind von ihrem Liebhaber; und deshalb will sie von dem Mediziner wissen, wie es um die Überlebenschancen ihres Mannes bestellt ist, da sie das Kind nur dann bekommen will, wenn ihr Mann stirbt. Der Arzt weigert sich, ein endgültiges Urteil darüber zu fällen. Schweren Herzens vereinbart die verzweifelte Frau nun einen Termin für die Abtreibung, doch als sie kurz zuvor noch einmal den Chefarzt konsultiert, schwört dieser, ihr Mann werde sterben. Wie sich herausstellen wird, entspricht diese Prognose nicht der Wahrheit…

Trotz der starken katholischen Traditionen in Polen, die auch unter dem kommunistischen Regime niemals ganz verloren gingen, ist Kieslowskis Neuinterpretation der zehn Gebote kein primär religiöses Werk, sondern vielmehr ein Film über die moderne Ausgestaltung unserer ethischen Prinzipien, die auf die Bibel zurückgehen, eine Übung in praktischer Philosophie und eine Meditation darüber, wie schwer es heutzutage ist, gemäß dieser zehn einfachen Grundregeln zu leben. Gegen eine Vereinnahmung seines Dekalogs durch die katholische Kirche wehrte sich Kieslowski ausdrücklich und mit großer Vehemenz.

Dekalog, Eins und Dekalog, Zwei

Es gibt nicht viele Fernsehserien wie diese – auch und gerade heute nicht (mehr). In den Jahren 1988 und 1989 drehte der polnische Meisterregisseur Krzysztof Kieslowski seinen Dekalog, einen zehnteiligen Zyklus.

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