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Specials: Lumpen, Latex, Leder - Die Filmmoden der Apokalypse

Ein Beitrag von Bianka-Isabell Scharmann

Wie sollten wir laut Filmen, die sich mit der Apokalypse auseinandersetzen, zurzeit aussehen? Es gibt da so einige Vorschläge — fürs Nachahmen geben wir keine Gewähr.

Wie wir laut Apokalypsenfilmen zurzeit aussehen sollten 

Schaut man sich Filme an, die während einer Apokalypse spielen - looking at you Zombie-Films - oder danach, seien es 10, 30 oder 200 Jahre — so findet man tatsächlich einige materielle Gemeinsamkeiten. Die post-apokalyptische dystopische Zukunft kommt gerne mal in Lumpen und Latex daher, wohingegen über die Menschheit plötzlich hereinbrechende Katastrophen  keinen Raum für ausgeklügeltes Kostümdesign lassen, man trägt einfach das, was man auf dem Leib hat, der Zeit, in der der Film spielt, angepasst. Ach, und Leder und viel Fell darf man nicht vergessen, um den Widrigkeiten zu trotzen. 

Filme als modische Inspirationsquelle heranzuziehen ist jedoch so eine Sache. Designer*innen lassen sich natürlich schon lange von Film inspirieren, Kostümbilder*innen blicken auf die Mode und ihre Trends. Kino und Mode — das ist eine Liason so alt wie Film selbst. Das bedeutet jedoch auch: Viele der Kreationen sind nicht auf wirkliche Tragbarkeit angelegt, vor allem die optisch spektakuläreren Outfits, in denen seit Jahrzehnten über die Leinwand gewandelt wird. Kostüm ist auch nicht gleich Mode. Denn sie sind zum einen als Mittel der Charakterausgestaltung gedacht und zum anderen als visuelles Spektakel, bedeutet: zum Ansehen, zum Begehren, zum Sich-hinein-Imaginieren. Und das im positiven, wie im negativen Sinne. 

 

Überrascht im Alltag

Melancholia © Zentropa

Die erste Variante ist die insgesamt am wenigsten spektakulärste, weil sie doch sehr nah an dem ist, was wir zurzeit erleben: Man wird auf der Straße, im Alltag überrascht und muss sich dem Weltuntergang in den Klamotten stellen, die man auf dem Leib trägt. Ob sie geeignet sind oder nicht – unerheblich. 

Das wohl ungeeignetste Kleidungsstück, da man sich nicht gut drin bewegen kann, oder auch das beste, da das festlichste, ist das Hochzeitskleid, das Justine (Kirsten Dunst) in Melancholia trägt. 

Wenn man eine Empfehlung aussprechen soll: Woody Harrelson’s Outfit, das könnte man doch mal testen. 

Paramount Pictures Germany
World War Z von Marc Forster

Ein gutes Beispiel ist da World War Z. Der Film von Marc Foster mit Brad Pitt in der Hauptrolle beginnt mit der hereinbrechenden Katastrophe auf der Straße in New York City. Abgesehen von Pitts stylischer Frisur — er kann sie tragen — ist die Ausstattung was die Kostüme angeht wirklich unspektakulär. Hemden, Cardigans, T-Sirts, Blue-Jeans. Das ist bequem, man kann gut darin flüchten, rennen und wenn es sein muss auch in einen Helikopter springen. 

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Lumpen – oder tragt, was ihr finden könnt

Die Mad Max-Reihe bewegte sich sukzessive mit jedem Film weiter in eine post-apokalyptische, dystopische Zukunft, in der die wichtigste Währung Öl ist. Wenn die Landmasse nur noch eine öde Wildnis ist, Wasser rar, traditionelle Industriezweige zerschlagen, zerstört, zerbombt, dann muss man kreativ werden: Man trägt Lumpen. Übriggebliebenes, Unerwartetes. Eines der ikonischsten Outfits der Reihe und auch des Genres dürfte das Outfit von Tina Turners Charakter, der Metall-Power-Suit aus Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel sein. Ganz im Stil der 80er Jahre sind die Schultern überschnitten und mit dreifachen Lagen versehen, sind die Beine dank Schlitzen bis zur Hüfte freigelegt und die Kreolen so riesig wie kleine Unterteller.

Mad Max — Jenseits der Donnerkuppel © Warner Bros. 

Schaut man sich ihre Handlanger an, wird man interessante Details an ihren jeweiligen Outfits erkennen, die definitiv unerwartet sind: Autoteile, wie Blinker zum Beispiel, vervollkommnen den Look, die als „Stachel“-Ersatz auf den Schulterstücken angebracht wurden.

Warner Bros.
"Mad Max - Jenseits der Donnerkuppel"

Und dann wäre da natürlich noch Mad Max selbst, in dieser Inkarnation gespielt von Mel Gibson, in einer Kluft aus Leder, die von Gürteln und einem Harness-ähnlichen Gegürt zusammengehalten wird – samt Ledenschurz. Und auch hier haben wir sie wieder: Die Helden-Jacke aus Leder. 

Was tragen die Kinder? Weniger Metall, mehr Tier: Tierhäute und viel Fell werden hier von Schnüren zusammengehalten und geben ihnen einen recht primitiven Look.

Vergleicht man diese drei Varianten miteinander, so stellt man fest, dass den Frauen weiterhin das modische Vorreitertum obliegt – oder sie sind einfach Tina Turner und als Star hat man besondere Anrechte auf besondere Outfits, da man als Tina Turner in der Rolle immer noch erkennbar bleiben muss.

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Latex — Gefährlich und kämpferisch

12 Monkeys © Universal Pictures

Wir schreiben das Jahr 2035. Aufgrund einer Virus-Pandemie in 1996/1997 sind über 5 Milliarden Menschen gestorben. Die Menschen leben unter der Erde, nur einige Freiwillige werden an die Oberfläche geschickt. Man lebt in post-apokalyptischen Zeiten. So viel zum Setting in 12 Monkeys, dem Terry-Gilliam-Film von 1995. Bruce Willis als James Cole trägt meistens Lumpen – wo wir wieder beim vorherigen Punkt wären – sowie Kleidung, die noch stark an unsere erinnert, Hoodies, Cabanjacken mit Fellkragen, wenn auch alles etwas abgetragener.

Wirklich interessant ist, was die Doktoren, die ‚mad scientists‘, die ihn beauftragen, anhaben: eine durchsichtige Latexschicht über ihren Arztkitteln. Kühle und Transparenz, die jedoch nur vorgibt, nichts zurückzuhalten, eine Schicht, deren glatte Oberfläche leicht zu reinigen ist und an der vieles einfach abprallt. So macht man sich nicht schmutzig.

Warner Bros.
"Matrix"

Man ahnte es, dass dieser Film nicht fehlen darf: Matrix. Vieles des bisher besprochenen taucht auch in diesem Fall als visuelle Trope auf: Lumpen in der ‚realen Welt‘, Latex in diesem Fall in der Scheinwelt. Das Material steht für die Künstlichkeit, aber paradoxerweise für die Körperlichkeit — wirkt es zum einen als glänzende Oberfläche und andererseits als zweite Haut, die den Körper und seine Konturen preiszugeben weiß. 

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Fell und Schnitt

Dass auch nach der Apokalypse Klassengesellschaften bestehen bleiben und es deutliche, vestimentäre Marker gibt, das zeigt Snowpiercer ganz eindrücklich. Lumpen für die unterste Klasse, das menschliche Futter der großen Maschine, Armee-Uniformen für die ordnende Macht, Anzüge für die Männer in power und Tilda Swinton in ihren perfekt sitzenden Kostümen samt Mantel mit Fellkragen. Hier sind die Fronten klar. Später, wenn sich die Untersten nach vorne vorarbeiten, wandert man nicht nur durch die einzelnen Sektionen des Zugs, sondern auch durch Farben: Schritt für Schritt wird es heller, edler, metallischer. Man lässt die Lumpen hinter sich und stößt zum Fell vor. 

 

Snowpiercer © MFA+ Filmdistribution

 

 

Leder — Helden 

Schon mehrfach angesprochen: Leder, vor allem als Jacke, ist eines der beliebtesten Materialien. Tom Cruises Charaktere tragen sie gerne. Oder sagen wir einfach: Es ist Tom Cruise, der nur einen anderen Namen trägt, wie etwa in Minority Report oder auch Krieg der Welten

 

Krieg der Welten © UIP 

 

In letzterem wird auch das Motiv des „Überrascht im Alltag“ aufgegriffen. Bei Minority Report handelt es sich eher um die weichere und natürlichere Latex-Variante. 

Die modischen Vorschläge für während und nach der Apokalypse sind vielfältig. Und die hier gegebenen Beispiele erschöpfen bei weitem nicht die Möglichkeiten. Überraschend stimmig sind sie aber trotzdem: Helden tragen schwarz und Leder, Widersacher oder Antagonisten sind besonders gut gekleidet. Das sind filmische Tropen. Nur weil Tilda Swintons Charakter Fell und ein perfekt sitzendes Kostüm trägt bedeutet das nicht, dass man das selbst nicht mal ausprobieren könnte — in der Fake-Variante versteht sich. So schön wie die vestimentären Codes auch im Film funktionieren, man darf sie auch gerne mal unterwandern, mit ihnen spielen. Und der Apokalypse kann man ruhig stylisch entgegen schreiten, es müssen doch nicht immer die Lumpen aus der untersten Schublade sein.