Kolumnen

Kolumnen: Zukunft deutscher Film? Verstreut-zerstreute Randbemerkungen

Ein Beitrag von Joachim Kurz

Vor einiger Zeit habe ich eine Einladung erhalten, die mich gefreut und neugierig gemacht hat: Im Rahmen des Lichter Filmfest findet in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filmmuseum Frankfurt und dem Deutschen Filminstitut Anfang April der Zukunftskongress Deutscher Film statt.

Drei Tage lang diskutieren hier Kino- und Filmemacher wie Edgar Reitz, Julia von Heinz, Dietrich Brüggemann, aber auch Festivalleiter wie Lars Henrik Gass (Kurzfilmtage Oberhausen), Svenja Böttger (Max Ophüls Festival) und andere Expert*innen wie Claudia Dillmann (ehemals Leiterin des Frankfurter Filmmuseums und Anna Schoeppe (Kuratorium junger deutscher Film) die krisenhafte Gegenwart und die unsichere Zukunft der deutschen Film- und Kinolandschaft. Das ist natürlich löblich und unbedingt unterstützenswert. Und klar, dass ich dort hingehen werde. Dennoch besteht Anlass zur Skepsis.

Mein Unbehagen rührt vor allem daher, dass ich viele ähnliche Diskussionen zu diesem Thema oder ähnlichen Fragestellungen erlebt habe. Das Fazit: Viel Gerede, der Ertrag geht dabei aber stets gegen Null. Das liegt vor allem daran, dass sich zum einen wichtige Player aus der Politik fast nie mit auf den Podien befinden. Tun sie dies doch, geben sie stets eindrucksvolle Kostproben des Herumlavierens und der Null-Aussagen, so dass man am Ende ob dieser filmpolitischen Nebelkerzen stets der festen Überzeugung ist, dass im Grunde keinerlei Wunsch besteht, den Status quo überhaupt nur anzutasten. 

Zum anderen ist die Zukunft an sich und die des deutschen Films und Kinos ein so weites Feld, dass es schon einer verdammt guten Struktur bedarf, damit solch eine Diskussion nicht völlig in Randbereiche und Seitenwege diffundiert. Das liegt an den völlig unterschiedlichen Blickwinkeln der Diskutanten, die zwar viele unterschiedliche Ansätze mit einbringen, aber eben auch vollkommen verschiedene Interessen haben. Da geht es um Fragen von Genre vs. Autorenkino, um die Unzulänglichkeiten in der Stoffentwicklung, um die Beteiligung und Allmacht der koproduzierenden Fernsehanstalten, um Auswertungsfenster und die dringende Reformbedürftigkeit der zersplitterten deutschen Förderlandschaft. Das sind viele Aspekte, die leicht verschwimmen. 

Und es stellt sich von vornherein noch eine Frage: Sind nationale Zuschreibungen in der Filmwelt überhaupt noch nötig und angebracht? Film ist per se ein kollaboratives Werk, das durch das Zusammenspiel verschiedener Gewerke und Talente entsteht. Und häufig genug sind Filmteams selbst bei vornehmlich deutschen Werken international besetzt. Hinzu kommt die Tatsache, dass immer häufiger Filme als internationale Koproduktion entstehen, mit luxemburgischem Geld oder mit belgischem. Braucht es da wirklich noch die Kategorisierung nach Nationen? Trifft es das überhaupt noch oder wäre nicht viel eher gerade angesichts aufkeimender rechtspopulistischer Tendenzen, die sich immer lauter und unverschämter regen, ein Abschied von solchen Zuschreibungen ein erster Schritt?

3 Tage in Quibéron (2018) - Trailer

In 3 Tage in Quiberon von Emily Atef spielt Marie Bäumer Romy Schneider. Der Film lief im Wettbewerb der Berlinale 2018.

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Insofern hat es mich dann auch sehr verwundert, welche heftigen Reaktionen es auf die Preise bei der diesjährigen Berlinale gab – zumal kein einziger der vier deutschen Wettbewerbsbeiträge mit einem Bären bedacht wurde. Zugegeben: Es war schon erstaunlich, dass keiner der vier deutschen Filme (3 Tage in Quiberon, In den Gängen, Transit und Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot) ein Rohrkrepierer war – das hat man in den vergangenen Jahren nun wahrlich häufig genug anders erlebt. Aber entsteht daraus eine Verpflichtung – zumal unter dem deutschen Jurypräsidenten Tom Tykwer – dann einen der vier Filme herauszugreifen und mit einem Preis zu bedenken? Vielleicht sollte man ja zukünftig zur Besänftigung der Gemüter bei Filmfestivals eine Art Mannschaftswertung ins Leben rufen – das deutsche Kino hätte mit Sicherheit bei der Berlinale 2018 gut abgeschnitten. Vorausgesetzt man ist bereit, die dem Festival innewohnende Wettbewerbsverzerrung (dass überproportional viele heimische Filme dort an den Start gehen, eine Praxis, die es übrigens auch bei fast jedem anderen Festival auf der Welt gibt) zu akzeptieren.

Trotz dieser Vorbehalte lasse ich mich im April in Frankfurt natürlich gerne vom Gegenteil überzeugen. Vielleicht wird nicht wieder gejammert, geschimpft und behauptet (beispielsweise, dass es in Deutschland keine guten und mutigen Stoffe gäbe), sondern Mut gemacht. Vielleicht wird es keine weitere öffentlich ausgetragene Gruppensitzung von bekennenden und doch nur widerwillig mitmachenden Masochisten und Jammerlappen – und vielleicht muss ich dann auch nicht erkennen, dass ich unweigerlich selbst zu einem Exemplar dieser bedauernswerten Spezies mutiere. Vielleicht wird diese Veranstaltung ja tatsächlich der Beginn von etwas Neuem.