Ein Beitrag von Christian Neffe
Christian Neffe ist in seinem Jahresrückblick 2023 vor allem von düsteren Stoffen um menschliche Abgründe und von farbenfrohen Animationsfilmen begeistert.
Ich gebe zu: Ich mag sie sehr, diese Jahres-End-Listen. Einerseits um noch einmal selbst reflektieren zu können, was man eigentlich in den vergangenen zwölf Monaten alles gesehen hat, in welche Geschichten, Fantasien und Bildwelten man eingetaucht ist, welche emotionalen Berge und Täler man durchschritten hat. Und andererseits, mit Blick auf die Listen anderer, um noch ein paar letzte Perlen zu entdecken, die einem womöglich entgangen sind.
In diesem Jahr jedoch ist alles ein wenig anders. Wo ich mich in den Vorjahren noch schwertat, meine endgültige Top 10 zusammenzustellen, fiel es mir diesmal deutlich leichter – schlicht aufgrund eines Mangels an wirklich guten, begeisternden, mitreißenden Streifen. Tatsächlich wäre mir eine Liste der zehn größten Enttäuschungen deutlich leichter gefallen, ließ mich doch so einiges, das im breiten Diskurs, im Arbeits- und Freundeskreis hochgelobt wurde, mal zumindest ernüchtert zurück. Genannt seien hier unter anderem Bottoms, How to have Sex und Roter Himmel – allesamt keine schlechten Filme. Doch der Funke, er wollte einfach nicht überspringen, anstatt mich zu packen, ließen mich diese Geschichten weitestgehend kalt.
Doch bleiben wir lieber bei meinen Highlights, in denen klar zwei Filmkategorien dominieren: die düsteren Blicke in menschliche Abgründe und knallbunte Animation. Erstere in Form von Gareth Edwards‘ faszinierender SciFi-Dystopie The Creator, des wahnsinnig packenden Kriminal-Thrillers Catch the Killer, David Finchers stilsicherem Der Killer, Darren Aronofskys ganz und gar nicht subtilem, aber gerade deshalb emotional so effektivem The Whale und dem schockierend schmerzhaften Holy Spider. Und natürlich auch Justine Triets Anatomie eines Falls, einer der wenigen Filme, auf den sich dieses Jahr alle einigen können.
Sie alle eint, dass in ihnen Empathie und Abscheu aufeinanderprallen, dass menschliche/moralische/gesellschaftliche Abgründe im Angesicht nachvollziehbarer Einzelschicksale hinterfragt und ausgeleuchtet werden. Dass sie Ambivalenz in unsere Welt bringen, die zunehmend polarisiert, extremer wird und die Grautöne zu verlieren scheint.
Stichwort Grautöne: Die fegte das Animationskino in diesem Jahr mit wahnsinniger Energie davon. Tatsächlich war es ein herausragend gutes Jahr für Zeichentrick und Computeranimation, angefangen von Makoto Shinkais neuestem Anime-Streich Suzume über den zwar nach Schema F produzierten, aber dennoch wahnsinnig unterhaltsamen Super Mario Bros. Film und den vor allem in Sachen Figurendesign herausragenden Elemental bis zu Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem, Nimona und den alles überragenden Spider-Man: Across the Spider-Verse, die stilistisch aus dem Vollen schöpften. Einer solch vitalen, mitreißenden Kreativität begegnete ich dieses Jahr nur im Animationskino – mal schauen, ob sich dieser Trend 2024 fortsetzt.
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