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In “It’s Raining Men” erzählt Caroline Vignal von einer verheirateten Zahnärztin, die das Online-Dating für sich entdeckt. Der Film lebt von Hauptdarstellerin Laure Calamy.

It's Raining Men (2023)

Eine Filmkritik von Reinhard Kleber

Eine weibliche Selbstermächtigung mittels Dating-App

1982 landeten die Weather Girls mit dem fröhlich-frechen Disco-Song „It’s Raining Men“ einen Welthit, der bis heute regelmäßig im Radio zu hören ist. Dieser Ohrwurm liefert in Caroline Vignals französischer Erotikkomödie den passenden Soundtrack für einen Ausflug ins Musical-Fach. Hier segeln zwar keine Männer an Regenschirmen vom Himmel wie im Video des Songs, aber etliche Männer und Frauen folgen tanzend der verheirateten Iris, die nach einem prickelnden Stelldichein mit einem Lover zufrieden strahlt und draußen zu singen beginnt. Die Musical-Einlage reicht zwar nicht an die schwungvolle Eleganz der Gesangs- und Tanznummern eines Genre-Meisterwerks wie „La La Land“ heran, ist aber das inszenatorische Highlight eines ansonsten charmanten, aber harmlosen Unterhaltungsfilms.

In Paris führt die hübsche Mittvierzigerin Iris (Laure Calamy) als arrivierte Zahnärztin mit eigener Praxis ein gutbürgerliches Leben mit ihrem attraktiven Architekten-Ehemann Stéphane (Vincent Elbaz), der 15-jährigen Tochter Anna (Zoe Richard) und der zehnjährigen Lili (Daphne Crepieux). Sie hat scheinbar alles, was man so zum Glück braucht. Doch im Laufe der 16 Ehejahre ist den Eltern die Lust abhanden gekommen: Seit vier Jahren hatten sie keinen Sex mehr. Dabei scheinen ihnen nicht einmal die Gründe klar zu sein. Die sexuell ausgehungerte Ärztin gibt Stephane unübersehbare Hinweise, wenn sie im Ehebett einschlägige Ratgeberbücher liest – mit Titeln wie „Die erkaltete Frau“, „Begehrte Frau, begehrende Frau“ oder „Wir müssen die Liebe neu erfinden“. 

Doch der stoische Gatte, der sich im Home Office so liebevoll um die Töchter kümmert, scheint die Bucheinbände nicht zu sehen, oder er tut eben so. Als eine Bekannte in der Schule den Dauerfrust von Iris mitbekommt, empfiehlt sie ihr eine Dating-App, die unverbindliche Sex-Treffen vermittelt. Spontan probiert sie die App aus und wird sofort mit zahlreichen Angeboten überschüttet. Erst zögernd, aber dann mit neu erwachter Lust und wachsendem Mut zur Unvernunft verabredet sich die bisher so brave Hausfrau zu Seitensprüngen mit diversen Männern. Zwar bringen die heimlichen Treffen erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich, doch Iris fühlt sich endlich wieder als Frau bestätigt und gewinnt an Selbstbewusstsein. Als sie vor sich hin lächelt und strahlt, entdeckt endlich auch Stéphane wieder ihre Anziehungskraft.

Das Drehbuch zu der Komödie schrieb die Regisseurin zusammen mit Noémie de Lapparent. Vignal ist eine routinierte Drehbuchschreiberin: Nach ihrem Regiedebüt Les autres filles (2000) legte sie die Regiearbeit erstmal wieder auf Eis gelegt und arbeitete fast zwei Jahrzehnte lang als Autorin für Fernsehen, Radio, Theater und Kino. Erst 2019 kehrte sie für Mein Liebhaber, der Esel & Ich auf den Regiestuhl zurück. Die Romantikkomödie über eine verpeilte Lehrerin auf erotischen Irrwegen lockte in Frankreich mehr als 750.000 Menschen in die Kinos, sammelte acht Césars ein und bescherte der Hauptdarstellerin Laure Calamy die begehrte Auszeichnung als beste Darstellerin. Kein Wunder, dass Vignal dem Genre treu geblieben ist und die Hauptrolle erneut Calamy anvertraut hat. 

Die Schauspielerin, die sich vor allem durch ihre Auftritte als Sekretärin Noémie in allen vier Staffeln der Serie „Call My Agent!“ (2015-2020) einen Namen gemacht hat, erweist sich denn auch als größte Stärke des Films. Calamy gibt die anfänglich verhuschte Familienmutter ebenso überzeugend wie die skrupellose Ehebrecherin. Ihre Spielfreude und ihr Enthusiasmus sind mitreißend – vor allem in einer leichten Komödie, die auf biederes Moralisieren verzichtet und freizügig mit Themen wie sexueller Selbstbestimmung von Frauen und weiblicher Selbstermächtigung umgeht. Dazu passt eine frühe visionäre Szene, in der Iris in der Metro zahlreichen Männern begegnet, die ihr reihum Komplimente und erotische Angebote machen.

Mit ihrer Performance vermag Calamy einige Schwächen auszugleichen: Die Inszenierung bietet wenig Überraschungen, der Ausgang der Handlung ist vorhersehbar. Außerdem steuert Vignal gelegentlich in Humorflauten, wie die Wiederholungen flacher Gags zeigen. Da muss Iris‘ Assistentin Nuria (Suzanne de Baecque) mehrfach Behandlungstermine von Patienten hin- und herschieben, um der Chefin ein Schäferstündchen am Nachmittag zu ermöglichen. Einmal muss die selbstständige Akademikerin ihre junge Assistentin fragen, wie man an ihrem viel genutzten roten Smartphone den störenden Vibrationston abstellt – das wirkt heutzutage doch albern.

Oder wenn eine überdrehte Iris nach einem sexuell erfüllenden Liebesakt zu Hause vor ihrem erstaunten Mann eine flammende Eloge auf die Polyamorie als revolutionäre Philosophie und unwiderstehliche Lebenseinstellung hält. Erstaunlich ist übrigens auch, wie gelassen Stéphane die mehrfache Untreue seiner Angetrauten hinnimmt. Statt ihr eine Szene zu machen, signalisiert er ihr sein auf wunderbare Weise wiedererwachtes Interesse – natürlich per Smartphone. Prompt verabreden die beiden sich in einem Café mit dem programmatischen Namen Les Funambules (Die Seiltänzer). Französische Lebenskunst par excellence!

It's Raining Men (2023)

Iris (Laure Calamy) führt das Leben, von dem viele Frauen träumen: Sie ist eine erfolgreiche Zahnärztin, hat ein schönes Zuhause, zwei wunderbare Töchter und einen attraktiven, liebevollen Ehemann (Vincent Elbaz). Eigentlich hat sie also alles, was sie für ihr Glück braucht – außer Sex! Die Leidenschaft in ihrer Ehe ist zwischen Deadlines, Familie und Haushalt irgendwann verloren gegangen. Sie beschließt, sich per Dating-App nach einem Liebhaber umzusehen – nicht ahnend, welchen Zuspruch und wie viele Abenteuer sie erfahren würde: It’s Raining Men! Iris entdeckt, wie prickelnd die Lust und das Leben sind und auch die Beziehung zu ihrem Ehemann Stéphane verändert sich.

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