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Wer in Tokio essen gehen will, kann aus mehr als 80.000 Restaurants wählen. Köche und Köchinnen, die es hier in die Liga der gehobenen und preisgekrönten Gastronomie schaffen, müssen nicht nur perfektionistisch sein, sondern auch kreativ. Der Dokumentarfilm stellt vier von ihnen vor.

Das Streben nach Perfektion (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zu Gast in japanischen Spitzenrestaurants

Zuschauer*innen von Kochsendungen wissen längst, was neulich auch Juliette Binoche in der Titelrolle von „Geliebte Köchin“ wieder demonstrierte: Hervorragende Gerichte entstehen nicht im Handumdrehen. Sie erfordern viel Arbeit. Wer gut kochen will, benötigt Leidenschaft und Talent. Ein Hang zum Perfektionismus wird Küchenchefs und -chefinnen überall auf der Welt abverlangt und erst recht in Japan. Denn wer sich im Land der Zengärten und der Teezeremonie kulinarisch profilieren möchte, muss sich die Makellosigkeit zum Maßstab nehmen. Der Dokumentarfilm von Toshimichi Saito stellt drei Gastronomen und eine Gastronomin vor, die zu den renommiertesten des Landes zählen.

Takemasa Shinohara betreibt in Tokios glamourösem Ausgehviertel Ginza ein Restaurant, in welchem die Tradition der Kaiseki-Küche hochgehalten wird. Der Chef erklärt deren klassische Speisenfolge: vom Appetizer Sakizuke über Suppe, Sashimi, die saisonale Platte Hassun und weitere Gerichte bis zum Dessert nebst Grüntee. Nimmt die Kamera dann die einzelnen Kreationen ins Visier, werden sie, begleitet von Klassischer Musik, wie Kunstwerke präsentiert, im Kreis gedreht, aus verschiedenen Perspektiven bewundert. Auch verzückte Mienen der Gäste nach dem ersten Bissen rücken ins Bild. Ein Gericht ist hier jeweils nicht viel mehr als ein Häppchen, stilvoll arrangiert in einem Schälchen. Shinohara erzählt aus seinem Leben und von seinem Werdegang, wie ihn der Karate-Sport mental stärkt und wie es ihm gelang, die französische Delikatesse Foie gras – Stopfleber – in eine japanisch anmutende Kreation einzubauen.

Von Porträt zu Porträt folgt die Struktur des Films einem ähnlichen Muster. Die Chefs und die Chefin erzählen selbst von sich, aber es gibt auch kurze Statements aus dem Kreis der Mitarbeitenden, geschäftlichen Partner, Weggefährtinnen und von zwei englischsprachigen Food-Journalist*innen. Ferran Adrià, der berühmte spanische Begründer der Molekularküche, spricht im Anfangsteil des Films und gegen Ende lobende Worte über die japanische Küche, die allerdings sehr allgemein gehalten sind. Die Porträtierten lassen sich auch in der Küche filmen, beim Einkaufen, sogar ein wenig im privaten Umfeld. Sie ähneln sich in der Beschreibung ihrer Einstellung, sich ständig weiter zu verbessern, jeden Tag etwas anzustreben, was bisher noch nicht gelang.

Natsuko Shoji bekam 2022 den Titel der besten Köchin Asiens verliehen und führt ein eigenes Restaurant in Tokio. Die junge Frau ist eine Ausnahmeerscheinung in der von Männern dominierten japanischen Spitzengastronomie. Sie begann ihre Karriere mit Kuchen und Süßspeisen, die sie mit bonbonfarbenen Verzierungen zu optischen Kunstwerken gestaltet. Mangos schneidet sie in dünne Schalen, die zusammengerollt wie Rosenblüten aussehen. Diese werden wiederum geschmückt mit roten Beeren und grünen Trauben. Modebewusst bezeichnet sie ihre stylishen Gerichte auch als Kollektionen. Menschen, die in Tokio für viel Geld auswärts essen oder Süßigkeiten kaufen, verbinden damit einen Lebensstil und sind, wie in der westlichen Welt auch, auf der Suche nach neuen Genüssen. Und offenbar leisten sich, wie die Aufnahmen zeigen, schon junge Menschen gerne dieses Vergnügen.

Es sind die Porträtierten, die Das Streben nach Perfektion interessant machen. Dem Film fehlt jedoch eine Sinnlichkeit, die sich nicht auf ästhetische Food-Aufnahmen beschränkt. Im Drama Das Zen-Tagebuch beispielsweise wird die Zubereitung einfacher Speisen ausführlich zelebriert, auf die Besonderheiten und den Geschmack der Früchte und Kräuter eingegangen. Ein dampfendes Gericht kann dort gefühlt einen unwiderstehlichen Duft verströmen. Dieser Dokumentarfilm setzt hingegen auf den Glanz der Oberfläche. Nur sporadisch vertieft er sich auch mal in die Frage, wie die Porträtierten ihre Rezepte entwickeln und verändern.

Das Streben nach Perfektion (2022)

Der genaue Blick über die Schultern der führenden vier Köch*innen Japans entführt in eine Welt voller Genuss, Schönheit und dem Streben nach Perfektion.

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