Log Line

Tech-Milliardäre und ihr erratisches Verhalten sind offensichtlich ein Symptom unserer Zeit. Der Dokumentarfilmer Klaus Stern versucht einer dieser grauen Eminenzen auf die Schliche zu kommen — und ist noch im Festhalten seines eigenen Scheiterns zumindest unterhaltsam.

Watching You - Die Welt von Palantir und Alex Karp (2024)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Phantom des Silicon Valley

Wie kommt man einem Mann auf die Spur, der zwar selbst mittels einer technologisch hochgerüsteten Überwachungs-Software jeden seiner Mitmenschen ausspionieren kann, der sich aber selbst komplett bedeckt hält, was sein Leben, seinen Werdegang und das Ausmaß seiner geschäftlichen Unternehmungen angeht? Der renommierte Dokumentarfilmer Klaus Stern, mit Filmen wie „Weltmarktführer — Die Geschichte des Tan Siekmann“ und „Versicherungsvertreter — Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker“ durchaus geübt im Umgang mit gewieften wie windigen Managern und anderen High Flyern, findet im Tech-Milliardär Alex Karp seinen Meister und dokumentiert dieses Scheitern schonungslos.

Dabei erweist sich als Glücksfall, dass Alex Karp Klaus Sterns Kameramann Thomas Giefer schon einmal begegnet ist — und das bereits im Jahre 1997. Damals  benötigte Giefer einen Stand-in für einen Film über einen schwulen jüdischen Exil-Schriftsteller, und der recht lustige, sympathische und politisch klar links eigestellte Alex sei eingesprungen. 20 Jahre später, so Geifer weiter, sei er dem jungen Mann von damals erneut begegnet — und zwar auf der Titelseite des Forbes-Magazins, das unter der Überschrift „Meet Big Brother“ den jetzigen CEO eines mysteriösen Software-Unternehmens namens Palantir auswies. Als Stern diese Geschichte hörte, war sein Interesse geweckt, und das damals gedrehte Material gehört neben dem Augenzeugenbericht eines geschassten Whistleblowers und den Recherchen der Reporterin Christiona Kyriasoglou vom Manager Magazin zu den erhellendsten Facetten einer filmischen Recherche, die sonst weder der Person Alex Karp noch dessen Unternehmen recht nahe kommt. 

Eines der Grundprobleme dabei ist vor allem, dass Alex Karp zwar auf freundliche Weise desinteressiert ist an dem seltsamen Filmteam aus Deutschland, dessen Kameramann er ja von früher kennt und den er im Scherz immer mit Clint Eastwood vergleicht. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Karp Klaus Stern immer wieder ins Leere laufen lässt. Zum Glück besitzt Stern die Souveränität, dies nicht zu verschweigen, sonst fast schon verschmitzt sein Anrennen gegen Wände lustvoll zu zeigen.

Und so ist es vor allem ein Reden über Alex Karp, sind es bis auf die mehr als 25 Jahre alten Filmschnipsel vor allem Geschichten aus zweiter und dritter Hand sowie gelegentliche, allerdings recht rare öffentliche Auftritte von Karp, die uns einen Eindruck des widersprüchlichen und sprunghaften Mannes vermitteln wollen. 

Was in Erinnerung bleibt, zeichnet ein mehr als ambivalentes Bild von Alex Karp: Seine Eltern, ein jüdischer Professor und eine Fotografin, so erfährt man, seien Hippies gewesen, die ihn schon früh zu Demos mitgeschleppt hätten. Auch dass er nach seinem Abschluss in Rechtswissenschaften nach Frankfurt ans Sigmund-Freud-Institut der Goethe-Uni in Frankfurt ging und dort bei der Sozialpsychologin Karola Brede promovierte, ist für einen Silicon-Valley-Milliardär sicherlich ebenso ungewöhnlich wie das Bekenntnis, ein „Neo-Marxist“ zu sein. Auf der anderen Seite gründete er Palantir ausgerechnet mit Peter Thiel, dem Trump-Unterstützer und rechtslibertären Co-Gründer von PayPal, der gerne auch mal gefallenen Rechtspopulisten wie Sebastian Kurz geschäftlichen Unterschlupf gewährt. Auffällig ist auch Karps Nähe zum Springer-Konzern, in dessen Aufsichtsrat er sitzt und bei dessen Veranstaltungen er ein gern gesehener Gast ist. Ganz zu schweigen davon, dass seine Überwachungs-Software Gotham der feuchte Traum sämtlicher Autokraten der Welt ist, deren Verwendung das Bundesverfassungsgericht stoppte.

Wie passt all das zusammen? Welche Ziele verfolgt er wirklich? Ist die Fassade des freundlichen und ein wenig spinnerten Hippie-Sprosses womöglich nur eine Maske, um die Welt zu täuschen? Und wie gefährlich ist es, die Daten von Bürger*innen weltweit einem Mann und einem Unternehmen anzuvertrauen, über das man so wenig weiß? Über all dies kann Klaus Stern und mit ihm sein Publikum nur spekulieren, vieles wirkt lediglich anrecherchiert, bleibt wolkig und im Ungefähren. Dieser Alex Karp und das, was er tut — der Film bekommt es nicht wirklich zu fassen. Aber womöglich ist das ja auch der Grund, warum Palantir als Unternehmen das tun kann, was es tut. Und warum es gegen Tech-Mogule wie ihn so erschreckend wenig Widerstand gibt. Wenn der Film eines verdeutlicht, dann wohl, dass es großer Mühen und Aufwendungen bedarf, um die Grauzonen zu durchleuchten, die Firmen wie Palantir, aber auch Facebook, Google und andere bespielen. Ein Film wie Watching You — Die Welt von Palantir und Alex Karp bildet da lediglich einen (unbefriedigenden) Ausgangspunkt.

Watching You - Die Welt von Palantir und Alex Karp (2024)

Der digitale Kapitalismus und die KI verändern die Welt. An der Spitze dieser Entwicklung steht auch Alex Karp, bekannt als „Big Brother“. Die von seiner Firma Palantir geschaffene Software „Gotham“ gehört zu den weltweit gefragtesten Datenanalyse-Tools und ist gleichzeitig höchst umstritten. Sie befähigt Staaten zur umfassenden Überwachung seiner Bürger*innen. Gleichzeitig soll sie dem ukrainischen Militär nun einen entscheidenden Vorteil im Krieg verschaffen. Ist „Gotham“ nun Fluch oder Segen und wie hält es Alex Karp mit der Ethik oder seinem Machthunger – ist er ein Faust, ein Mephisto oder beides zugleich? (Quelle. DOK.fest München 2024)

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen