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In „Teaches of Peaches“ ziehen Philipp Fussenegger und Judy Landkammer mit der Electroclash-Künstlerin Peaches ein Resümee anlässlich des Jubiläums ihres einflussreichen Albums.

Teaches of Peaches (2024)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Lay with me, love with me

„My name is Peaches“, heißt es zu Beginn des Dokumentarfilms von Philipp Fussenegger und Judy Landkammer. In einer alten Heimvideoaufnahme, entstanden um das Jahr 2000 herum, stellt sich die kanadische Electroclash-Künstlerin, die mit bürgerlichem Namen Merrill Beth Nisker heißt, vor und erläutert die Herkunft ihres Pseudonyms. Eine Bildercollage, unterlegt mit dem inzwischen ikonischen Hit Fuck the Pain Away, wirft uns in die Synth-Punk-Welt von Peaches. Das Regieduo begleitet die Protagonistin bei der Tournee zum 20-jährigen Jubiläum ihres Albums, das dem Film seinen Titel gibt: „Teaches of Peaches“.

Mit Peaches Does Herself kam 2012 ein Konzertfilm heraus, der aus dem Material von insgesamt zehn Auftritten im Berliner Off-Theater HAU eine fantasievoll irrealisierte Geschichte von Peaches’ künstlerischer Entwicklung erzählte. Das Werk von Fussenegger und Landkammer ist wiederum ein konventionelleres Porträt, das unter anderem mit der Talking-Heads-Methode arbeitet. Eindrücke der Anniversary-Tour werden kombiniert mit Bildern, in denen die Anfänge von Peaches’ Laufbahn erfasst werden. In der Gegenüberstellung ergeben sich zum einen deutliche Unterschiede. So reiste die Musikerin zum Beispiel einst mit sehr wenig Gepäck; inzwischen ist sie mit imposanter Ausrüstung unterwegs. Wer ihre Shows mit zahlreichen extravaganten Kostümen und Requisiten kennt, weiß, was hier so alles von Stadt zu Stadt und von Location zu Location befördert werden muss.

Zum anderen wird in den ineinander montierten Augenblicken von damals und heute aber auch spürbar, dass sich Peaches in ihrer Art treu geblieben ist. Ohne ihr Alter zu verbergen oder sich einfach nur zu wiederholen, ist die energiegeladene Person der frühen 2000er Jahre immer noch da – sowohl auf der Bühne, als auch abseits davon. Bei den Blicken hinter die Kulissen wird der Teamspirit vermittelt, der die Tournee zu einer familiär anmutenden Angelegenheit macht. Peaches’ Lebenspartner Ellison aka Black Cracker ist als kreativer Berater und technischer Leiter eingespannt und schildert humorvoll die Dynamik innerhalb der Beziehung. Zu den Interviewten gehören (neben bekannten Weggefährt:innen wie Leslie Feist, Chilly Gonzales und Shirley Manson) die Backup-Tänzer:innen und Techniker:innen, die im Film keine namenlosen Gestalten im Hintergrund bleiben.

Gelegentlich stellt sich das Gefühl ein, dass ein derart gängiger dokumentarischer Rahmen für eine Persönlichkeit wie Peaches zu eng ist. An einer Stelle lehnt sie sich gegen eine Interviewfrage, die aus dem Off kommt, auf. Ob der Kampf für das Recht auf Abtreibung ein politisches oder (auch) ein privates Anliegen sei, hält sie für eine total unangemessene Frage, was sie in klaren Worten zum Ausdruck bringt. Ein paar mehr solcher Momente, in denen die erwartbare Form aus dem Takt gerät, wären gewiss spannend gewesen. Dennoch bleibt Teaches of Peaches eine reizvolle Betrachtung. Wenn kurze Clips aus alten VIVA-Zwei-Sendungen eingespielt werden, wird uns bewusst gemacht, wie weit Peaches mit ihren feministischen Äußerungen zu Sexualität und Genderstereotypen vor inzwischen fast einem Vierteljahrhundert ihrer Zeit voraus war. In einem dieser Auszüge liegt sie mit völliger Selbstverständlichkeit in einem Schaumbad, während sie interviewt wird – why not?

Sie habe damals nicht gedacht, dass ihre Musik jemals außerhalb ihres Schlafzimmers stattfinden werde, meint Peaches in der Rückschau. Dieser Film erinnert uns daran, wie froh wir sein können, dass es anders kam – und wie viel Spaß es bereitet, diese zeitlosen Banger zu hören. You know it, you love it / You got it, you want it!

Gesehen auf der Berlinale 2024.

Teaches of Peaches (2024)

Anhand von exklusivem privatem Archivmaterial und spektakulären Aufnahmen der aktuellen „The Teaches of Peaches Anniversary Tour“ zeigt der Film den Weg der Kanadierin Merrill Nisker zur international gefeierten Künstlerin Peaches. Von der Ideenfindung für die Bühnenshow über die intensiven Proben bis hin zu den fesselnden Live-Shows gewährt er einen intimen Blick hinter die Kulissen der Tour. Als feministische Musikerin, Produzentin, Regisseurin und Performance-Künstlerin hat sich Peaches über zwei Jahrzehnte dem Kampf gegen Genderstereotype gewidmet und ihren Status als Ikone der Pop- und Musikindustrie gefestigt. Ihre furchtlose Originalität stellt soziale Normen infrage, zerschmettert Stereotype und patriarchale Machtstrukturen. Mit bissigem Humor und scharfsinnigem Verstand setzt sie sich für LGBTQIA+ Rechte ein, rückt Fragen nach Gender- und sexueller Identität in den Fokus und hinterlässt dabei einen bleibenden Eindruck in der Popkultur.

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