Bücher

Bücher: Bücher über Weinstein und #metoo

Ein Beitrag von Sonja Hartl

Über den Kampf gegen Harvey Weinstein und sexualisierte Gewalt – plus: ein paar Geschenktipps für Filminteressierte. Eine hochspannende Mischung in Sonja Hartls Dezember-Bücherkolumne.

Zwei Jahre ist es her, als die Artikel von Jodi Kantor und Megan Twohey in New York Times sowie Ronan Farrow im New Yorker die Machenschaften von Harvey Weinstein an die Öffentlichkeit brachten: das jahrzehntelange Ausüben sexualisierter Gewalt, das erkaufte und erzwungene Schweigen durch Anwälte und Stillschweigevereinbarungen sowie das systematische Unterdrücken von Enthüllungsgeschichten zu diesem Thema. Unter dem von Tarana Burke geschaffenen Hashtag #Metoo nahm damit eine Bewegung Fahrt auf, die hoffen ließ, es würde nun ein grundlegender Wandel stattfinden – nicht nur in der Filmindustrie, sondern der gesamten Gesellschaft. Zwei Jahre später besteht Anlass, daran zu zweifeln – und zwei Jahren später erzählen nun Kantor und Twohey sowie Ronan Farrow in Büchern von ihren Recherchen.

Beide lesen sich ungemein spannend: Kantors und Twoheys bislang leider noch nicht übersetzte „She Said“ erinnert an einen Journalismus-Thriller, in dem sich aufrechte Reporterinnen und ein mutiger Herausgeber vielen Einschüchterungsversuchen nicht beugen. Ronan Farrows „Durchbruch“ indes nimmt sogar Züge eines Geheimdienstthrillers an, wenn er erzählt, wie er von einer privaten israelischen Sicherheitsfirma überwacht wird und letztlich durch eine Quelle innerhalb der Firma sowie einen externen Auftragnehmer erfährt, worauf sie angesetzt waren. Auch Kantor glaubte sich verfolgt – und sie wurde es von eben dieser Firma.

Beide Bücher erzählen von ReporterInnen, die unermüdlich gearbeitet haben, die zahlreiche Frauen überzeugt haben, ihre Geschichte zu erzählen. Ronan Farrow aber erzählt noch weitere Geschichten aus der Film- und Fernsehwelt: Von seinem ehemaligen Arbeitgeber NBC, der versucht hat, seine Recherchen zu unterbinden und der sich mittlerweile mit weit mehr als einem Vorwurf der sexuellen Belästigung auseinandersetzen muss. Von den engen Verbindungen einflussreicher Männer, die dieselben Partys besuchen und AnwältInnen beschäftigen. Von der Gefahr, die von Medienunternehmen ausgeht, die belastende Enthüllungsgeschichten über Trump und andere Männer unterdrücken, um auf sie Einfluss zu nehmen.

Außerdem ist Ronan Farrow der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow. Seine Schwester Dylan wirft ihrem Vater vor, sie sexuell missbraucht zu haben, als sie ein Kind war. Ronan Farrow hat lange gezögert, ehe er sich in einem Beitrag im Hollywood Reporter dazu geäußert hat. Er weiß, dass er kein Buch über Weinstein schreiben kann, ohne darauf einzugehen – und lässt immer wieder einfließen, dass er mit seiner Schwester gesprochen hat und mittlerweile bereut, dass er sie nicht mehr unterstützt hat.

Durch seine Eltern hat er andere Kontakte als Kantor und Twohey, er kennt Menschen in Hollywood, sie reden mit ihm, er hat die Einsichten eines Mannes, der sich seit Jahren in dieser Welt bewegt. Um nur eine herauszugreifen: Er glaubt Meryl Streep, dass sie über Weinstein nicht Bescheid wusste – aber sie beschäftigt dennoch dieselbe Pressesprecherin wie sein Vater, „die auch seine regelmäßigen Bemühungen koordiniert, meine Schwester in Misskredit zu bringen“. Und so enthält das Buch viele, viele kleine Details, die ernüchternd sind, aber auch zeigen, dass es bei #Metoo nicht um die Taten Einzelner geht.

Das wird auch in „She said“ deutlich, in dem Kantor und Twohey noch auf die Anhörung von Brett Kavanaugh eingehen, in der die Aussage von Christine Blasey Ford zwar glaubwürdig war, aber dennoch an seiner Berufung ans Oberste Bundesgerichts nicht geändert hat. Und es wurde auch deutlich, in einem Fall, der vor allem aufgrund seines Urteils und einer Erklärung viel Aufmerksamkeit bekommen hat: Chanel Miller wurde von dem Stanford-Studenten Brock Turner hinter einem Müllcontainer vergewaltigt. Für diese Tat hat er letztlich sechs Monate Haft bekommen, weil der zuständige Richter meinte, er wolle nicht Turners Leben ruinieren.

Nun hat Chanel Miller das eindrückliche Buch „Ich habe einen Namen“ geschrieben, in dem sie erstmals unter ihrem richtigen Namen über die Tat, das Verfahren und vor allem die Auswirkungen auf sie schreibt. Auch sie musste erfahren, dass das gesamte System darauf ausgelegt ist, die Täter zu schützen und vor allem ihnen das Narrativ über die Vorgänge zu überlassen. Chanel Miller aber holt es sich mit diesem Buch zurück. Es ist ein Buch, das aus einem Trauma heraus entstanden ist. Aber es ist nicht wegen des Traumas entstanden, die Vergewaltigung hat „nichts Gutes hervorgebracht“. Vielmehr erinnert es daran, wie viel Kunst verloren ist, weil mächtigen Männer fast alles tun können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wie fest sexualisierte Gewalt im Alltag und der Gesellschaft verankert ist. Der Kampf dagegen darf nicht aufhören – so schwer er auch sein mag.

 

  • Jodi Kantor, Megan Twohey: She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement. Penguin Press, New York 2019. 320 Seiten.
  • Ronan Farrow: Durchbruch. Der Weinstein-Skandal, Trump und die Folgen. Übersetzt von Werner Schmitz; Henning Dedekind; Katja Hald; Heide Lutosch; Hans-Peter Remmler; Antoinette Gittinger; Norbert Juraschitz; Helmut Dierlamm; Heike Schlatterer; Astrid Gravert. Rowohlt 2019. 528 Seiten. 24,00 Euro.
  • Chanel Miller: Ich habe einen Namen. Eine Geschichte über Macht, Sexualität und Selbstbestimmung. Übersetzt von Yasemin Dinçer, Hannes Meyer, Corinna Rodewald. Ullstein 2019. 480 Seiten. 20 Euro.

 

Weitere Empfehlungen:

Aufbau Verlag
Buchcover "Die Verwegene. Jeanne Moreau" von Jens Rosteck

Biografisches

Keine ging wie sie durch die nächtlichen Straßen in Paris, keine war überzeugender an der Seite von Jean Gabin. Ihre Selbstständigkeit war ihr Markenzeichen, sie war eine emanzipierte, selbstbewusste Frau. Nun hat Jens Rosteck eine Biographie über Jeanne Moreau vorgelegt, in der er das Leben dieser beeindrucken Frau nachzeichnet. Dabei verbindet er ihr Leben stets mit ihren Filmen – und insbesondere durch letztere kommt er ihr auch näher – und verweist auch auf die gesellschaftlichen Umbrüche, die für beides eine Rolle spielten.

 

Jens Rosteck: Die Verwegene. Jeanne Moreau. 396 Seiten. Aufbau Verlag 2019. 24 Euro.

Alle ansehen