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Der doppelte Blockbuster

Ein Beitrag von Mathis Raabe

Ein Phänomen, das sich aktuell häuft, etwa beim neuesten Teil von „Mission: Impossible“: Filme, die durchgeschnitten und auf mehrere Starttermine aufgeteilt werden. Hat das kreative oder schlicht finanzielle Gründe, und wird es fürs Publikum aufgehen?

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Fast & Furious 10 / Spider-Man: Across the Spider-Verse / Mission: Impossible – Dead Reckoning
Halbe Filme: Fast & Furious 10, Spider-Man: Across the Spider-Verse und Mission: Impossible – Dead Reckoning

Es gibt sie, diese Filme, die mit einer Pause in der Mitte, um das Gesehene zu verarbeiten, noch besser funktionieren. Bei Der Pate – Teil II zum Beispiel hat man irgendwann das Bedürfnis, eine Mind-Map aufzuzeichnen, damit man die Verwandtschaftsverhältnisse der vielen Figuren noch nachvollziehen kann. Bei Satantango braucht man zwischendurch ein Nickerchen und eine Dusche, und bei so manchem Fritz-Lang-Klassiker gehört es einfach zum guten Ton, den Anweisungen der Texttafeln zu folgen. Aber muss es gleich eine Pause von mehreren Monaten, gar mehreren Jahren sein?

Ein Phänomen, das sich aktuell häuft: der doppelte beziehungsweise eigentlich der geteilte Blockbuster. Wenn man nicht darauf vorbereitet war, wird es im Kino erstmal Enttäuschung hervorrufen, wenn der Film mit einem Cliffhanger endet, so wie zuletzt etwa Fast & Furious 10 und Spider-Man: Across the Spider-Verse. Nun startet Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil eins in den deutschen Kinos. Da verrät es immerhin schon der Titel, sodass es keine bösen Überraschungen geben dürfte.

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Gemeint sind damit nicht Filmreihen, die sich klassisch fortsetzen. Nicht etwa wird derselben Welt eine neue Geschichte hinzugefügt, sondern die Handlung wird jäh unterbrochen. Es könnte ein einziger Film sein, man hat ihn aber durchgeschnitten und bringt ihn lieber zu mehreren Startterminen ins Kino statt als Mammutwerk.

 

Serien auf der Leinwand

Dieses Vorgehen kann produktionsseitig verschiedene Gründe haben und künstlerisch mehr oder weniger sinnvoll sein. Haben die Macher vielleicht manchmal wirklich die Aufmerksamkeit des Publikums im Hinterkopf, wollen Zeit geben, das Gesehene zu verarbeiten? Phil Lord und Chris Miller, die Kreativköpfe hinter der animierten Spider-Man-Trilogie, behaupten das. Tatsächlich ist ihr Film nicht nur derart vollgepackt mit Gags und Referenzen, dass man auch bei mehrmaligem Sehen noch Neues entdecken kann, er macht auch interessante Meta-Ebenen auf. Außerdem überträgt sich durch das „Fortsetzung folgt…“ am Ende des Films auch die serielle Logik der Vorlage auf die Leinwand – auf etwas weniger anstrengende Weise als beim Hauptstrang der MCU-Kontinuität. Bei Spider-Man müssen wir planmäßig nur bis Anfang nächsten Jahres warten, um die Fortsetzung zu sehen, und keine fünf Spin-off- und Tie-in-Filme mitnehmen, um vollends im Bild zu sein.

Trotzdem: Spider-Man-Comichefte erscheinen im Abstand von zwei Wochen. So ganz übertragbar ist das also auch wieder nicht. Eher noch kann man Denis Villeneuves Entscheidung nachvollziehen, den Plot von Dune aufzuteilen. Schließlich ist die Romanvorlage von Frank Herbert komplex, galt beinah als unverfilmbar, nach einem abgebrochenen Versuch von Alejandro Jodorowsky und einer von der Kritik verschmähten Umsetzung von David Lynch. Im Autorenkino gibt es noch weitere Beispiele für Filme, die so komplex sind, dass die Dramaturgie einen neuen Ansatz braucht: etwa Lars von Triers Nymphomaniac oder Bernardo Bertoluccis 1900, für die in den meisten europäischen Kinos zwei Karten an zwei getrennten Abenden verkauft wurden. Hier glaubt man gerne, dass die Aufteilung einer künstlerischen Intention folgt.

 

Einfach immer weitererzählen

Bei Fast & Furious 10 dagegen, und wohl auch bei vielen anderen Beispielen, ist der Hintergrund sehr viel simpler und zynischer: Vin Diesel möchte sein Franchise zwar gerne alsbald zu einem würdigen Ende führen, Universal möchte damit vorher aber gerne noch recht viel Geld machen: Teil 10 ist mit seinem Budget von 340 Millionen US-Dollar einer der teuersten Filme aller Zeiten, hat aber bereits mehr als doppelt so viel eingespielt. Ob der finale Plot der Reihe nun auf zwei oder vielleicht gar drei Filme gestreckt wird, darüber ist sich die Gerüchteküche noch nicht einig.

Das macht dieses Beispiel zu einem Grenzgänger zwischen aufgeteiltem Film und gewöhnlicher Filmfortsetzungsreihe. Denn es lässt befürchten, dass das Aufteilen hier keiner dramaturgischen Notwendigkeit folgt und dass der Plot für die folgenden Filme womöglich noch gar nicht durchgeplant war, als Teil 10 ins Kino kam. Eher erinnert es an Filmreihen wie Avengers, die einfach immer weitererzählen, ohne dabei die Form groß zu verändern oder zuzuspitzen: Irgendwo wartet dann eine Auflösung, wird ein großer Bogen behauptet. Und schon bei Fast & Furious 10 ist spürbar, dass die Handlung gestreckt und ausgedünnt wurde: Abseits von zwei tollen Auto-Action-Sequenzen dreht sich der Film zu großen Teilen nur darum, das Team über Umwege zusammenzuführen und jedem der unzähligen Charaktere, die das Franchise inzwischen versammelt hat, einen eigenen Auftritt zu geben.

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Diese Beispiele, bei denen man nicht ein dramaturgisches Experiment, sondern finanzielles Kalkül als Grund ausmachen möchte, findet man schon in den 2000ern. Etwa bei Jugendphänomenen wie den letzten Teilen der Harry-Potter-, Tribute-von-Panem- und Twilight-Filmreihen. Da es in allen drei Fällen Buchvorlagen gibt, die selbst keine zweigeteilte Dramaturgie haben, vermuteten viele zeitgenössische Kritiken zu Recht kommerzielles Kalkül und beschrieben die Enden des jeweiligen ersten Teils als unbefriedigend. Der kommerzielle Erfolg dieser Filme dürfte trotzdem dazu beigetragen haben, den doppelten Blockbuster im Katalog der Vermarktungskonzepte zu verankern. Und wenn man an den Erfolg der Filme glaubt, wie etwa im Fall megapopulärer Jugendbuch-Adaptionen, kann es noch dazu Zeit und Kosten sparen, mehrere Teile gleich parallel zu drehen, obwohl man sie getrennt in die Kinos bringen will. Neben den genannten Filmen wurde diese Methode auch bei Der Herr Der Ringe sowie Matrix Reloaded und Matrix Revolutions angewandt. Ein Dreh, ein Abwasch.

Der doppelte Blockbuster war also in den 2000ern bereits einmal sehr populär und ist nun zurück, mit einer auffälligen Häufung im Jahr 2023. Beim Publikum könnte das Konzept aufgehen. Das zeigt ein Vergleich: Das Serielle hat man nicht nur mit Comics, sondern auch mit Serien gemein, einem Medium, das dem Kinofilm in den letzten Jahren den Rang abgelaufen hat. Was dort funktioniert, der Sog der Neugierde auf die Auflösung, das kann auch im Kino funktionieren. Ein Serien-geschultes Publikum wird auch das Warten auf Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil zwei in Kauf nehmen, schließlich endet auch manche Serienstaffel noch mit einem Cliffhanger und mindestens einem Jahr Wartezeit. Aber geht es auch für die Filmkunst auf, wenn das Blockbuster-Kino sich zunehmend der Serienwelt angleicht, sich auswalzt, länger wird und sich teilt? Denn das bedeutet auch: Der Verdichtung wird zunehmend misstraut. Dabei ist doch gerade die Größe und Fülle das, was einen Blockbuster auszeichnet. Statt die Logik der Konkurrenz zu imitieren, könnte das Kino sich auch mehr Profil bewahren und sich auf seine eigenen Stärken besinnen.

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