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Ohne sie wäre Hitchcocks kühler Look nicht möglich

Ein Beitrag von Maria Wiesner

Edith Head konnte nicht zeichnen, als sie im Kostümdepartment bei Paramount anfing. Sie arbeitete sich zur Chefdesignerin hoch und entwarf die ikonischsten Looks der Filmgeschichte.

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Design für Grace Kelly in Rear Window
Design für Grace Kelly in Rear Window

Grace Kelly, Marlene Dietrich und Sophia Loren liebten Edith Head. Sie wussten, wenn diese Frau am Set mitarbeitet, dann kann nichts schiefgehen, dann würden sie am Ende gut aussehen. Nun kann man natürlich einwenden, dass Kelly, Dietrich oder Loren sowieso gut ausgesehen haben, selbst wenn sie mit einer fiebrigen Erkältung nach einer schlaflosen Nacht vor die Kamera getreten wären – und das mag sogar stimmen. Doch dass diese Leinwandschönheiten zu den Göttinnen und Stilikonen wurden, verdankten sie einer Frau, die selbst nicht gern ins Rampenlicht trat.

Edith Head war die Kostümdesignerin von Paramount Pictures (seit 1924) und wechselte zum Ende ihres Schaffens (1967) noch einmal zu Universal Pictures. Sie gewann 8 Oscars und war für 35 nominiert – obwohl die Academy die Kategorie Kostümdesign erst 1948 einführte, als Head schon 24 Jahre bei Paramount gearbeitet hatte. Head entwarf einige der ikonischsten Looks der Filmgeschichte — Audrey Hepburns Auftritt im kleinen Schwarzen mit mehrreihigen Perlenkollier in Frühstück bei Tiffany’s gäbe es ohne sie nicht.

Trotzdem ist ihr Name heute fast in Vergessenheit geraten. Vor ein paar Jahren während einer Recherchereise unterhielt ich mich mit einem Filmkritiker über Umstyling-Shows. Er arbeitete beim Fernsehen und ließ sich über diesen völlig neuen Trend aus und was er über unsere Gesellschaft aussagte. „Aber“, unterbrach ich ihn irgendwann. „Edith Head hatte doch schon eine Fernsehshow, in der sie amerikanischen Frauen die Regeln des guten Stylings erklärte.“ „Wer ist Edith Head?“, fragte er. „Ich habe noch nie von ihr gehört.“ 

Nun mag manch einer sich nicht sonderlich für Kostümdesign interessieren. Bei der Oscar-Verleihung werden zumeist diejenigen ausgezeichnet, die im wahrsten Sinne des Wortes einen Kostümfilm ausgestattet haben, bei denen man also schon an den Mengen des verbrauchten Stoffes und den großen Bergen an Rüschen, Taft und Tüll als Zuschauer merkt: Ach, hier musste jemand etwas entwerfen, eine Epoche oder eine ganze eigene Welt ausstatten. Deshalb bekam Coleen Atwood 2017 für ihre Kostüme in Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind dann auch einen weiteren Oscar, und Renée April, die Amy Adams in Arrival in eine Sprachwissenschaftlerin verwandelte, wurde nicht einmal nominiert. Obwohl sie Adams in Röcke steckte, deren Rückseiten zerknitterte Sitzfalten hatten, wie man es bei einer Frau, die an der Uni arbeitet, erwarten würde. 

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Kostümdesign, auch das auf den ersten Blick unscheinbare, ist in jedem Film wichtig und eigentlich gerade dann besonders gut, wenn man es nicht bemerkt. Wenn die Kleider die Figuren unterstreichen, ihnen mehr Tiefe geben, ihre Entwicklung aufzeigen. Wie alle guten Kostümdesigner konnte Edith Head beides: die große Robe und die subtile Figurenentwicklung. 

Besonders zeigte sie dieses Können in ihrer Arbeit mit Alfred Hitchcock. Für 11 seiner Filme entwarf sie die Kostüme. Wenn vom kühlen Look der Hitchcock-Darstellerinnen die Rede ist, dann hatte Head daran einen großen Anteil. Dass es nicht immer einfach war, die Vorstellungen des Regisseurs mit den Vorstellungen und Vorlieben der Hauptdarstellerinnen übereinzubringen, beschrieb Head 1959 in ihrem Buch The Dress Doctor, in dem sie neben autobiographischen Geschichten auch über ihre Arbeit bei Paramount spricht. 

Gleich auf den ersten Seiten findet sich eine Hitchcock-Anekdote: Für Vertigo sollte sie Kim Novak auf Wunsch des Regisseurs in Grau kleiden, denn „das Mädchen sollte aussehen, als käme es direkt aus dem Nebel in San Francisco“ (Hitchcock). Allerdings hatte Novak eigene Vorstellungen zum Kostüm, wie Head schreibt: „Auf das Treffen mit Kim freute ich mich nicht besonders, denn ich musste sie in etwas stecken, das ihr überhaupt nicht gefallen würde: ein graues Kostüm. Bei unserem ersten Treffen hatte sie mir gesagt: ‚Ich trage alles, solange es kein Kostüm ist; Du kannst mir jede Farbe geben, solange es kein Grau ist.‘“ Head hatte ein schwarzes Abendkleid aus glänzendem Satin, das für eine Dinnerszene vorgesehen war, in den Anproberaum gehängt, mit dem sie Novak wegen des grauen Kostüms zu besänftigen gedachte. Am Ende war diese Vorkehrung unnötig. Novak liebte den Grauton, den Head für sie gefunden hatte. Head war eben eine Meisterin ihres Fachs. 

Kim Novak in "Vertigo"
Kim Novak in „Vertigo“; Copyright: Paramount Pictures

 

Für „Die Vögel“ bitte nur blau und grün

Wie sehr sie verstand, anhand von Kleidung die Figuren zu charakterisieren und die Entwicklung von Charakteren auf der visuellen Ebene voranzutreiben, zeigt sich am besten in Hitchcocks Die Vögel. „Hitchcock hatte mir gesagt, dass er für den Film gern Kleider wünscht, die das Publikum gar nicht wahrnimmt“, erzählte sie später in einem Interview über die Vorbereitung zu den Dreharbeiten. „Er wollte keine Ablenkung vom Terror und beschränkte mich auf zwei Farben: blau und grün. Mir war klar, dass er nichts grelles tolerieren würde, es sei denn, es unterstriche die Handlung.“ 

Hinzu kam die Herausforderung, dass die junge Tippi Hedren mit diesem Film ihr Debüt gab und mit einem „introducing Tippi Hedren“ in den Eröffnungstiteln angekündigt wurde. Hedren spielte die Westküsten-Dame Melanie, reiche Tochter eines Verlagsinhabers, die mit dem wohlhabenden Junggesellen Mitch Brenner (Rod Taylor) anbandelt. Beim ersten Treffen trägt sie noch ein schlichtes, aber elegantes Kostüm in Schwarz mit weißer Bluse. Danach ist sie nur noch im seegrasgrünen Kostüm zu sehen, über das sie anfangs in der Großstadt und bei der ersten Fahrt über die Bucht noch einen beigefarbenen Pelzmantel hängt. Head fertigte vier identische seegrasgrüne Kostüme an, da Hedren so viel rennen und gegen Vogelattacken kämpfen musste, dass ihr klar war, die meisten Kostüme würden das nicht schadlos überleben. In einer der letzten Kampfszenen auf dem Dachboden wird Melanie so arg von den Vögeln attackiert, dass das Kostüm dabei zerstört wird. Als einzigen Farbpunkt setzt Head eine rote Strickjacke und die trägt nicht Melanie, sondern die Ex-Freundin von Mitch. Das dunkle Rot setzt die Frauen noch stärker in Kontrast zueinander und suggeriert ein letztes Aufflammen der erotischen Spannung zwischen Mitch und seiner Ex-Freundin. Und all das transportierte Head über die Kleidung. Farbe war eben nur erlaubt, wenn sie die Handlung visuell unterstrich.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Beginn der Beziehung: Beim ersten Treffen mit Mitch in der Vogelhandlung trägt Hedren ein neutrales schwarzes Kostüm mit weißer Bluse.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Hitchcock beschränkte die Farbpalette auf neutrale Farbtöne sowie blau und grün.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Head fertigte ein seegrasgrünes Kostüm und gab Hedren einen hellen luxuriösen Pelzmantel.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Der einzige Ausreißer aus dieser Farbpalette ist die rote Strickjacke der Dorflehrerin, Mitchs Ex-Freundin.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Head gibt ihr selbst beim Morgenmantel noch einen Strich rot in den Kragen, um sie in Kontrast zu Hedrens Figur zu setzten.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Keine Kostümwechsel: Ab der Handlung im Fischerdorf trägt Hedren ausschließlich das seegrasgrüne Kostüm.

  • Die Vögel - Bild
    Die Vögel - Bild

    Gutes Kostümdesign für alle Rollen: Selbst in seegrasgrün sticht die Hauptdarstellerin heraus.

Den Spaß an der Verkleidung hatte Head schon in ihrer Kindheit gehabt. 1897 als Kind jüdischer Eltern geboren, wuchs sie in der Bergarbeiterstadt Searchlight in Nevada auf. Ihre Mutter hatte nach der Trennung von Heads leiblichem Vater einen Bergbauingenieur kennengelernt und war mit ihm in die Kleinstadt in der Wüste gezogen. Dort gab es nicht viele Kinder, mit denen Edith spielen konnte. Sie suchte sich ihre Freunde unter den Tieren und veranstaltete hinterm Haus Teepartys: „Meine schwarze Katze Tom und mein weißer Hund Dina waren dabei, hübsch angezogen mit Puppensachen, eine Krötenechse, ein Hase und ein oder zwei Eselchen, alle mit Federn und Bändern geschmückt und mit Halsketten aus Krepppapier.“ 

Head wollte fort aus der Kleinstadt, sie nahm kurz nach der Schule eine Anstellung als Französischlehrerin an einer Mädchenschule in La Jolla an. Um ein höheres Gehalt zu bekommen, bot sie der Schule an, die Mädchen auch in Kunst zu unterrichten. Da ihre eigene Kunstausbildung ihr jedoch nicht ausreichend erschien, nahm sie Abendkurse am Chouinard Art College. Dort lernte sie Charles Head kennen, den Bruder einer Klassenkameradin. Sie heirateten schnell, die Ehe hielt nicht lang. Head schrieb in The Dress Doctor, dass Charles schnell verstarb. Sie behielt seinen Namen. 

Während der Sommerferien wollte sich Head etwas dazuverdienen und antwortete auf die Stellenanzeige von Howard Greer, dem damaligen Chefdesigner von Paramount Pictures. Sie hatte keine eigenen Sketche fürs Vorstellungsgespräch, aber sie hatte Chuzpe. Am Abend vor dem Jobinterview klapperte sie ihre Mitschüler aus der Kunsthochschule ab und lieh sich von ihnen Skizzen zusammen. Am nächsten Tag präsentierte sie nicht nur ihre Mappe, sie hatte sich auch angezogen, wie sie annahm, dass man als Filmdesigner aussehen müsse: „Schwarzer Zweiteiler, weiße Bluse, eine große schwarze Fliege, um eine wenig Quartier-Latin-Charme zu suggerieren und hochhackige schwarze Lackpumps fürs Hollywood-Flair.“ Greer war beeindruckt und stellte sie ein. Als er beim ersten Auftrag feststellte, dass sie überhaupt nicht zeichnen konnte, lachte er. Sagte, ihm habe ihr Outfit sowieso am besten gefallen, und brachte ihr bei, wie man Modesketche für die Filmproduktion anfertigte. 

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Head nahm ihren Job ernst, lernte rasch und arbeitete sich schnell nach oben. Das harte Arbeiten und die Ernsthaftigkeit, mit der man dem nachging, waren 2 Eigenschaften, die sie später bei jenen Schauspielerinnen hervorhob, mit denen sie besonders gern zusammenarbeitete. Neben all dem Gossip, den The Dress Doctor über die Anproben und kleinen Vorlieben der Hollywood-Diven enthält, verraten Heads Beschreibungen eben auch viel über sie selbst. So lobt sie Marlene Dietrich für deren eisernes Durchhaltevermögen, wenn sie einen Nachmittag stundenlang Blusen, Röcke und Hüte für ihr Kostüm probieren musste. Oder Sophia Loren für deren Dramenlosigkeit im Umgang mit den Mitarbeitern.

Dass sie irgendwann von der Assistentin zur Kostümdesignerin der Paramount Studios aufstieg, erzählt Head in Interviews und ihren Büchern ganz bescheiden, als wäre es kein großer Verdienst gewesen. Es zog sie nicht ins Rampenlicht, auch wenn sie mit den ersten Oscargewinnen immer bekannter wurde und Frauen aus ganz Amerika sie anschrieben und um Styling-Tipps baten. Auch Paramount nutzte die Popularität seiner Kostümdesignerin. Während eines Besuchs in Deutschland, so schreibt Head, kam sie 3 Stunden nicht vom Flughafen weg, weil die Presse sie so umlagerte. Paramount hatte ihre Ankunft vorab verbreiten lassen. 

Head starb 1981 kurz vor ihrem 84. Geburtstag. Sie hatte bis zu ihrem Tod gearbeitet. Ihr letztes Projekt, die Kostüme für Tote tragen keine Karos hatte sie noch beendet. Den Film, der erst 1982 in die Kinos kam, konnte sie jedoch nicht mehr sehen. Einen Rekord hält Edith Head bis heute: Sie ist die einzige Kostümdesignerin, die 8 Oscars mit nach Hause nehmen konnte.

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