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Menschenjagd als perverses Hobby eines Schwerreichen: In „Veni Vidi Vici“ nehmen Daniel Hoesl und Julia Niemanns die Prahlerei eines Machtmenschen für bare Münze und entwickeln daraus eine grelle Satire über die Gnadenlosigkeit eines entfesselten Turbokapitalismus.

Veni Vidi Vici (2024)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„Capitalism kills“

Wenn ein Film mit einem Zitat von Ayn Rand beginnt, dann lässt das schon einiges erwarten: Die 1905 in St. Petersburg geborene und 1982 in New York gestorbene Autorin gilt als Säulenheilige eines radikalen Individualismus und Ikone eines Anarchokapitalismus, in dem die Gemeinschaft nichts und das Individuum alles zählt. Die Auswüchse dieser Ideologie, der selbst ein Hardliner wie Ronald Reagan zu lasch war, lassen sich an skrupellosen Entrepreneurs vom Silicon Valley bis zur Wall Street beobachten, die Tea Party Fraktion der GOP wäre ohne sie ebenso undenkbar wie das Gebaren eines Donald Trump jr., der ihren Roman The Fountainhead als eines seiner Lieblingsbücher benannte. Das „Veni Vidi Vici“ vorangestellte Zitat Rands „The Point is, who will stop me?“ erinnert an Trump großmäulige Prahlerei, er könnte auf der Fifth Avenue jemanden erschießen und käme ungeschoren davon. Das gibt die Prämisse vor, an der sich das Regieteam Daniel Hoesl und Julia Niemann im Folgenden abarbeitet: Was wäre, wenn jemand Mächtiges und Einflussreiches diese Behauptung ernst nähme und die Probe aufs Exempel machen würde? Und so entspinnt sich ein zwar satirisch überzeichnetes, aber dennoch nicht weniger erschreckendes Gedankenexperiment.

Hoesls und Niemanns Film beginnt buchstäblich mit einem Knalleffekt: Ein Rennradler, der sich auf seiner Maschine über einen Alpenpass quält, wird von einem Schuss niedergestreckt. Die beiden Passanten, die sich ihm anschließend nähern, denken nicht im Traum daran, sich um den Getroffenen zu kümmern, sondern bemächtigen sich in aller Seelenruhe trotz vorbeifahrender Radler des Hightech-Gefährts des Erschossenen. Darauf setzt einer der beiden dann die jäh unterbrochene Fahrt weiter fort, als sei nichts Wesentliches geschehen. Ein Auftakt, der keinen Zweifel daran lässt, welcher ungeheuerlichen Tat wir gerade zugesehen haben: ein kaltblütiger Mord am helllichten Tag, bei dem sich der Mörder und sein Helfershelfer keinerlei Mühe gegeben haben, ihre Täterschaft zu verbergen.

In den Augen des schwerreichen Investors und Batteriefabrikanten Amon Maynard (Laurence Rupp als smart-glatte österreichische Variante eines Tech-Tycoons à la Elon Musk) ist die Tat zwar durchaus ein großes Unrecht, doch wer soll ihn stoppen?  Das gilt für sein Privatvergnügen ebenso wie für seine brutale Übernahme des Unternehmens eines älteren Mentors, das er sich unter Verweisen auf den väterlichen Freund, von dem er das gelernt habe, kalt lächelnd einverleibt. Die Polizei erweist sich gegenüber den Anschuldigungen, die von Augenzeugen erhoben werden, als mindestens ignorant, die Politik als willfährige Dienerin der eiskalten Profitinteressen, die Presse als korrupt – und so gibt es niemanden, der sich Maynard in den Weg stellt, oder die Spur des Geldes und des Blutes zu verfolgen versucht.

Entfernt erinnert Veni Vidi Vici in seiner in Bildern voller Klarheit und leuchtender Farben gefilmten und satirisch eingefärbten Kapitalismuskritik an Ruben Östlunds Cannes-Gewinner Triangle of Sadness, er neigt aber nicht wie dieser zu Abschweifungen. Stattdessen  wird die Prämisse des gefräßigen Raubtierkapitalismus bis zum bitteren Ende durchgespielt und eine kathartische Läuterung des Schurken  schlichtweg verweigert, was nicht jedem/r gefallen dürfte. Andererseits bleibt die Realität bislang den Gegenbeweis schuldig – Protagonisten unserer politischen wie wirtschaftlichen Gegenwart wie Donald Trump und Elon Musk, aber auch andere Heroen einer vermeintlichen Elite unterstreichen die These des Films, dass einige Machtmenschen sich anscheinend alles erlauben können.  Und ganz gewiss braucht es gerade Filme wie diese, die in aller Drastik darauf aufmerksam machen. Nur Katharsis oder Erlösung darf man nicht erwarten – die müssen wir selbst in die Hand nehmen.

Gesehen bei der Diagonale 2024.

Veni Vidi Vici (2024)

Viktoria und Amon Maynard führen mit ihren Kindern ein fast perfektes Leben. Erfolgreich mit ihren Geschäften sind sie maßlos reich. Die Welt liegt ihnen zu Füßen, es gibt kein Risiko.

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