Licht aus, Filmpodcast an
Ein Beitrag von Katrin Doerksen
Eine kleine Ode an unsere liebsten Filmpodcasts — und überhaupt: das ausführliche Sprechen über Film.
Wer hat heutzutage eigentlich keinen Podcast? Die schiere Flut an verfügbaren Podcast zu jedem auch nur erdenklichen Thema, und sei es noch so nischig, kann schon ein bisschen überfordern. Wir finden trotzdem, dass Filmpodcasts eine tolle Sache sind. Denn bei aller Liebe zum gesprochenen Wort: Als ein Medium, das aus dem Vaudeville kommt, das früher ganze Dörfer versammelte, die dann nicht etwa stumm auf die Leinwand stierten, sondern im Kino aßen, die Kinder bespaßten und sich über drei Reihen hinweg unterhielten… Als solches lebt der Film auch von der gesprochenen Auseinandersetzung mit ihm. Umso mehr in Zeiten, in denen die Zeitungsfeuilletons immer mehr zusammenschrumpfen und klare Zeichenobergrenzen gelten. Podcasts bieten Platz, bieten Raum für Spielereien und Experimente, für ausführliche Analysen, für konfrontative Diskussionen oder dafür berühmten Persönlichkeiten ein wenig näher zu kommen. Und nicht zuletzt weisen sie zurück auf eins der schönsten Medien überhaupt: Das Radio.
You Must Remember This
You Must Remember This war vielleicht der erste Filmpodcast, der eine Art Kultstatus erreichte, von Hobby-Filmfans ebenso gehört und geliebt wurde wie von Akademikern. Die One-Woman-Show der ehemaligen L.A.-Weekly-Filmkritikerin Karina Longworth erforscht die Geschichte und die wohlgehüteten Geheimnisse der Geschichte Hollywoods im 20. Jahrhundert. Dabei dringt der Podcast in Tiefen vor, wie es sonst häufig nur Bücher schaffen und widmet schon mal eine komplette Staffel einer Person oder einem Thema. Die jüngsten 10 Folgen etwa erzählen erstmals die Geschichte der kaum bekannten Produzentin Polly Platt, die auch als Produktions- und Kostümdesignerin, als Regisseurin und Autorin sowie Netzwerkerin zahlreiche Filmklassiker häufig ohne Credit formte.
The Movies That Made Me
Mit Filmen wie Gremlins ist Regisseur Joe Dante selbst in die Filmgeschichte eingegangen. In seinem Podcast The Movies That Made Me laden er und sein Partner Josh Olson von der Webserie Trailers From Hell Filmemacher ein, um gemeinsam über deren Werdegang und — eben — die Filme, die sie prägten, zu sprechen. Vor allem, wenn dort Rampensäue aufeinandertreffen, sind diese Gespräche wahnsinnig unterhaltsam und verraten viel Persönliches.
CUTS — Der kritische Filmpodcast
In CUTS widmet sich der Filmkritiker Christian Eichler mit seinen wechselnden Gästen pro Folge einem Film, der tiefgehend und analytisch besprochen wird. Meist sind das aktuelle Kinostarts, immer wieder auch deutsche Produktionen, die man in internationalen Podcasts eher nicht wiederfindet. Regelmäßig eingestreut gibt es aber auch Auseinandersetzungen mit Filmklassikern oder zur Abwechslung sogar Videospielen.
Visitations
Elijah Wood kennen die meisten noch als Frodo aus der Herr-der-Ringe-Trilogie. Inzwischen betätigt er sich jedoch vor allem als Produzent für Horrorfilme wie Die Farbe aus dem All und tritt als solcher (sowie als absoluter Fan) auch im Podcast Visitations auf. Jede Folge besteht aus einem ausführlichen Gespräch mit einer*m Filmemacher*In, die Wood und sein Partner Daniel Noah in ihrem Zuhause oder ihrem Studio besuchen. Eine Liebeserklärung an das Horrorgenre.
Quentin Tarantino’s Feature Presentations
Für diese Podcast-Miniserie hat die Filmkritikerin Amy Nicholson fünf Filme herausgesucht, die Quentin Tarantino in seinem eigenen Kino, dem New Beverly Cinema in Los Angeles, zeigte und die sein eigenes Filmschaffen beeinflussten. Die Filme bieten ordentlich Diskussionsstoff zwischen den beiden. Der Podcast ist allerdings keine reine Abfeierei des Regisseurs — Nicholson konfrontiert Tarantino auch immer wieder mit kritischen Punkten in seiner Karriere, wieso etwa in seinen frühen Filmen so häufig das N-Wort fiel.
The Rialto Report
The Rialto Report glänzt nicht unbedingt mit dem besten Audio-Equipment — dafür hat sich der Podcast aber zu einer umfassenden oral history über das Goldene Zeitalter des Pornokinos gemausert. Ganz ohne sleazy oder sensationsheischende Untertöne sprechen die beiden Hosts mit damaligen Darsteller*Innen und Filmemachern ebenso wie mit Historikern. Dank ihrer Expertise wurden sie sogar als Beraterinnen für die HBO-Serie The Deuce engagiert.
El Diabolik’s World of Psychotronic Soundtracks
Ausführlich besprechen die Hosts von El Diabolik in jeder Podcastfolge die Soundtracks alter Genrefilme vorrangig aus den 1960er und -70er Jahren. Regelmäßig zu hören sind dabei etwa die Arrangements des deutschen Filmkomponisten Peter Thomas. Eine Besonderheit: Die zu hörende Musik stammt dabei nicht etwa von irgendwelchen YouTube-Clips, sondern fast ausschließlich aus der ausladenden eigenen Vinyl-Sammlung der Hosts — atmosphärisches Knistern inklusive.
Wollmilchcast
Der Wollmilchcast ist der Podcast der beiden Filmblogger von The Gaffer und Das Film Feuilleton und bietet demnach genau das, was man erwartet: Die beiden Hosts besprechen (gelegentlich auch mit Gästen) aktuelle Filme, veranstalten Privatretrospektiven einzelner Regisseure oder Franchises, blicken auf das Kinojahr oder Festivaljahrgänge zurück. Das ist ein bisschen plauderig-nerdig, dabei aber immer kundig und — besonders sympathisch — artet nie in selbstgefälliges name dropping oder ähnliche Exzesse aus.
Inside Star Wars
Die Podcast-Produzenten von Wondery widmen sich in ihren Inside-Reihen immer wieder den Entstehungsgeschichten großer Klassiker. Hier ist der erste Teil von Krieg der Sterne dran, dessen irre Geschichte Host Mark Ramsey mit einer Biografie von George Lucas verbindet. Liebevoll produziert beschwört der Podcast das erhebende Gefühl herauf, als man sich als Kind erstmals halb die Nase am Röhrenfernseher platt drückte, um auch ja nichts zu verpassen.
Kinochiwa
Alle, die japanisches Kino lieben, sind bei Kinochiwa richtig aufgehoben. Leider war der Podcast nur für 13 Episoden aktiv und liegt aktuell für unbestimmte Zeit auf Eis. Doch wer in die alten Folgen hinein hört, findet dort Gespräche mit wechselnden Gästen, die mit viel Liebe jeweils einen japanischen Film (gern auch aus abseitigeren Genregefilden) auseinandernehmen.
The Daily Prophcast
Perfekt für alle eingefleischten Harry-Potter-Fans oder solche, die Lust darauf haben die Saga aus ihrer Kindheit als Erwachsene neu zu entdecken. So ergeht es auch den beiden Hosts des noch ziemlich neuen Podcasts, die einmal wöchentlich einzelne Kapitel der Bücher und die Filme der Reihe ausführlich besprechen. Der Fokus liegt dabei weniger auf aufwändigen production values als auf dem euphorischen Austausch.
5 Minuten Harry Podcast
Gleiche Nische, andere Herangehensweise: In ihrem Podcast nimmt sich YouTube-Legende Coldmirror jeweils fünf Minuten des Films Harry Potter und der Stein der Weisen vor und geht diese Frame für Frame für uns durch. Das ist nicht nur super unterhaltsam, man lernt dabei auch viel nerdiges Hintergrundwissen über das Franchise und die mit ihm verbundenen Personen, über den Dreh, die Effekte und generell Kulturgeschichte. Den Podcast gibt es als klassische Hörfassung sowohl als auch als YouTube-Video.
Film Comment Podcast
Das Filmmagazin Film Comment wurde von der Pandemie hart getroffen: Seit der letzten Ausgabe vom Mai/Juni 2020 ruht das 1962 gegründete Magazin und somit auch sein Podcast, in dem kundige Gäste (zumeist Filmkritiker) einmal wöchentlich Kinostarts, Festivalgeschehen oder aktuelle Debatten diskutierten. Nach wie vor stehen jedoch alle Episoden online — und auch über das künftige Schicksal des Magazins wurde noch nicht final entschieden. Der perfekte Zeitpunkt also, um ein bisschen die Zugriffszahlen in die Höhe zu treiben.
Vollbild
Vollbild ist der Podcast zur Filmsendung des Radiosenders Deutschlandfunk Kultur und orientiert sich am aktuellen Kinogeschehen. Dementsprechend gibt es einen bunten Reigen an Inhalten: Besprechungen der aktuellen Kinostarts, Interviews und Berichte von Festivals oder die Kinokolumne Top 5. Schöner Service: Der Podcast lässt sich auf Spotify oder der DLF-eigenen Audiotheks-App jeweils als ganze Sendung oder häppchenweise pro Beitrag anhören.
The Kodakery
The Kodakery ist der Podcast des ikonischen US-amerikanischen Herstellers von Filmmaterial: Kodak. In jeder Folge sind dort Künstler zu Gast, die mit analogen Medien arbeiten, darunter Regisseure, Kameraleute, Fotografen, Schauspieler, Historiker und viele mehr: Alex Ross Perry, Chloe Sevigny, Jeff Bridges, David Lowery, Sean Baker oder Josh Safdie. Seit Herbst 2019 gab es zwar keine neuen Folgen, aber ein Blick ins Archiv lohnt sich allemal.
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