Dark Blood

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Wiederbegegnung mit River Phoenix

Ein neuer Film mit River Phoenix im Kino? Ist das nicht ein wenig seltsam? Die Antwort auf diese Frage fällt einfach, wenn man um die ganze Vorgeschichte dieses Films weiß, während dessen Dreharbeiten Hollywoods Jungstar River Phoenix am 31. Oktober 1993 in Los Angeles vor dem Nachtclub The Viper Room an den Folgen eines Speedballs (einem Gemisch aus Heroin und Kokain) verstarb.
Dark Blood, der unter der Regie des Niederländers George Sluizer entstehen sollte, der 1988 mit Spurlos verschwunden / Spoorloos für internationales Aufsehen gesorgt hatte, wurde niemals fertiggestellt, die Aufnahmen des weitgehend abgedrehten Werkes schlummerten im Besitz des Regisseurs vor sich hin. Alle Versuche, ihn doch noch fertigzustellen (unter anderem war Rivers Bruder Joaquin Phoenix angefragt worden), schienen fruchtlos zu sein — bis Sluizer im Jahre 2007 selbst erkrankte und den Entschluss fasste, den Film im Rahmen des Möglichen zu vollenden. Das Ergebnis konnte man bereits im Jahre 2013 auf der Berlinale besichtigen, es war wie eine Reise ins Reich der Schatten, Phoenix wieder auf der Leinwand zu sein.

Dark Blood erzielt die Geschichte einer fatalen Begegnung: Das Schauspielerpaar Harry (Jonathan Pryce) und Buffy (Judy Davis) sind mit einem Bentley unterwegs durch die Wüste für ihre zweiten Flitterwochen, mit denen sie ihrer angeschlagenen Beziehung neuen Schwung verleihen wollen. Als der Wagen eine Panne hat, stranden sie bei Boy (River Phoenix), einem etwas merkwürdigen jungen Mann, der nach eigenen Angaben teilweise indianisches Blut in seinen Adern hat. Boy lebt in einer Tipi-ähnlichen Hütte nahe eines verlassenen früheren Atomwaffentestgeländes und befindet sich in Trauer um seine Frau, die an den Folgen einer durch Radioaktivität verursachten Krebserkrankung verstarb. Die Trauer und der Schmerz um den Verlust haben Boys Seele verdunkelt, er wähnt sich am Ende der Zeit angelangt und wartet nur noch auf die unmittelbar bevorstehende Apokalypse. Buffys Gegenwart erweckt in ihm nun neuen Lebensmut, in ihr sieht Boy die ideale Gefährtin für einen Neuanfang nach der kommenden finalen Katastrophe. Und so beginnt zwischen ihm und Harry ein erbarmungsloser Kampf um Buffy.

Man merkt dem Film an, dass er immer noch Stückwerk ist — wie ein Stuhl mit zwei Beinen, dem nun ein drittes hinzugefügt wird, wie es George Sluizer im Anfangskommentar vor dem eigentlichen Beginn bezeichnet. Mit dieser rekonstruierten Fassung steht der Film zwar, aber es fehlt ihm etwas. Im Verlauf der Handlung gibt der Regisseur aus dem Off immer wieder dann kurze Erklärungen, wenn Szenen fehlen, er schildert die Handlung, doch das reicht nicht aus. Denn es sind vor allem Teile des Films, die Boys Wahnsinn und seine Besessenheit illustrieren würden. Ohne sie bleibt die Figur des jungen Halbblutes unkonkret und merkwürdig leidenschaftslos. Das mag auch daran liegen, dass sowohl River Phoenix wie auch Jonathan Pryce hier nicht die stärkste Leistung ihrer Karriere zeigen.

Obwohl man den endgültig fertigen Film dank Sluizers Kommentar durchaus imaginieren kann, wird die Lücke zwischen rein tonaler Nacherzählung und filmischer Narration schmerzhaft bewusst. Insofern ist Dark Blood kein Meisterwerk geworden (wobei sich die Frage stellt, ob dies auch anders der Fall gewesen wäre), sondern eine wehmütige Erinnerung an einem großartigen Schauspieler und ein Exkurs über das Entstehen und Scheitern der Kinomagie, die hier an einigen Stellen schmerzlich vermisst wird.

Dark Blood

Ein neuer Film mit River Phoenix im Kino? Ist das nicht ein wenig seltsam? Die Antwort auf diese Frage fällt einfach, wenn man um die ganze Vorgeschichte dieses Films weiß, während dessen Dreharbeiten Hollywoods Jungstar River Phoenix am 31. Oktober 1993 in Los Angeles vor dem Nachtclub „The Viper Room“ an den Folgen eines Speedballs (einem Gemisch aus Heroin und Kokain) verstarb.
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