Cemetery of Splendour (2015)

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Die Poesie des Schlafs

Die Soldaten schlafen fest. Die Betten nebeneinander gereiht, die Moskitonetze zur Seite geschoben. Krankenschwestern kümmern sich um die komatösen Patienten, die in einer ehemaligen Schule in Thailand gepflegt werden. Die freiwillige Helferin Jenrija (Jenjira Pongpas Widner) kommt in dieses provisorische Krankenhaus. Jenrija humpelt. Ein Bein ist kürzer als das andere. Gemeinsam mit dem Medium Keng (Jarinpattra Rueangram) nehmen die Frauen Kontakt mit den Soldaten auf.

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Grüne Geister in Leuchtstoffröhren, schwebende Wasserwesen, Inkarnationen verstorbener Königinnen – das sind die traumwandlerischen Bilder, die Apichatpong Weerasethakul in seinem neusten Film Cemetery of Splendor montiert. Und plötzlich ist da diese seltsame Vertrautheit in diesen Bildern, obwohl ihr Inhalt uns im Westen unglaublich fremd vorkommt. Das Flirren und Surren auf der Tonspur, die verschwommene Linie zwischen Realität und Geisterwelt ist die sehr eigene Handschrift von Weerasethakul, die er in Tropical Malady oder Uncle Boonmee Recalls His Past Lives perfektionierte und mit der er sich letztlich als aufregendster Autorenfilmer des Weltkinos etabliert hat.

In gewisser Hinsicht ist Cemetery of Splendor eine Fortführung seiner bisherigen Motive, zugleich aber auch eine Variation. Konzentriert, hypnotisch und mit einem wachen Blick auf die ganze Bandbreite der Legenden und Mythen seines Landes erzählt Weerasethakul nicht bloß von der Vergangenheit Thailands. Sein Film ist – trotz seiner Stille und einer unendlichen Zärtlichkeit – auch sehr gegenwärtig und wütend, ein Manifest gegen die Sünden der Militärregierungen und ihre Säuberungswellen gegen angebliche Kommunisten in den 1970er Jahren.

Die humpelnde Jenrija kümmert sich vor allem um den Soldaten Ipp (Banlop Lomnoi). Sie spricht mit ihm. Später erfährt sie, dass das provisorische Krankenhaus auf einem ehemaligen Königsfriedhof erbaut worden ist, deshalb verharren alle Soldaten in dieser Schlafstarre. Doch die Reinkarnationen kann das nicht stoppen. Ipp erscheint Jenrija in Form einer schönen Königin. Beide streifen gemeinsam durch einen Vergnügungspark, der durch einen Tsunami zerstört worden ist. Auch das ist so eine Art Friedhof. Die Ruinen zeugen von einem perversen Disneyland, das die glorreiche Geschichte Thailands propagieren sollte. Jetzt wuchert das wilde Gras durch die Skulpturen und Attraktionen hindurch. Und vorsichtig schleichen auch Jenjrija und Ipp durch den Wald. Sie reden über die Kraft des Neuanfangs, über die Kraftlosigkeit, sich gegen die Verhältnisse zu wehren und den Lügen der Mächtigen zu trotzen. Einmal sagt Jenrija zu Ipp, sie wünsche ihm, dass er möglichst lange schlafe, weil sich die Zeiten nicht so schnell ändern würden. Ein Satz voller Hoffnungslosigkeit und Wut.

Und wieder einmal erreicht die reine Rezension im Falle von Weerasethakuls Filmen die Grenze des Beschreibbaren. Seine poetischen Bilder lassen sich daher vielleicht am besten mit Poesie fassen und überraschender Weise muss man in Cemetery of Splendor an Rilke denken, dessen Sieben Gedichte wie ein melancholisch-schöner Resonanzraum zu diesen thailändischen Geisterbildern scheinen:

„Du junger Ort der tiefen Himmelfahrt / Du dunkle Luft voll sommerlicher Pollen / Wenn ihre tausend Geister in dir tollen / wird meine steife Leiche wieder zart.“
 

Cemetery of Splendour (2015)

Die Soldaten schlafen fest. Die Betten nebeneinander gereiht, die Moskitonetze zur Seite geschoben. Krankenschwestern kümmern sich um die komatösen Patienten, die in einer ehemaligen Schule in Thailand gepflegt werden. Die freiwillige Helferin Jenrija (Jenjira Pongpas Widner) kommt in dieses provisorische Krankenhaus. Jenrija humpelt. Ein Bein ist kürzer als das andere.

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