Der Kreis (2014)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zürich, 1956: Zum Maskenball der Männer

In den 1950er Jahren veranstaltete die Züricher Schwulenszene legendäre Maskenbälle, die auch zahlreiche Besucher aus dem benachbarten Ausland anzogen. Denn anders als etwa in Deutschland, wo der Paragraph 175 männliche Homosexualität noch unter Strafe stellte, konnte in der liberalen Schweizer Großstadt eine Selbsthilfeorganisation mit dem Namen Der Kreis weitgehend unbehelligt wirken. Sie gab eine gleichnamige, dreisprachige Zeitschrift heraus, die auch im Ausland Hunderte von Abonnenten hatte. Daneben bot sie schwulen Männern, die ihre sozial geächtete Neigung in der Regel sorgsam geheim hielten, die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen.

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Schon Anfang der 1930er Jahre gegründet, avancierte der „Kreis“ nach dem Krieg zum Vorbild für ähnliche Gruppen, die sich allmählich auch in anderen europäischen Ländern und in den USA bilden sollten. Auf seine stillschweigende Tolerierung folgte ab 1959 in Zürich nach einigen Morden im Strichermilieu jedoch eine jahrelange Phase der Verbote, Razzien, polizeilichen Schikanen. Sie mündete schließlich 1967 in die Selbstauflösung der Gruppe, schweißte aber deren leidgeprüfte Mitglieder Ernst Ostertag und Röbi Rapp als Liebespaar noch enger zusammen. Der Lehrer und der Friseur sollten schließlich 2003, nach fast 50 Jahren Beziehung, das erste schwule Paar werden, das sich in der Schweiz das Ja-Wort gab. Der Schweizer Stefan Haupt erzählt diese Geschichte einer großen Liebe etwas fiktionalisiert in Spielfilmszenen nach, die sich in Verbindung mit dokumentarischem Material zu einem unterhaltsamen und sehr informativen Stück Zeitgeschichte formen.

Der Lehrer Ernst Ostertag (Matthias Hungerbühler) und der Travestiekünstler Röbi Rapp (Sven Schelker) kommen im Film zweimal vor: Schauspieler verkörpern sie in den 1950er und 1960er Jahren. Außerdem erinnern sich die beiden Senioren der Gegenwart an jene Epoche, flankiert von einigen wenigen weiteren Zeitzeugen. Als junger Referendar an einer Mädchenschule muss Ernst aufpassen, dass seine Mitgliedschaft im „Kreis“ nicht publik wird. Seine Homosexualität könnte ihm sonst noch in letzter Minute die Anstellung vermasseln. Zu seinem Erstaunen stellt Ernst fest, dass auch der konservative und verheiratete Schuldirektor (Peter Jecklin) schwul ist. Ernst verliebt sich auf einem Maskenball in den Friseurlehrling Röbi, der als Frau zurechtgemacht auf der Bühne ein Lied vorträgt. Ihre unterschiedliche Bildung ist nicht das einzige, was die Beziehung immer wieder belastet. Röbi geht mit seiner Sexualität ziemlich offen um und wird dabei von seiner Mutter (Marianne Sägebrecht) unterstützt. Ernst aber wird sich erst im Alter von 70 Jahren outen, nach dem Tod seiner Mutter.

Haupt gelingt es, auf beiden Erzählschienen Sympathien für dieses ungewöhnliche und mutige Paar zu wecken. Das Spielfilm- und das dokumentarische Material ergänzen sich dank einer hervorragenden Montage anregend und kurzweilig. Im Spielfilm wird die Atmosphäre der 1950er Jahre sehr lebendig auf die Leinwand gezaubert. In den ersten zärtlichen Berührungen des Liebespaars, etwa beim Haarewaschen im Friseurladen, äußert sich nicht nur das ganz normale Verliebtsein, sondern auch die unter all der Angst aufgestaute Sehnsucht nach dem Tabubruch. Aus den Gesichtern der Männer, die sich auf den Tanzfesten des „Kreises“ tummeln, spricht eine ansteckende, unschuldige Lebensfreude und Aufbruchstimmung. Neben solchen bewegenden Spielfilmszenen kommen dann die Videoaufnahmen vom festlichen Hochzeitstag des echten, alten Paars besonders gut zur Geltung.

Eine wichtige Rolle spielt im Film der Gründer des „Kreises“, Rolf (Stephan Witschi). Hinter diesem Pseudonym verbarg sich der Schauspieler Karl Meier, der stets auf Diskretion setzte und den Konsens mit der Sittenpolizei suchte. Als er 1967 sein Lebenswerk untergehen sah, musste er sich mit einem Nervenzusammenbruch ins Krankenhaus begeben. Aber die Polizeigewalt und die hässlichen verbalen Übergriffe in den Zeitungen, an die der Film ebenfalls erinnert, konnten den „Kreis“ nicht wirklich aus der Geschichte entfernen, wie die Protagonisten betonen. Seine Vorleistung verhalf nämlich der Schwulenbewegung der neuen Generation zu einer soliden Ausgangsbasis.
 

Der Kreis (2014)

In den 1950er Jahren veranstaltete die Züricher Schwulenszene legendäre Maskenbälle, die auch zahlreiche Besucher aus dem benachbarten Ausland anzogen. Denn anders als etwa in Deutschland, wo der Paragraph 175 männliche Homosexualität noch unter Strafe stellte, konnte in der liberalen Schweizer Großstadt eine Selbsthilfeorganisation mit dem Namen „Der Kreis“ weitgehend unbehelligt wirken. Sie gab eine gleichnamige, dreisprachige Zeitschrift heraus, die auch im Ausland Hunderte von Abonnenten hatte. Daneben bot sie schwulen Männern, die ihre sozial geächtete Neigung in der Regel sorgsam geheim hielten, die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu treffen.

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