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Schon Robert Seethalers Bestseller „Der Trafikant“ wurde 2018 erfolgreich für die Leinwand adaptiert. Nun übersetzt Regisseur Hans Steinbichler dessen Weltbestseller „Ein ganzes Leben“ in monumental-kitschige, von dröhnender Musik untermalte Bilder.    

Ein ganzes Leben (2023)

Eine Filmkritik von Nathanael Brohammer

Mörderisch-schöne Gipfel

Die profunde Schönheit und Tragik eines kargen Männerlebens in den österreichischen Alpen, das Robert Seethaler in seinem Roman Ein ganzes Leben schildert, traf einen Nerv: Er beeindruckte durch seine Schnörkellosigkeit, avancierte zum internationalen Bestseller in Millionenauflage und heimste zahlreiche Preise ein. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass man sich an eine Leinwandadaption des Stoffes wagen würde. Hans Steinbichler übersetzt die Geschichte des einfachen Mannes Andreas Egger vor alpinem Hintergrund – inklusive des großen Konflikts der Moderne, technischer Fortschritt versus Naturausbeutung – in erwartbar monumental-kitschige, von dröhnender Musik untermalte Bilder.

Das 20. Jahrhundert ist gerade angebrochen, als der Waisenjunge Andreas Egger (Ivan Gustafik) in ein österreichisches Alpental kutschiert wird. Fortan fristet er sein Dasein auf dem Hof des Bauern Kranzstocker (Andreas Lust), der bei aller Gottesfurcht ein doch etwas eigenwilliges Verständnis von Nächstenliebe hat. Schon bei kleinsten Versäumnissen und Fehlern prügelt er seinen Zögling mit einem Schlagstock bis zum Knochenbruch. Die Brutalität und Willkür des Daseins erfährt Andreas also entsprechend früh. Aber auch Güte und Fürsorge, die er in Gestalt der alten Ahnl (Marianne Sägebrecht) kennenlernt. Als diese stirbt, reißt sich der inzwischen erwachsene Andreas (jetzt gespielt von Stefan Gorski) von seinem Ziehvater los und macht sich davon.

Doch warum in der Ferne niederlassen, wenn es in nächster Nähe auch schön ist? Andreas vermeintlich große Lebenswanderung führt ihn in letztendlich nur in ein anderes, nicht allzu weit entferntes Tal; stets in Österreich. Dort wird sich (bis auf einen unfreiwilligen Exkurs als Wehrmachts-Soldat mit anschließender Gefangenschaft in der Sowjetunion), der Rest seiner Existenz, mit all ihren schwindelerregenden Höhen und klaffenden Tiefen abspielen, umringt von mörderisch-schönen Gipfeln: Ein in seiner entbehrungsvollen Schlichtheit doch bemerkenswertes, reiches Leben – was ab und an durch schwere Sätze betont wird.   

Andreas Eggers große Liebe Marie (Julia Franz Richter), der Einzug von Elektrizität ins Tal durch eine Seilbahn (bei deren Errichtung die Berghänge gerodet und im Namen des Fortschritts viele Arbeiter mit Gottes Gnade verschlissen werden), das neuartige Brummen motorisierter Fahrzeuge: Es hätte sicherlich viele Ansätze gegeben, sich der Vorlage von Seethaler zu nähern, die ein Männerleben zeichnet, das dem Strom der Zeit sowie allen damit einhergehenden Neuerungen und Schicksalsschlägen stoisch standzuhalten scheint.

Am Willen hat es sicherlich nicht gefehlt, denn Hans Steinbichler zollt dem Roman mit ausladendem Gestus Respekt und beschwört leicht zwanghaft Momente des gewaltigen Staunens herauf. Diese bemüht entschleunigte Erhabenheit des puren Daseins schlittert nicht selten am Pathos vorbei (oder geradewegs hinein) und verfehlt den eher minimalistischen Kern der Geschichte.

Auch benötigt es für eine derartige Quasi-One-Man-Show einen verlässlichen Hauptdarsteller – schließlich lastet das Gewicht des Films auf seinen Schultern. Stefan Gorski wirkt in seinen 80 Minuten Laufzeit aber etwas einfallslos dabei, der Figur des Andreas Egger mit mehr Nuancen die Traumata sowie das eigenbrötlerische Unbehagen im Beisein anderer Menschen abzuringen. Man hätte man diese durchaus schwierige, gerade durch ihre nur scheinbare Schlichtheit komplexe Rolle vielleicht besser dem großartigen Thomas Schubert (Roter Himmel) anvertraut, der hier als Nebendarsteller auftritt.

Ein ganzes Leben (2023)

Andreas Egger hat sein ganzes Leben in einem abgelegenen Tal verbracht. Als kleiner Waisenjunge kam er Anfang des 20. Jahrhunderts dort hin, heuerte als junger Mann im Bergbahnbau an, der mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringt, begegnete seiner großen Liebe Marie, die er wieder verlor. Am Ende seines entbehrungsreichen Lebens schaut Egger mit großem Staunen und ohne Bedauern auf das Geschehene zurück. (Quelle: Verleih)

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