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Ein Familiendrama nahe des Ararat, des höchsten Bergs der Türkei: Die Tochter rebelliert gegen den Vater, der Vater verheimlicht den Bankrott, die Mutter ist nicht so traditionell und tugendsam wie der Vater hofft…

Ararat (2023)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Ausbruch einer Tochter

Hier am Ararat landete Noah mit seiner Arche, als die Wasser der Sintflut zurückgingen und Gott den Menschen die Erde wiedergab. Der Berggipfel steht für Hoffnung und für Versöhnung nach Verbüßung der menschlichen Sünden. „Ararat“ spielt am Fuße des Berges, in der hintersten Ecke der Türkei, und dort unten ist alles Armut und Verfall. Klapprige Barracken und herumliegendes Gerümpel – und dann, mitten in karger Ödnis vor den schneebedeckten Gipfeln, eine neue weiße Villa. Hier leben Vater und Mutter, und Zeynep, die Tochter, zurückgekehrt aus Berlin.

Das Land ist reich, heißt es einmal, überall gibt es Marmor, man muss nur wissen, wo. Vater Hasan hat einen Betrieb für Steinverarbeitung, doch den verkauft er, es lohnt sich nicht mehr. Die Mutter ist zuhause, sie darf Tee bringen und auch mal Papier und Stift, ansonsten aber nicht viel mitreden, sonst setzt’s was. Zeynep bricht in dieses klare System ein, von außen – aber nicht ganz von außen, sie und die Mutter unterhalten sich auch auf Deutsch, der Vater spricht zwar nur Türkisch, versteht aber alles. Zeynep hatte einen Autounfall, die Umstände lässt sie im Unklaren. Wenn der Vater etwas fragt, ist das ein Verhör. Wenn sie antwortet, ist es Trotz und Verschweigen. Sie lässt nichts an sich heran, sie blockt ab, das ist ihre Art des Widerstands, und er wirkt.

Regisseur Engin Kundag lässt diese Geschichte erdenschwer auf seinem Film lasten. Lange Autofahrten, lange wird eine Tür gezeigt, die sich nicht öffnet, lange Blicke von stummen Menschen, langes dumpfes Brüten über unterdrückte Wut in den Charakteren – Ararat ist langsam erzählt, nicht für das Publikum, so scheint es, eher als Ausdruck von etwas Persönlichem, das raus muss. Dafür bietet er eine präzise Milieubetrachtung, in der die männliche Angst vor weiblicher Sexualität zur Aggression wird, zur ständigen Gefahr eines wütenden Ausbruchs – und zu männlicher Scham, zu einem verborgenen, verdrängten Selbst, das nie zum Ausbruch kommen darf, aus Angst vor Schwäche.

Den emotionalen Song, den man sich wünschen würde, können Ararat und sein gemächlicher Konflikt aber nicht entwickeln – trotz gelungener Figuren und einer gelungenen Atmosphäre von Tristesse.

Ararat (2023)

Eine junge Frau, Zeynep (Merve Aksoy), wird beschuldigt, absichtlich einen Autounfall verursacht zu haben, um ihrem Freund Schaden zuzufügen. Sie flieht aus Berlin zu ihren Eltern (Rasim Jafarov und Funda Rosenland) in die türkische Provinz, in der Nähe des erloschenen Vulkans Ararat. Mit ihrer sexuellen Aggression stellt sie die festgefahrene Ehe ihrer Eltern und die ganze Gesellschaft auf den Kopf – nicht aber die schlummernden Dämonen ihrer Vergangenheit.

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Meinungen

Jey · 24.02.2023

Schauspielerisch solide Leistung, aber ein extrem langatmiger Film. Anstrengend zu schauen, da sehr ruhig, ohne musikalische Untermalung, unrealistisch langgezogene Dialoge und ich persönlich habe viele Szenen nicht verstanden bzw den Zusammenhang zum Geschehen/die Relevanz nicht begriffen. Ging vielen im Kinosaal wie mir; einige haben ihn sogar verlassen. Sehr schade.