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Features: Zeig’s mir nochmal, Sam - Zu Wiederaufführungen im Kino

Ein Beitrag von Patrick Holzapfel

Die in diesen Monaten wieder besonders häufig auftretende Praxis der Wiederaufführung ist nicht neu. Man denke nur an die vielen Generationen, die mit Disneys „Das Dschungelbuch“ groß geworden sind. Das Ganze ist ein wirtschaftlich legitimes und in gewissen Fällen äußerst lukratives Geschäft mit Aufführungsrechten.

StudioCanal

Die begriffliche Nähe des ökonomischen Sicherheitsnetzes „Remake“ und jenem des „Re-Issues“ ist dabei nicht zufällig. Denn nicht immer spielt eine zeitliche Differenz zwischen Kinostarts eine Rolle. Es kann sich um mehrere Jahrzehnte handeln, bis es zu einer Wiederaufführung kommt, oder auch nur um einige Monate.

Aktionen wie eine schwarz-weiße Version von Logan in den US-Kinos erinnern eher an manch sinnlosen Director’s Cut auf DVD. Es sind auch nachvollziehbare Überlebensstrategien im Zeitalter der wachsenden Streamingmöglichkeiten. Was aber genau — jenseits dieser ökonomischen Komponente — bezeichnet und ist eine solche Wiederaufführung wie wir sie in Deutschland zum Beispiel mit Die Reifeprüfung, Das Sams, Das fünfte Element oder A Touch of Zen sehen konnten? 

In den meisten Fällen handelt es sich streng genommen nicht um eine Wiederaufführung des Films, sondern um eine Neu-Aufführung einer in den meisten Fällen neu restaurierten digitalen Kopie. Die Digitalisierung ermöglicht das Zurückbringen der Werke deutlich einfacher und kostengünstiger. Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel. Besonders schön etwa gestaltet sich die Arbeit im Wiener Gartenbaukino. Dort werden im Rahmen neuer Arbeiten bekannter Filmemacher, etwa Paul Thomas Anderson, Quentin Tarantino oder zuletzt Sofia Coppola, kleinere oder größere Retrospektiven zu deren Werk veranstaltet, wobei vieles auf Film gezeigt wird. In einem solchen Vorgehen sind enorme Potenziale erkennbar.

Solche Entwicklungen sind generell sehr zu begrüßen, da sie das Kino aus seinem ständigen Erneuerungsdrang befreien und einen Dialog zwischen der Aktualität und Geschichte des Mediums ermöglichen. Das Ganze mag auf den ersten Blick einen musealen Touch haben, aber sobald eine Aufführung beginnt, findet ein Film immer im Jetzt statt, nie in der Vergangenheit. Noch gar nicht ausreichend genutzt sind die Möglichkeiten, mit solchen Programmierungen auch auf gesellschaftliche oder politische Ereignisse zu reagieren. Bislang bewegen sie sich meist im Rahmen einer kommerziellen Neu-Platzierung im kulturellen Gedächtnis. Nur sind das Potenzial und die Tiefe des Kinos praktisch unerschöpflich. Häufig scheint es deutlich relevanter, auf das zu verweisen, was es bereits gab, als das, was gemacht wird. Blickt man zum Beispiel auf die dieser Tage in vielen Filmen äußert platt eingesetzte Flüchtlingsthematik, wird man von Chaplin über Anthony Mann bis zu Chantal Akerman filmgeschichtlich deutlich präzisere Beschreibungen unserer heutigen Welt erfahren. Nicht umsonst sagt man, dass großes Kino immer von der Zukunft erzählt. Häufig sind solche Programmierungen Filmmuseen vorbehalten, was etwas sehr Bedauerliches hat. So wird die Geschichte und Relevanz des Mediums in eine extra dafür vorgesehene Zeitkapsel geschoben. Es fehlt die Möglichkeit einer Konfrontation mit den Zusehern, die damit nicht rechnen.

Trailer zu A Touch of Zen

Es wäre womöglich auch an den Filmmuseen gelegen, sich nicht wie eigenständige Kinos zu benehmen, sondern von Zeit zu Zeit auch als Verleiher an regulären Kinos zu fungieren. Die Idee eines filmischen Museums könnte, bei aller begrifflichen Schwierigkeit, über sich selbst hinausgehen und ein Netz spinnen, in dem Filme den Zuseher einholen. Oft bemerkt man in Vorführungen älterer Filme, dass unerfahrene Zuseher diese tatsächlich als „alt“ empfinden. Das gilt für das Tempo, den Ton und im Falle einer analogen Vorführung auch für den Zustand der Kopie. Man ist es heute gewohnt, nicht daran erinnert zu werden, dass man sich in einem Kino befindet, wenn man im Kino sitzt. Wiederaufführungen können einen daran erinnern. Sie erinnern auch an die einmalige oder besser gesagt mehrmalige Geschichtlichkeit der Kinogeister. Die Wiederkehr ist in das materielle (oder digitale) Speichern von Zeit bereits eingeschrieben. Das Kino ist eine beständige Wiederkehr, eine ewige Jugend. Ein Theaterstück lässt sich deutlich schwerer wieder aufführen nach zwanzig Jahren.

Dennoch ist das Theater ein gutes Stichwort. Schließlich muss man aufpassen, dass die Praxis der Wiederaufführung sich nicht dem gelangweilten Sicherheitsstreben großer Theaterhäuser angleicht, die Jahr für Jahr die „großen Klassiker“ abarbeiten statt neuen, innovativen Arbeiten mit offenen Türen zu begegnen. So ganz vergleichbar sind Theater und Kino in diesem Fall jedoch nicht, da die Herstellung eines Shakespeare-Stücks im Theater nicht so billig ist wie die Aufführung einer neuen Restaurierung. Es geht hier eher um die Geste, die droht, das Theater als in sich abgeschlossene Geschichte zu betrachten. Im Kino (wie im guten Theater) muss und soll es dagegen um ein ständiges Neu-Verhandeln der eigenen Geschichte gehen. Nicht die Nostalgie für das Vergangene sollte dabei von Verleihern betont werden, sondern die Aufregung vor dem Wieder-Entdecken.