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Streaming-Tipps

Unsere Streaming-Empfehlungen für Juni 2023

Ein Beitrag von Andreas Köhnemann

Vom experimentellen japanischen Drama über ein Weird-Al-Biopic bis hin zu humanoiden Robotern und Geistern – das ist das neue Angebot auf MUBI, Netflix, Amazon Prime, Filmfriend und Sooner.

Meinungen
An einem schönen Morgen / Weird: The Al Yankovich Story / Ich bin dein Mensch
An einem schönen Morgen / Weird: The Al Yankovich Story / Ich bin dein Mensch

Empfehlungen für MUBI

 

Pfahl in meinem Fleisch

Der Film von Toshio Matsumoto (1932-2017) ist ein wildes Stück Queer Cinema aus dem Jahre 1969. Der japanische Regisseur, Videokünstler und Fotograf taucht darin in die queere Subkultur seiner Zeit ein und liefert eine moderne Interpretation von Sophokles’ König Ödipus. Im Zentrum steht die Drag-Queen Eddie (Pîtâ), die in einem Nachtclub in Tokio tätig ist und von Erinnerungen an ihre Kindheit geplagt wird, in der sie einen Doppelmord beging. Das Werk wartet mit Rückblenden und Wiederholungen, mit Zwischentiteln und Jump Cuts auf. Eingestreute Interviews, in denen sich etwa Cast-Mitglieder zu ihren Rollen äußern, sorgen für einen zusätzlichen Verfremdungseffekt. Spürbar atmet Pfahl in meinem Fleisch den Geist der Nouvelle Vague und hat zugleich spätere Kinoarbeiten, beispielsweise Stanley Kubricks Anthony-Burgess-Adaption Uhrwerk Orange (1971), maßgeblich beeinflusst.

  • Ab dem 06. Juni verfügbar.

 

An einem schönen Morgen

Wie schon in ihren vorherigen Filmen finden sich auch in diesem Werk der 1981 geborenen französischen Drehbuchautorin und Regisseurin Mia Hansen-Løve (Alles was kommt) autobiografische Spuren – etwa in der Zeichnung der Beziehung zum Vater. Als Alter Ego der Filmemacherin dient hier die Übersetzerin und Dolmetscherin Sandra, die mit ihrer kleinen Tochter in Paris lebt und sich damit auseinandersetzen muss, dass ihr kranker Vater nicht länger alleine wohnen kann. Hansen-Løve bleibt ihrer leisen und empathischen Erzählweise treu. Auch dank des authentisch wirkenden Spiels von Léa Seydoux in der Hauptrolle sind Sandras Gefühle der Ungewissheit und Ratlosigkeit in jedem Moment nachvollziehbar.

  • Ab dem 16. Juni verfügbar.

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Eine fantastische Frau

Der in Chile aufgewachsene Filmemacher Sebastián Lelio (Jahrgang 1974) sorgte mit seinem vierten Spielfilm Gloria 2013 im Wettbewerb der Berlinale für Aufsehen. Vier Jahre später kehrte er dann mit Eine fantastische Frau in die deutsche Hauptstadt zurück. In der internationalen Co-Produktion erzählt der Regisseur und Co-Drehbuchautor von der trans Frau Marina (ganz großartig: Daniela Vega), die sich nicht nur mit dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten, sondern auch mit dem Hass ihres Umfeldes konfrontiert sieht. 2018 wurde das einfühlsam inszenierte Melodram als chilenischer Beitrag mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.

  • Ab dem 27. Juni verfügbar.

 

Mehr denn je

Emily Atef, die auf der diesjährigen Berlinale ihr neuestes Werk Irgendwann werden wir uns alles erzählen präsentierte, schildert die Geschichte einer Frau, die eine tödliche Lungenkrankheit hat und trotz der Bedenken ihres Lebenspartners eine Reise nach Norwegen antritt. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht das Sterben und der Tod; vielmehr geht es um die persönlich erfüllende Gestaltung des letzten Lebensabschnitts. Die Inszenierung und die Kameraarbeit von Yves Cape lassen sich ganz auf die Perspektive und das Empfinden der Protagonistin Hélène ein. Das intensive, aber auch bedacht anmutende Spiel von Hauptdarstellerin Vicky Krieps verleiht dem Film in jedem Augenblick Würde. Überdies behandelt Mehr denn je auf sensible Weise das Loslassen eines geliebten Menschen.

  • Ab dem 30. Juni verfügbar.

 

Empfehlung für Netflix

 

Weird: The Al Yankovic Story

Ex-Harry-Potter-Star Daniel Radcliffe erwies sich etwa schon in Swiss Army Man (2016) als völlig furchtlos – und spielte auch in Filmen wie Horns (2013), Imperium (2016) und Jungle (2017) mit eindrücklicher Hingabe. Für die Titelrolle im Biopic über den US-amerikanischen Musiker und Parodisten Weird Al Yankovic ist er daher eine hervorragende Wahl. Das Werk feierte 2022 auf dem Toronto International Film Festival seine Premiere und wurde von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen – insbesondere dessen Zuspitzung von Lebens- und Karrierewegen, die fraglos zur Freigeistigkeit des Porträtierten passt. In weiteren Parts sind Evan Rachel Wood, Rainn Wilson und Weird Al Yankovic selbst zu sehen.

  • Ab dem 9. Juni im Programm.

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Empfehlung für Amazon Prime

 

Da kommt noch was

Nach ihrem Spielfilmdebüt Dinky Sinky (2016) liefert die 1979 in Köln geborene Drehbuchautorin und Regisseurin Mareille Klein ein weiteres fein beobachtetes Werk, das von einer treffenden Milieuzeichnung und rundum tollem Schauspiel lebt. Schon die Eröffnungssequenz ist herrlich: Wenn die 62-jährige, geschiedene Helga (Ulrike Willenbacher) durch einen Stuhlsturz beim erfolglosen Versuch, eine Spinne von der Decke zu entfernen, bis zu den Schultern in einem Schacht landet und dabei ihren Fuß einklemmt, ist das ein wunderbar tragikomisches Bild für einen Menschen, der in jeder Hinsicht feststeckt. Das Herz des Films ist schließlich die Annäherung zwischen Helga und dem polnischen Arbeiter Ryszard (Zbigniew Zamachowski), der als Vertretung für Helgas Putzkraft auftaucht, bald aber auch zur Abo-Konzert-Begleitung, zum Helfer bei der Entrümpelung des Hauses und zum Geliebten wird.

  • Ab dem 29. Juni verfügbar.

 

Empfehlungen für Filmfriend

 

Ich bin dein Mensch

Die Regisseurin Maria Schrader (Liebesleben) kombiniert eine humorvolle Love Story mit nachdenklichen Tönen und Science-Fiction-Elementen. Das Skript, das sie zusammen mit Jan Schomburg verfasst hat, basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Emma Braslavsky. Es geht um die Frage, was Menschen und Maschinen voneinander unterscheidet – und was wir benötigen, um glücklich zu sein. Die Hauptfigur Alma (Maren Eggert) trifft auf einen humanoiden Roboter (Dan Stevens), dessen Algorithmus darauf ausgerichtet ist, all ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Tom ist – rein theoretisch – ihr perfekter Partner. Und doch löst er in ihr zunächst vor allem Irritation aus. Genau daraus entsteht in vielen Szenen die Komik; im Laufe des Plots wird Ich bin dein Mensch dann indes immer ernster und philosophischer.

 

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Personal Shopper

Mit diesem Film setzte der französische Drehbuchautor und Regisseur Olivier Assayas 2016 seine Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Schauspielerin Kristen Stewart fort. Während diese in Assayas’ Vorgängerwerk Die Wolken von Sils Maria (2014) noch einen Nebenpart an der Seite von Hauptdarstellerin Juliette Binoche verkörpert hatte, steht sie hier nun im Zentrum des Geschehens – und liefert eine derart seelenvolle und intensive Performance, dass man auch lange nach der Sichtung des Films immer wieder an die von ihr interpretierte Figur denken muss: an die Blicke, Gesten und Worte, an die Sehnsüchte, Ängste und Wagnisse dieser jungen Frau in Paris, die mit zunehmender Verzweiflung auf ein Zeichen ihres vor beinahe hundert Tagen an einem Herzinfarkt gestorbenen Zwillingsbruders wartet.

 

Empfehlung für Sooner

 

The Sharks

Man stelle sich vor, in Der weiße Hai (1975) oder einem der drei Sequels wäre es nicht primär um das titelgebende Tier oder die Leute, die gegen die Gefahr ankämpfen, gegangen, sondern um eine erstmals verliebte Jugendliche – während sich die Bedrohung einfach im Hintergrund abspielt. So in etwa lässt sich (etwas salopp) die Prämisse dieses Indie-Films von Lucía Garibaldi beschreiben. In einer kleinen uruguayischen Küstenstadt, die vom Tourismus abhängig ist, sorgen Berichte über Hai-Sichtungen für Panik. Die 14-jährige Rosina (Romina Bentancur), die von ihrem Vater (Fabián Arenillas) dazu gebracht wird, in dessen Landschaftsbauunternehmen zu jobben, tangiert das allerdings kaum. Sie interessiert sich mehr für ihren Kollegen Joselo (Federico Morosini), dem sie sich etwas unbeholfen anzunähern versucht.

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