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Filme gegen Faschismus

Nie wieder Faschismus. Und die Demokratie weiß sich zum Glück zu wehren. Die Redaktion stellt eine Reihe von Filmen vor, die widerständig sind und zur Aufklärung beitragen.

Meinungen
AgainsFacism

Wir sind eine Kinoseite. Wir beschäftigen uns mit der Kunst der Filme. Das alleine ist bereits politisch. Jeder Film bietet uns ästhetisch-sinnliche Gefüge, die uns als Vorbild dienen können. Manche Filme analysieren die Verhältnisse in einer Art, die mit dem bloßen Text nicht möglich ist. Nun sind diese Filme sicherlich nicht als aktiver Widerstand zu bezeichnen. Dennoch bilden sie eine symbolische Barriere: Eine andere Welt ist möglich.

Wie alles begann: Aus dem Exil

Hangmen also die von Fritz Lang

Ein kurzer Sprung zurück in jene Zeit, in der der Faschismus kein Schreckgespenst am Horizont war (wobei Entwicklungen wie in Ungarn oder Italien ja durchaus sehr gegenwärtig sind), sondern den Lebensalltag der Menschen in ganz Europa bereits kontrollierte: Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 setzte innerhalb der deutschen Filmindustrie ein Exodus an Künstler*innen und anderen Filmschaffenden ein, der die besten Köpfe einer ganzen Generation vertrieb. Während einige der Geflohenen wie etwa Max Ophüls in Europa blieben, zog es den Großteil in die USA und dort vor allem nach Hollywood, wo freilich nicht alle das Glück hatten, in der dortigen Filmindustrie Fuß fassen zu können.

Zu den bekanntesten Exilanten gehört mit Sicherheit Fritz Lang, der der Legende nach geflohen ist, nachdem ihm Goebbels das Angebot unterbreitet hatte, zum führenden Kopf der mächtigen UFA zu werden. Lang bat sich Bedenkzeit aus, packte die Koffer und emigrierte im März 1933 in die USA, wo sein Ruf ihm schnell die Türen öffnete. Schon sein erster in Hollywood realisierter Film Fury (Blinde Wut) aus dem Jahre 1936 thematisiert die Verführbarkeit der Masse und das Klima von Hetze und Angst und spielt damit auf die Ereignisse im Deutschen Reich an.

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Spätestens mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg begann eine regelrechte Welle von Anti-Nazi-Filmen, bei denen vor allem Filmschaffende aus Deutschland und Österreich eine große Rolle spielten – und auch hier tat sich Lang durch großes Engagement hervor: Sein wohl bekanntestes Werk aus dieser Zeit ist Hangmen Also Die (Auch Henker sterben) aus dem Jahre 1943, in dem er erstaunlich aktuell die Geschehnisse rund um das Attentat auf den Reichprotektor und Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich im Jahre 1942 thematisierte.

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Insgesamt entstanden in der Zeit zwischen 1941 und 1945 rund 180 Filme, die sich dezidiert mit dem Nationalsozialismus beschäftigten und den Kampf gegen diese Ideologie thematisierten. Und mit einigem Recht wird die Bewegung des deutschsprachigen Filmexils als stilprägend für den Film noir angesehen, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gebrochene Helden und die Entfremdung der Generation der Kriegsheimkehrer in den Mittelpunkt rückte.

Joachim Kurz

Keine Idylle. Nur Elend.

Wintermärchen von Jan Bonny

Dieser Film ist durchaus kontrovers aufgenommen worden, als er 2018 erschienen ist. Dabei dürfte es wohl im deutschen Kino der Gegenwart einen kaum vergleichbaren Schlag in die Magengrube geben: Lose arbeiten sich Regisseur Jan Bonny und Autor Jan Eichberg an der Mordserie der NSU ab – am Geist dieses Trios. Im Zentrum steht ein im Untergrund verharrendes Pärchen in Köln. Becky (Ricarda Seifried) und Tommi (Thomas Schubert) warten frustriert auf den Einsatzbefehl. In einem Waldstück üben sie mit der Waffe und testen ihre selbstgebastelten Bomben. Dann drängt sich der narzisstische und unberechenbare Maik (Jean-Luc Bubert) in die Beziehung und die Gewalt eskaliert: Erste Menschen werden sterben.

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Wintermärchen taucht hinab in die privaten Sphären des rechten Untergrunds und vermisst die libidinösen Verwicklungen aus Rassismus, Selbsthass und stumpfer Körperlichkeit. Der Film sagt nicht, dass das Motiv der Morde
in der sexuellen Frustration liegen: Vielmehr ist der Sex eine verzweifelte Geste der Auslöschung und gleichzeitigen Verortung. Wie stellen wir uns diese Menschen vor? Was treiben die eigentlich in dieser Zwischenzone des Untertauchens? Sie warten und steigern sich hinein, bis alles zu einer logischen Abfolge wird – der Mensch, ein Tier, reduziert auf seine Bewegung, wie ein Tiger in einem zu engen Käfig. 

Was man aus diesem Film ziehen kann? Er entzaubert die Rhetorik der konservativen Idylle. Auf dieser Seite wartet nur Schmutz und Dreck und Sex, der einem Krieg gleicht.

Sebastian Seidler

Gewalträume

Green Room von Jeremy Saulnier

Stellt euch vor, ihr spielt ihn einer mäßig erfolgreichen Punkband. Irgendwer vermittelt euch einen Gig in einem abgehalfterten Schuppen im Nirgendwo. Weil das Geld knapp ist, nehmt ihr an und stellt vor Ort fest, dass es sich um einen Nazi-Club handelt. Genau das ist die Ausgangssituation in Jeremey Saulniers hartem Thriller: Der ersten Song, den die Band spielt, ja den White Supremacists entgegenspuckt, ist der legendäre Song Nazi Punks Fuck off der Dead Kennedys. Allein das würde eigentlich für den ganzen Terror, der im Verlauf des Films passiert, genügen. Schließlich werden die Punks lediglich von der Bühne katapultiert. Da sie dadurch zu früh in das Hinterzimmer zurückkommen, werden sie Zeugen von einem Verbrechen. Man will sie nicht mehr gehen lassen – nicht lebend; zwischen Backstage-Zimmer und Freiheit wartet eine wütende Horde gewaltbereiter Nazis. 

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Saulniers Film ist intensiv und von einer realistischen Gewalt durchzogen, die einen förmlich einschnürt. Green Room ist einer der besten Thriller der letzten Jahre: geradlinig, schnörkellos und kompromisslos. Was den Film aber, obwohl jedweder pädagogischer Anspruch fehlt, für diese Sammlung auszeichnet? Seine Haltung. Die Szene, in der die Band den Song der Dead Kennedys wie eine Axt durch den Raum zieht, gibt einem das gute Gefühl, dem rechten Geist die Stirn zu bieten. Außerdem gelingt es derart nachvollziehbar, jene bedrohliche Atmosphäre zu inszenieren, die dieses Milieu umweht. Da darf man sich keine Illusionen machen. Wenn es eskaliert, dann wird es ein Kampf ums Überleben. Also lasst uns alles tun, um das zu verhindern.

Sebastian Seidler 

Die Gefahr des Mitläufertums

Der große Irrtum von Bernardo Bertolucci

Italien hat seit 2023 eine postfaschistische Ministerpräsidentin. Italien hat auch eine gesunde Tradition antifaschistischen Kinos, das vor diesem Hintergrund erst recht wiedergesehen werden will. Bernardo Bertolucci macht schon früh in Der große Irrtum auch den Bogen zum deutschen Faschismus und appelliert anhand einer Anekdote, immer gegenzureden, es immer ernst zu nehmen, wenn Leute menschenfeindliche Rhetorik vom Stapel lassen. Der Vater der Hauptfigur lebte früher in München, wird erzählt, und traf dort einen Mann, der in der Kneipe immer auf den Tisch stieg und politische Reden schwang. Weil die anderen Gäste den Kauz unterhaltsam fanden, stachelten sie ihn noch an. Es sei der junge Hitler gewesen.

Durch diese Anekdote das Dritte Reich verstehen zu wollen, wäre eine arge Komplexitätsreduktion. Stattdessen kann sie an Situationen im Hier und Jetzt unangenehm erinnern, vielleicht in der Bahn oder in einer Kneipe, als man Menschen gehört hat, die keine Scham haben, sich öffentlich rassistisch zu äußern, und man hat nicht dagegen geredet. Vielleicht aus Angst vor Gewalt, ein nachvollziehbarer Grund, vielleicht aber ein Stück weit auch nur aus Bequemlichkeit? Da geht man bereits den gefährlichen Weg in Richtung Mitläufertum. Schweigen, Heraushalten, das ist lang nicht mehr genug.

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Marcello, der junge Mann im Zentrum der Handlung, hat aus der Anekdote seines Vaters nicht gelernt: Er ist besessen davon, ein an die Gesellschaft möglichst angepasstes Leben zu führen. (Im Original heißt der Film „Der Konformist“.) Als Kind wurde er sexuell missbraucht, hat dabei seine unterdrückte Homosexualität gespürt und dann auf den Mann geschossen. Religiös ist er nicht, aber er versteht sich nun als eine Art „gesellschaftlichen Sünder“. Um so systemtreu wie möglich zu sein, heuert er bei der Geheimpolizei des faschistischen Italiens an – und bekommt den Auftrag, seinen alten Professor zu ermorden. Währenddessen wird klar, dass Marcello die blinden Flecken im Weltbild sogar erkennt. Er beschreibt sie mit Platons Höhlengleichnis und entscheidet sich bewusst für die Schatten an der Wand.

Bertolucci untersucht in der ihm typischen ambivalenten Art mögliche psychologische Ursachen für faschistisches Mitläufertum. Er arbeitet dabei mit einer kühl beobachtenden Inszenierung, erzählt aber nicht linear. So kommt alle Deutung aus dem Schnitt, und doch scheint Der große Irrtum nie einfache Antworten zu geben – eine Demonstration, warum gerade Film zum Politischen taugt. Zeitgenössische linke Kritiker warfen Bertolucci vor, den Faschismus als individuellen Fehler darzustellen, statt ihn in Zusammenhang mit den Klassenverhältnissen zu bringen. Dabei findet Der große Irrtum, dass gerade das Bürgertum durch Bequemlichkeit und Angepasstheit den Faschismus ermögliche. Man darf sich angesprochen fühlen.

Mathis Raabe

Die Sprache verändern

Dogtooth von Yorgos Lanthimos

Es gibt Filme, in denen Faschismus als Thema offensichtlich ist. Dann gibt es Filme, die, ohne es deutlich auszusprechen, tief in die Funktionsweise dieser menschenverachtenden Ideologie eintauchen: Yorgos Lanthimos‘ gerne als Satire beschriebener Dogtooth ist eine unheimlich präzise Darstellung, wie Faschismus eben auch eine Praxis der Sprache ist. Mit Worten erklären wir uns die Welt. Durch Begriffe erscheint die Wirklichkeit: Redet man von Deportation, klingt das anders, als es die AfD mit ihrem Euphemismus Remigration will.

In Dogtooth versuchen die Eltern, ihre drei Kinder an das Haus zu binden: Sie kennen die Welt außerhalb des Grundstückes nicht, die von einer hohen Mauer umgeben ist. Das Zuhause ist ein Gefängnis – doch nehmen die Kinder dies gar nicht als solches war. Um den Einfluss der Wirklichkeit zu minimieren und Kommunikation zu erschweren, entwickelt die Eltern eine Art Privatsprache: „Highway“ ist ein starker Wind und „Muschi“ eine große Lampe.

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Ganz wichtig: Draußen lauert eine Gefahr. Der Bruder ist verschwunden. Womöglich tot. Mit großer Sicherheit hat es nie einen Bruder gegeben. Seine Geschichte dient zur Abschreckung, wie die Mär von den bösen, gierigen Migranten, die uns die Termine beim Zahnarzt wegnehmen. 

Durch die kontrollierte Sprache erschaffen die Eltern eine totale Perspektive, mit der sie die Gefühle und Verhaltensweisen ihrer Kinder weitestgehend unter Kontrolle haben. Das ist ein Element des Faschismus: die Erzeugung einer einheitlichen Welt, ohne Brüche – die perfekte Bubble. So ist es vielleicht kein Wunder, dass rechtes Gedankengut gerade überall auf dem Vormarsch ist: Social Media ist das passende Werkzeug, eine Welt für sich, mit unendlichen Möglichkeiten der Manipulation. 

Dogtooth macht uns dies deutlich. Es braucht eine Beschäftigung mit anderen Welten. Im Film ist es ein ins Haus geschmuggeltes Video von Rambo. Ausgerechnet dieser Film bringt eine Veränderung in Gang. Schließlich wendet die älteste Schwester ihre enge Welt gegen sich selbst: Emanzipation ist immer möglich. Und das gibt Mut. Wir dürfen nicht zulassen, dass Höcke oder rechte Vordenker wie Götz Kubitschek den Diskurs beherrschen, in dem sie unsere Sprache infizieren und toxische Normalisierungen rassistischen Sprechens herbeiführen.

Sebastian Seidler

Niemals aufhören, zu kämpfen

Inglourious Basterds von Quentin Tarantino

„My name is Lt. Aldo Raine, and I need me eight soldiers. We’re gonna be dropped in France dressed as civilians. We’re going to be doing on thing and one thing only … Killin‘ Nazis.“

So steht es auf dem Poster, von dem aus Brad Pitt schon seit Jahren mein Wohnzimmer im süffisant-kämpferischen Blick hat. Denn mit Inglourious Basterds hat Quentin Tarantino in meinen Augen den ultimativen antifaschistischen Film geschaffen. Einer, in dem das Kino in doppelter Hinsicht Vergeltung an den Nazis übt — einmal durch den Film selbst, einmal durch die berühmte Kinoszene kurz vor Schluss -; und einer, der sich zwar nicht der analytischen Dekonstruktion des Faschismus rühmen kann, aber doch mit einer so simplen wie deutlichen Botschaft daherkommt, wie sie derzeit hundertfach auf Demo-Plakaten zu lesen ist: FCK NZS! Oder auch: Kein Fußbreit den Faschisten!

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Denn manchmal braucht es eben genau diese bewusste Plakativität, diese klaren Worte, diese bestärkenden, kämpferischen Phrasen, um den inneren Protest zu befeuern. Der kleinste gemeinsame Nenner: Niemals aufhören, gegen den Faschismus aufzustehen! Wer daraus nun einen Aufruf zur Gewalt mitnimmt, sollte nochmal an seiner Abstraktionsfähigkeit arbeiten — denn auch die eigene Haltung kann ein scharfes Schwert sein. Inglourious Basterds ist einer dieser Filme, der es schärft.

Christian Neffe

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