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Couchperle: Drei frühe Filme von Lars von Trier

Ein Beitrag von Sebastian Seidler

Er gilt als einer der größten Provokateure des Kinos: Lars von Trier. Auf ARTE sind nun 9 seiner Filme zu sehen.

Meinungen
Lars von Trier
The Element of Crime / Epidemic / Europa

Das Label des Provokateurs – es geht viel zu leicht von der Hand. Kaum dreht ein/e Regisseur/in einen Film, der vielen vor den Kopf stößt, dann hat man auch schon die passende Schublade parat. Das Problem ist nun nicht, dass es im Falle von Lars von Trier falsch wäre, ihn einen Provokateur zu nennen. Schließlich leitet sich die Provokation vom lateinischen  prōvocāre ab, was so viel bedeutet, wie hervorrufen, auffordern, reizen. Reizen, das tut der dänische Filmemacher sehr gerne. So gesehen, hat man also jedes Recht, ihn auch eine Reizfigur zu nennen. Doch mit der Gleichung Lars von Trier = Provokateur hat es sich dann leider ganz oft auch schon. Dabei ist das Werk des Regisseurs so reichhaltig, eigensinnig wie eigenständig. In der Arte-Mediathek stehen jetzt 9 seiner Filme zum Abruf bereit. Ein guter Moment, um ein paar randständige Bemerkungen über drei ganz frühe Filme jenseits der Provokation zu wagen: die „Europa-Trilogie“.    

Das Werk von Lars von Trier ist von Manien durchzogen, die mit einer strengen Vehemenz über eine gewisse Zeit (meist sind es Trilogien) ausschlagen, nur um dann wieder in einer neuen Werkphase zu münden. Da wäre die sogenannte Europa-Trilogie aus The Element Of Crime (1984), Epidemic (1987) und Europa (1991), die Arte vollständig zeigt. Narrativ hängen diese drei Filme in keiner Weise zusammen. Vielmehr zieht sich durch die drei sehr unterschiedlichen Filme eine dekonstruktivistische Geste: Da wagt ein Filmemacher den Versuch, die Seele eines gerade aus einem Alptraum erwachenden Kontinents zu durchschreiten.

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Vergangenheit, Gegenwarten und eine mögliche Zukunft beginnen in den jeweiligen Genres zu zerbrechen, zu flirren und zu delirieren. Der Formwille des noch jungen Regisseurs ist schier überlebensgroß, ja größenwahnsinnig. The Element of Crime hat durchgängig einen seltsam entrückten Kupferton, besticht durch faszinierende Kamerafahrten und wirkt so, als hätte man einen Film Noir durch Andrei Tarkowskis Seele gejagt. Auch später wird Lars von Trier die Unmittelbarkeit der Filme brechen – durch Voice-Overs, fehlerhaft-automatisierte Kameraeinstellungen oder durch eigene Auftritte. Der Realismus ist seine Sache nicht. Vielmehr wird die Form immer zum Brennglas, um bis an den schmerzenden Grund der Fragen zu gelangen.

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Dieser Grund ist in The Element of Crime nicht der Kriminalfall, sondern der Wahn der Fahndung selbst: Die Suche nach einem Killer infiziert die Aufarbeitung. Diese Frage der Infektion wird dann in Epidemic auf die Spitze getrieben: Darin verschwimmen bei der Arbeit an einem Drehbuch Realität, Geschichte und Fiktion zu einer Horrorfilm-Satire und einem Metakommentar über das Filmemachen selbst. Grotesk, klug und widerspenstig: Carl Theodor Dryer trifft auf Chris Marker und George A. Romero. Später dann, beim entrückt-schönen Melodram Europa weht ein Geist von Fassbinder durch die Bilder, dessen Spur bis in den deutschen Expressionismus reicht. Vor so einem Größenwahn muss man Respekt haben.

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Nach drei derart eigenwilligen Filmen eine so große Karriere hinzulegen – es ist heute unvorstellbar. Die Europa-Trilogie atmet Filmgeschichte und reflektiert einen Kontinent, der, aus den Trümmern und dem Verbrechen entstiegen, einer ungewissen Zukunft entgegengeht. 

Die Europa-Trilogie und sechs weitere Filme von Lars von Trier gibt derzeit in der Arte-Mediathek zu sehen.

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