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Darling der Woche

Mit Anti_CGI in die bizarre, alte Zeit

Ein Beitrag von Matthias Pfeiffer

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Disco Godfather Still
"Disco Godfather"

Nein, früher war nicht alles besser. Das braucht man sich von niemandem erzählen zu lassen. Und doch hatten die alten Zeiten Sachen zu bieten, die man heute leider fehlen. Bizarre, groteske und verstörende Sachen — zumindest was Filme betrifft.

Die Instagram-Seite Anti_CGI gewährt einen einzigartigen Blick in die vergangenen Parallelwelten des Kinos. Exploitation reiht sich an Experimental, Splatter an Avantgarde, Trash an Arthaus. Dabei braucht man oft nicht nur Offenheit gegenüber Obskuritäten, sondern auch einen starken Magen. Hier spritzt noch Kunstblut und quellen Gummiorgane aus Puppenleibern. Und so unfreiwillig lustig viele Filmmonster der Achtziger auch aussehen mögen, sie haben den CGI-Kreaturen von heute eines voraus: Sie standen wirklich im Raum. Die Plastizität regiert in diesem Fall über die Authentizität.
 

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„Gawain and the Green Night“  © Anti_CGI


Dabei ist Anti_CGI kein Filmarchiv im eigentlichen Sinne. Die Szenenbilder stehen für sich allein, außer dem Filmtitel und dem Erscheinungsjahr erfährt man nichts. Was das für ein Monster ist, warum der Herr deformiert am Boden liegt und ob es sich auf dem Bild um eine obskure Sexualpraktik oder eine Hinrichtungsmethode handelt, muss der Betrachter selbst recherchieren.

Hinter dem Channel steckt der amerikanische Maler Aramis Gutierrez II. Laut einem Interview mit dem Magazin Cinema Thread bezieht er viel Inspiration aus Filmen. Und sicher ist es sinnvoller, die Stills auf seinem Channel eher als für sich stehende Kunstwerke zu sehen und nicht lediglich als Ausschnitte.

„I am always hunting for activated images with ‚built-in‘ mysteries, regardless of the source film’s narrative. These [anti_cgi’s] mysterious images are intrinsically familiar but have something generously open-ended about them.“

 

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„Kusama’s Self-Obliteration“ © Anti_GCI


Da wird es auch völlig nebensächlich, ob das Gezeigte große Kunst oder Schund ist. Auch ist es egal, ob sich immer wieder Aufnahmen aus aktuelleren Filmen wie Overlord oder Martyrs (2008) zwischen den Vintage mischen. Selbst wenn ein Film doch mal das böse CGI benutzt, kann er trotzdem seinen Platz in Gutierrez‘ Höllengalerie bekommen. Schließlich geht es darum, wie kreativ und wirkungsvoll eine Technik benutzt wird. Im Punkto Kreativität sieht er allerdings das Problem mit der heutigen Computertechnik.

„CGI, like any other creative tool or accent, is either the right/best solution for a given cinematic challenge or it isn’t. Unfortunately, CGI has become the dominant effect resource on many lazy filmmakers’ palettes and unlike the visionary development of practical effects from the 60s through the early 90s, CGIs progress can be measured with minor incremental increases of realism and with diminishing returns on creativity.“

 

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„The Magic Sword“ © Anti_CGI


Nicht allzu zart besaitete Filmschatzsucher sollten Anti_CGI durchaus mal einen Besuch abstatten. Schnell wird man merken, dass im hier und jetzt auch nicht alles schlechter ist. Hätte man damals ein solche Übersicht bekommen oder überhaupt auf das alles gestoßen? Eben.

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