The Accountant (2016)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Genie und Ein-Mann-Kommando

Was darf man von einem Film erwarten, der den Titel The Accountant, also „Der Buchhalter“, trägt? Ein nüchternes Drama über Zahlen und Finanzen? Gut möglich! Nicht aber, wenn der Hauptdarsteller Ben Affleck heißt und die von ihm gespielte Figur ein nahkampferprobter Anzugträger mit Asperger-Syndrom ist, der bei Abweichungen von seinen Plänen im Handumdrehen in den Angriffsmodus schaltet. Bill Dubuques Skript, das dem Crime-Thriller zugrunde liegt, landete 2011 auf der sogenannten Black List, auf der alljährlich die vielversprechendsten, noch nicht produzierten Drehbücher Hollywoods aufgeführt werden. Ob es sich bei der Vorlage zu The Accountant tatsächlich um eine rundum gelungene Ausarbeitung handelt, darf allerdings bezweifelt werden. Zumindest, wenn man sich den fertigen, erzählerisch unebenen Film anschaut, den Gavin O’Connor (Jane Got a Gun) inszeniert hat.

Nach außen gibt sich der autistische, hochintelligente Zahlenkünstler Christian Wolff (Affleck) als anständiger Steuerberater, der in der Nähe von Chicago in einer Ladenzeile ein eigenes Büro betreibt. Regelmäßig wäscht der verschlossene Mann aber auch Geld für internationale Verbrecherorganisationen und verdient sich so eine goldene Nase, was die US-Steuerbehörde in Person des ehrgeizigen Ray King (J. K. Simmons) auf den Plan ruft. Um endlich herauszufinden, wer der mysteriöse Mafia-Buchhalter ist, der weltweit in Aktion tritt, zwingt er die Beamtin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson), Christians Fährte aufzunehmen. Der Gesuchte wendet sich unterdessen einem neuen Auftrag zu: In einem aufstrebenden Robotik-Unternehmen soll er Unregelmäßigkeiten unter die Lupe nehmen, die von der Mitarbeiterin Dana Cummings (Anna Kendrick) entdeckt worden sind. Ein äußerst brisanter Job, der schon bald erste Todesopfer fordert.

O’Connor bietet einige versiert choreografierte Actionsequenzen auf. Überraschende Wendungen sind ebenfalls gegeben. Spannung stellt sich immer mal wieder ein, etwa gleich zu Anfang, wenn wir ohne Vorwarnung in eine unübersichtliche Schießerei geworfen werden. Und Affleck trägt fast durchgehend eine ausdrucklose Miene zur Schau, die bestens zum Profil seiner Figur passt. The Accountant hat sicherlich seine Qualitäten, leidet aber stark unter irritierenden tonalen Schwankungen. Testosteron-Thriller, Charakterdrama, schwarze Komödie – offensichtlich will der Film alles auf einmal sein. Raffiniert verbunden werden die unterschiedlichen Versatzstücke jedoch nicht. Im Gegenteil, Wolffs Hintergrund, der in sporadisch eingestreuten Rückblenden zum Vorschein kommt, wirkt holzschnittartig und wird von einer klischeehaften Vaterfigur dominiert, die ihre Söhne mit drastischen Methoden zu furchtlosen Kämpfern erzieht. Das Katz-und-Maus-Spiel, das aus Medinas Ermittlungen erwachsen könnte, kommt leider nie richtig zum Tragen, da der Strang keine Dringlichkeit entfaltet und zwischendurch gänzlich aus dem Blickfeld gerät, nur um dann in einer überlangen Erklär-Szene uninspiriert viele Informationen nachzuliefern. Spürbar mehr Dynamik erzeugt der zunehmend von Leichen gesäumte Plot-Faden rund um die Arbeit des Buchhalters für die Robotik-Firma, den die Macher allerdings für weitaus raffinierter halten, als er in Wahrheit ist.

Etwas Bauchweh bereitet nicht zuletzt der Umgang mit der Entwicklungsstörung des Protagonisten. Statt die Einschränkungen und Unsicherheiten des Asperger-Patienten eingehender zu beleuchten, dienen Wolffs Defizite im sozialen Miteinander fast ausschließlich zur humorigen Auflockerung. Wie ein schlechter Witz erscheint daher das Ende des Thrillers, wo O’Connor und Drehbuchautor Dubuque plötzlich eine Lanze für Autisten und Behinderte brechen und das Ganze auch noch mit einem überraschenden Twist garnieren. Mehr Verständnis für Menschen, die Autismus haben, weckt der Film trotz dieses Nachklapps nicht.

So erfreulich es auch sein mag, dass The Accountant auf eigenwillige Weise Genres und Stimmungen durcheinanderwirbelt, so unbefriedigend bleibt das Endergebnis, das den Zuschauer höchst zwiegespalten aus dem Kinosaal taumeln lässt.
 

The Accountant (2016)

Was darf man von einem Film erwarten, der den Titel The Accountant, also „Der Buchhalter“, trägt? Ein nüchternes Drama über Zahlen und Finanzen? Gut möglich! Nicht aber, wenn der Hauptdarsteller Ben Affleck heißt und die von ihm gespielte Figur ein nahkampferprobter Anzugträger mit Asperger-Syndrom ist, der bei Abweichungen von seinen Plänen im Handumdrehen in den Angriffsmodus schaltet.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Uwe Ritter · 14.07.2023

Der Film ist spannend und abwechslungsreich. Die Handlungen passen scheinbar nicht zusammen, werden aber nach und nach erklärt. Verblüffend am Schluss das fehlende Duell zweier Brüder, die, aufgrund der Loyalitätsbelehrung des Vaters, erst gar nicht zum Kampf antreten.

Martin Zopick · 04.09.2020

Fast der ganze Film ist ein spannender Reißer, obwohl schon ziemlich bald klar wird, dass der kleine Christian (später dann Ben Affleck) an einem Hochfunktionalen Autismus leidet. Er ist nicht das Genie oder der helle Wahnsinn, er ist ein wahnsinniges Genie mit einer Begabung für Zahlen. Sein Vater erkennt diese Fähigkeit und trainiert ihn zusammen mit seinem Bruder Braxton (Jon Bernthal) in allen möglichen Kampfsportarten. Christian arbeitet freiberuflich und findet für Großkonzerne Lücken im System mit Milliardenverlusten.
Parallel dazu laufen die Ermittlungen der Steuerbehörde unter Ray King (J.K. Simmons) und Marybeth Medina (Addai- Robinson) die Christian für einen Steuersünder halten. Sein Honorar zahlt dieser teilweise zurück, muss sich allerdings verteidigen, als die Mafia ihm eine Killergang auf den Hals hetzt. Nur die Angestellte Dana (Anna Kendrick) der Firma Robotics von John Lithgow kann Christian gedanklich folgen. Beide werden von der Mafia weiter gejagt. Am Ende treffen das autistische Genie und die Killer aufeinander und Christian muss erkennen, dass er mit deren Anführer verwandt ist.
Eine Szene im Hotel verdeutlicht das Handikap von Christian. Er kann mit Dana als Frau nichts anfangen. Hilflos rennt er davon.
Am Ende gibt es innerhalb der Behörde eine Beförderung, Christian schenkt Dana ein Bild von Jackson Pollock und will sich mit seinem Bruder treffen.
Erst nur reiner Reißer mit sozial-psychologischen Hintergrund, dann erklärende Läuterung des Helden. So gesehen eine wohltuende Mischung von knallharter Spannung und niveauvoller Unterhaltung.