Ich will da sein - Jenny Gröllmann

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Leben für das Schauspiel

Für diejenigen Menschen, die mit Jenny Gröllmann im Laufe ihres Berufslebens zu tun hatten, war sie die ungekrönte Prinzessin der DDR-Theater- und Filmszene, in der nahezu jeder jeden kannte. Die 1947 in Hamburg geborene Schauspielerin, deren von den Nazis verfolgte Eltern Anfang der fünfziger Jahre nach Schwerin und anschließend nach Dresden zogen, stand bereits mit 14 auf der Bühne und studierte im zarten Alter von 16 Jahren auf Anraten Helene Weigels bereits Schauspiel in Berlin-Schönweide. Es folgte eine rasante Karriere am Maxim-Gorki-Theater, dem sie 26 Jahre lang treu blieb, außerdem kamen quasi gleichzeitig die ersten Film- und Fernsehrollen dazu, die den Ruf der energischen Schauspielerin schnell festigten. Doch es war keineswegs nur die enorme darstellerische Potenz, die sie zu einem der unumstrittenen Stars des DDR-Films machte, sondern vor allem ihre beeindruckende Persönlichkeit, ihre Aura, die die filmische Hommage Ich will da sein — Jenny Gröllmann immer wieder geschickt in Erinnerung ruft.
Der Fotograf Michael Wiedt, der Jenny Gröllmann seit den Jugendtagen kannte, schwärmt voller Verzückung von den schönen Händen der Schauspielerin, von der Sinnlichkeit ihrer Füße, plaudert ungeniert über Liebschaften und Gröllmanns Hang, sich stets aufs Neue zu verlieben. In einem anderen Kontext wäre das vielleicht peinlich geraten, doch man spürt den Respekt, die Liebe und die Zuneigung, die bis heute bei allen befragten Kollegen mitschwingt. Henry Hübchen, Jaecki Schwarz, Uwe Kokisch, Michael Gwisdek und viele andere legen Zeugnis ab von einer Schauspielerin, die, wenn sie nicht gerade in der DDR gelebt hätte, eine Weltkarriere hätte machen können, wie Michael Weidt feststellt.

Geschickt verbindet der Film die Lebensrealitäten von Jenny Gröllmann mit ihren Werken, lässt Parallelen aufblitzen, nimmt Gedanken und Szenen aus Filmen wie Ich war neunzehn (Konrad Wolf, 1967), Kennen Sie Urban? (Ingrid Reschke, 1970), Broddi (Ulrich Thein, 1975), Süßer Vogel Jugend (Vera Loebner, 1976), Dein unbekannter Bruder (Ulrich Weiß, 1981) und Hälfte des Lebens (Hermann Zschoche, 1984) auf, um sie mit der Biographie der Schauspielerin zu verknüpfen. Leben und Werk, sie erscheinen dadurch als dichtes Geflecht, das eine, so legt es der Film nahe, ist bei einer Vollblutschauspielerin wie Jenny Gröllmann nicht vom anderen zu trennen. Es folgte der Weg in den Westen, nach der Maueröffnung 1989. Kurz danach folgte das Engagement für die Anwaltsserie Liebling Kreuzberg, mit dem Gröllmann in ihrer Rolle als Anwältin Isenthal auch beim „West“-Publikum zum Star wurde. Im Jahre 1999 folgte dann die niederschmetternde Diagnose Krebs, die Jenny Gröllmann aber nicht davon abhielt, auf der Bühne und vor der Kamera aufzutreten – teils mit Perücke, um die Folgen der Krebstherapie zu verbergen. Nach Querelen um eine angebliche Stasi-Mitarbeit, die durch den Erfolg des Films Das Leben der Anderen in die Schlagzeilen geraten und einem zähen juristischem Kampf, bei dem Gröllmann schließlich siegt, verstirbt sie am 9. August 2006 an den Folgen ihrer Erkrankung

Der Film lebt vor allem von der Nähe der Regisseurin Petra Weisenburger zu der Porträtierten, die Intimität der Gespräche, bei der die Kamera die Darstellerin im Gespräch mit Kollegen und Freunden einfängt, ist förmlich mit den Händen zu greifen. Da wird gelacht, gescherzt, erinnert, manchmal wehmütig, dann wieder heiter, dann in anderen Momenten ein wenig zornig. Das Episodenhafte des Films überwiegt, wenig erfährt man über die Hintergründe der Schauspielerin, so dass manches Mal die Orientierung in dem zwar chronologisch angelegten, aber stets assoziativ montierten Film schwer fällt. Petra Weisenburger und Jenny Gröllmann verband eine lange Freundschaft, als die Schauspielerin der Regisseurin im Sommer des Jahres 2004 anvertraute, dass sie nicht mehr lang zu leben habe. Schockiert von der Nachricht sagte Petra Weisenburger „Ich will, dass etwas von dir bleibt.“ Die lakonische Antwort kam prompt: „Dann musst du dich beeilen.“ Von diesem Zeitpunkt an war die Kamera Jenny Gröllmanns ständiger Begleiter, und erst nach dem Tod der Freundin wagte sich die Filmemacherin an die Bearbeitung des Materials, zu nah war die Trauer über den Verlust der Freundin vorher gewesen. Doch der Film gerät niemals zum Denkmal, wie manche Medien meinten, er ist vielmehr eine vielstimmige und vielschichtige „Liebeserklärung“ an die Schauspielerin.

Obgleich der Film sich lange bemüht, das Thema Ulrich Mühe und die Stasi-Vorwürfe gegen Jenny Gröllman zu umschiffen, kommt das Thema, das die letzten Lebensmonate der Schauspielerin prägte, doch auf den Tisch. Die Ungeheuerlichkeit der Anschuldigungen habe, so wird vermutet, dem Krebs neue Nahrung gegeben, es habe sie innerlich aufgefressen, obwohl Gröllmann bis zum Schluss gekämpft hat – gegen den Krebs ebenso wie gegen die Diffamierungen. Den Kampf um ihren guten Ruf hat sie gewonnen, der Kampf gegen den Krebs hingegen blieb aussichtslos.

Nur einmal sehen wir sie in den letzten Wochen, abgemagert, ausgezehrt, alle Kraft ist aus der energischen Person gewichen. Und doch dirigiert sie auf dem Krankenbett ein imaginäres Orchester, so als wolle sie uns sagen: „Die Musik, die Show wird weitergehen, auch ohne mich.“

Dieser Film ist ein Stück Trauer- und Erinnerungsarbeit – über die Schauspielerin Jenny Gröllmann und das Erbe der Filme, die in der DDR entstanden und die bis heute viel zu wenig im Bewusstsein der gesamtdeutschen Öffentlichkeit angekommen sind. Auch das wäre eine Form der Überwindung der Mauern, die immer noch in unseren Köpfen bestehen.

Ich will da sein - Jenny Gröllmann

Für diejenigen Menschen, die mit Jenny Gröllmann im Laufe ihres Berufslebens zu tun hatten, war sie die ungekrönte Prinzessin der DDR-Theater- und Filmszene, in der nahezu jeder jeden kannte.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Steffen · 24.09.2010

Eine wunderbare Schauspielerin diese Jenny Gröllmann.
Dieser Film zeigt ihr Genie und eine Leichtigkeit, von der ich mir eine Scheibe abschneide.
DVD gibt`s inzwischen.

Alex · 18.10.2009

Immer noch keine DVD. Finde ich auch merkwürdig, da nachdem Film öfters gefragt wird.

beate höger · 08.09.2008

Besser ist kein Film zu machen. Wieso gibt es keine DVD?