Buster's Mal Heart

Eine Filmkritik von Lucas Barwenczik

Widerstand gegen die höheren Mächte

Das Schicksal des Propheten ist die Einsamkeit. Seine Warnungen stören. Wer ein neues Leben predigt, stößt bei den Verfechtern des bestehenden auf wenig Gegenliebe. In der Bibel flieht der zum Propheten auserkorene Jona deshalb vor seinem göttlichen Auftrag. Zur Strafe muss er im Bauch eines Wals die vollkommene Isolation kennenlernen. Es ist eine Geschichte über die Unmöglichkeit, sich dem höheren Willen zu entziehen. Eine Machtdemonstration.
Buster’s Mal Heart, der zweite Spielfilm von Regisseurin Sarah Adina Smith, ist eine Art (post)moderne Adaption dieser biblischen Erzählung. Auch dieser Jonah (Rami Malek) scheint abseits von allem zu stehen. Die Mischung aus Mystery-Thriller und Drama zeigt parallelmontiert verschiedene Etappen seines Lebens: Als überforderter Familienvater, von den ewigen Nachtschichten als Concierge eines Hotels in einen Zustand von Insomnie und Verzweiflung getrieben. Als jesusbärtiger Herumtreiber „Buster“, der in die Luxusferienwohnungen reicher Geschäftsleute einbricht; dort ist er auch Prophet, der vor einer großen Katastrophe, der „second inversion“ warnen will. Auf einem Boot, hilflos im Meer treibend, die Stimme gen Himmel erhebend, um gegen Gott zu zürnen. Und in einer der ersten Szenen des Films: Gejagt, unter Beschuss, kurz davor, seinen Verfolgern in die Hände zu fallen.

Die Grundfrage ist: Was verbindet diese Versionen desselben Menschen, die verschiedenen Lebensentwürfe? Welche von ihnen existieren wirklich, welche sind Träume oder Visionen? Wie wird die eine zur anderen, welche Pfade gibt es, welche stehen offen? In seiner Machart erinnert Buster’s Mal Heart an die Filme von Regisseuren wie Richard Kelly oder Shane Carruth, aufgebaut wie Rätselmaschinen mit vielen kleinen Teilen. Smith breitet Einzelpunkte vor dem Zuschauer aus und beginnt nach und nach, sie miteinander zu verknüpfen, Match Cuts verweben Symbole und Szenen, bis – wenn auch schemenhaft – ein Bild entsteht.

Erst einmal wird ein Leben gezeigt, das den Wunsch auszubrechen verständlich macht. Jonah liebt seine Ehefrau, die geläuterte Drogensüchtige Marty (Kate Lyn Sheil) und seine Tochter, doch er kann die knappe Zeit mit ihnen kaum genießen. Meistens ist er übermüdet, Rami Malek starrt mit leerem, sediertem Blick durch den Film. Aus Geldmangel leben sie bei Martys Eltern, die der Beziehung ihrer Tochter mit einem Nicht-Weißen skeptisch gegenüberstehen. Sein Chef gibt sich empathisch, doch bietet nur Heftpflaster für tiefe Fleischwunden, etwa Vorhänge, damit Jona tagsüber besser schlafen kann. Ein Motivationsposter befiehlt: „Smile. Strive. Succeed.“, doch die Arbeitswelt, die gezeigt wird, entlarvt diesen Automatismus als schönen Schein. Dementsprechend empfänglich ist Jonah für die kruden Thesen eines plötzlich auftauchenden Fremden (gespielt von DJ Qualls), der sich selbst als „der letzte freie Mensch“ bezeichnet und vor der Macht des Systems warnt. Jonah kann sich vorstellen, was er meint.

Die Religion ist in dieser Welt immerzu präsent – Gott wird im Fernsehen beworben und in Messen gepredigt –, sie bietet nur keine Hilfe mehr, lindert kaum den Schmerz des Daseins. Apokalyptische Verschwörungstheorien treten ihr als modernes Heilsversprechen gegenüber, an vielen Stellen gehen sie ineinander über. Ihnen ist gemein, dass sie einen Teil der menschlichen Selbstbestimmung negieren. Man unterwirft sich ihnen, weil sie vom ohnehin Unvermeidbaren predigen und damit erlauben, die eigene Initiative aufzugeben. Die Parallelmontage des Films bildet genau das ab: Verschiedene Pfade laufen gemeinsam auf dasselbe Ende hin. Genau wie der biblische Jona will auch der filmische aufbegehren, vor allem, weil tragische Verluste ihn auch noch zu einer Art Hiobsfigur werden lassen. Sein Widerstand nimmt extreme Formen an, es kommt zum Versuch, Gott zu töten.

Wie erfolgreich er damit ist, bleibt offen, wie das meiste im Film. Es geht Smith vor allem um das Aufzeigen von Möglichkeiten. Darum, wie jede Entscheidung andere Optionen eliminiert, was aber nicht gleichbedeutend ist mit einer Welt, in der es nur einen Pfad gibt. Buster’s Mal Heart zeigt einen Kampf der Möglichkeiten, in dem es nicht unbedingt den richtigen oder falschen, sondern lediglich unterschiedliche Wege gibt. Der Film weist darauf hin, wie ähnlich Jonah seinem biblischen Vorbild ist, reproduziert bekannte Momente und betont sie in den Dialogen. Doch wenn der Abspann läuft, wird man trotzdem das Gefühl nicht los, dass dieser Prophet sich den höheren Mächten erfolgreich widersetzt hat.

Buster's Mal Heart

Das Schicksal des Propheten ist die Einsamkeit. Seine Warnungen stören. Wer ein neues Leben predigt, stößt bei den Verfechtern des bestehenden auf wenig Gegenliebe. In der Bibel flieht der zum Propheten auserkorene Jona deshalb vor seinem göttlichen Auftrag. Zur Strafe muss er im Bauch eines Wals die vollkommene Isolation kennenlernen. Es ist eine Geschichte über die Unmöglichkeit, sich dem höheren Willen zu entziehen. Eine Machtdemonstration.
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