Stella - Kleine große Schwester

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Einfühlsames Drama für die ganze Familie

„In the sea of love I will swim to you, you are so beautiful …“ – Mit diesen Worten beginnt Sanna Lenkens Stella, der auf der Berlinale 2015 mit dem Gläsernen Bären ausgezeichnet wurde und im Original Min lilla syster – meine kleine Schwester – heißt. Diese ersten Momente sind sehr vielsagend, erschließen sich in ihrer ganzen Bedeutung erst zum Ende des Films, geben jedoch bereits den thematischen Rahmen vor: Es geht um Liebe, um Verheißung, um die Kraft, die man aufwendet, seine Ziele zu erreichen, aber auch um die Gefahr, sich zu verlieren.
Stella (Rebecka Josephson) und Katja (Amy Deasismont) sind Schwestern. Stella bewundert auf der einen Seite ihre ältere Schwester, die eine erfolgreiche Eiskunstläuferin ist und versucht ihr nachzueifern. Doch auf der anderen Seite leidet sie darunter, dass sie immer in Katjas Schatten steht. Dann findet Stella heraus, dass ihre Schwester magersüchtig ist. Auf Druck von Katja schweigt sie zunächst, sieht sich indes irgendwann gezwungen, die Eltern (Henrik Norlén, Annika Hallin) einzuweihen. Die Familie stürzt in eine tiefe Krise.

Schon in den ersten Momenten wird klar: es geht um Beziehungen. Was Sanna Lenken in den folgenden 90 Minuten daraus macht, ist im Großen und Ganzen recht überraschungsfrei, doch wird dies durch ihr hohes Einfühlungsvermögen für die Geschichte und die – von Josephson und Deasismont überzeugend gespielten – Figuren komplett wettgemacht. Lenken gelingt hier ein systemischer Blick auf eine Familie, die sich mit der Krankheit eines Familienmitglieds auseinandersetzen muss. Sehr anschaulich wird die Kraft von funktionierenden Beziehungen gezeigt. Lenken macht außerdem klar, wie wichtig es ist, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen, aber dieselbe im richtigen Moment auch an andere abgeben zu können. Hier das richtige Maß zu finden – das sieht man in Stella eindrucksvoll – macht das Familiensystem resilient gegen Störungen. Besonders stark ist der Film immer dann, wenn es der Regisseurin gelingt, die Grenzen der innerfamiliären Hilfe zu zeigen. Sehr intensiv sind die Szenen, in denen die überforderten Eltern während eines Wochenend-Urlaubs versuchen, die Heilung ihrer kranken Tochter selbst in die Hand zu nehmen – und scheitern. Auch hier gilt es für die Eltern, den Spagat zwischen Nähe und Distanz zu schaffen und die richtigen Konsequenzen aus der Liebe zu ihrer älteren Tochter zu ziehen.

Die differenzierte Sicht auf die Figuren und ihre Probleme, die über den ganzen Film präsent ist, aber in solchen Momenten besonders deutlich wird, wie auch der – trotz aller Dramatik – warmherzige Ton, das sind die Qualitäten, die Stella zu einem Film für Jung und Alt, also für die ganze Familie, machen. Wenn man etwas bemängeln möchte, dann vielleicht, dass all dem ein wenig der Fokus zu fehlen scheint. Weder Stellas Persönlichkeitsentwicklung, die Krankheit ihrer Schwester noch die Dynamiken innerhalb der Familie stehen wirklich im Mittelpunkt der Geschichte. Man kann das Gefühl bekommen, all das wird nur angerissen, ohne wirklich vertieft zu werden. Aber man kann es auch positiv formulieren, denn in dieser Hinsicht ist der Film wie das echte Leben: Dinge passieren. Auch hier gibt es niemanden, der sich um die Dramaturgie der Handlung schert. Was wichtig ist und was nicht, liegt im Auge des Betrachters. Doch in all dieser Unübersichtlichkeit gibt es dennoch eine Orientierungsgröße, die einem, wie ein Leuchtfeuer in der Nacht, den Weg aus der Dunkelheit zeigen kann: Freundschaft und Liebe. „In the sea of love I will swim to you …“

Stella - Kleine große Schwester

„In the sea of love I will swim to you, you are so beautiful …“ – Mit diesen Worten beginnt Sanna Lenkens „Stella“, der auf der Berlinale 2015 mit dem Gläsernen Bären ausgezeichnet wurde und im Original „Min lilla syster“ – meine kleine Schwester – heißt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen