Schwester Weiß

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Wer's glaubt, wird selig

Schwester Weiß: Das ist ein wunderbarer Titel für diesen Film. Geht es doch um zwei Schwestern, Birgit und Helene Weiß, wobei Birgit inzwischen Ordensschwester mit Namen Martha (Zeljka Preksavec) wurde und Helene (Lisa Martinek) nach einem Unfall mit retrograder episodischer Amnesie ein komplett unbeschriebenes, weißes Blatt ist. Zeit ihres Lebens waren sich diese Geschwister nicht grün, zu unterschiedlich im Wesen – die Wilde hier, die ihr Leben nach eigenen Maßstäben führen wollte, die Folgsame da, die stets alles richtig machen will. Auch und gerade in religiösen Fragen sind die beiden oft aufeinander losgegangen, Atheismus auf der einen, tief empfundener, helfender Katholizismus auf der anderen Seite.
An der religiösen Frage entzündet sich auch der Hauptkonflikt des Films. Nach dem schweren Autounfall hat Schwester Martha den tief empfundenen Anspruch an sich und von Gott, Helenes Gedächtnis wieder herzustellen. Und sie ergreift diese Chance, aus der Schwester, deren Wesen ihr nie gepasst hat, ein Wesen herzustellen, das ihren Werten entspricht. Dieses Handlungsmoment: Das ist sehr stark, ein wirklich packender Stoff; doch so emotional und intellektuell packend dieses Motiv ist – es ist aufgehängt an einem sehr schwachen Auslöser. Helene, unfähig, sich an Ehemann und Tochter zu erinnern, empfindet nichts angesichts von deren tragischem Tod. Ihre Schwiegermutter (Beatrice Richter), voll Trauer, will die Bestattung im Sinne ihres Sohnes lösen – doch Einäscherung und anschließendes Begräbnis im Friedwald kommt für Martha nicht in Frage, die Nichte Maya hat sich für den Glauben interessiert, sie soll ein traditionell katholisches Begräbnis bekommen!

Dieser Auslösungspunkt anhand einer bloßen Frage des richtigen Trauerrituals ist sehr brüchig; vielleicht besonders für Nicht-Katholiken, denen der traditionelle Wert geweihten Friedhofsbodens nicht so vertraut ist. Dieser Konflikt-Impuls des Films bezeugt vor allem eins: Die von Beginn an bestehende und ungebrochene Verbohrtheit aller Figuren. Eine unmäßige Intoleranz in Sachen Glaube und Moral, die alles verdammt, was anders denkt als man selbst – ein sturer Egozentrismus, der einem die Figuren von Anfang an verleidet. Wie kann eine Ordensschwester, Mutter Oberin gar und Chefin eines Altenpflegeheimes, so wenig Einfühlungsvermögen besitzen? Wie können sich die Schwester – als sie noch zurechnungsfähig war –, wie kann sich deren Schwiegermutter so borniert verhalten, statt mit Argumenten mit unerklärten Gefühlen jedes familiäre Miteinander von Grund auf verhindern? Der Versuch Marthas, durch kleine Tricksereien, durch psychologische Feinheiten, durch emotionale Einflussnahme Helene in die gewünschte Richtung einer katholischen Bestattung zu treiben – so effektiv das als plottreibendes Motiv ist, so sehr fällt es auf die Mutter Oberin zurück; kein Wunder, dass sie Glaubenszweifel befallen.

Psychologisch unglaubwürdig ist der Film; überfrachtet mit Konflikten – mit Schwester und Verwandtschaft, mit dem Bürgermeister um die Finanzförderung eines Neubaus, letztendlich mit Gott und mit sich selbst; und zudem viel zu überdeutlich in dem, was er ausdrücken will. „Das erinnert mich an die Geschichte vom verlorenen Sohn“, erwähnt eine der Ordensschwestern einmal gegenüber Martha und fügt überflüssigerweise hinzu: „bei Lukas“. Als wüsste die Mutter Oberin nicht, welches Gleichnis an welcher Bibelstelle steht. Da hilft auch nicht, dass Martha erwidert „Ich weiß, wo das steht“ – denn dies wiederum ist nur das heimliche Eingeständnis von Regisseur Dennis Todorovic, dass er diesen Zusatz nur zur Orientierung des Zuschauers, nicht als wahrhaftige Äußerung einer Figur eingebaut hat. Immer wieder auch diese Erwähnungen, wie ungesund Zigaretten sind – zu wenig für einen Running Gag, viel zu viel, um die subtile Beiläufigkeit zu erreichen, die angemessen wäre.

Nun ist freilich nicht alles schlecht. Der Schwesternkonflikt; das Ordensschwesternmilieu – all das hat seine Berechtigung und ist zu großen Teilen auch schön in Szene gesetzt. Vor allem aber ist es die Sprache, die den Film leben lässt: Schwester Weiß ist in Schwäbisch gehalten, nicht aus Gründen der Volkstümlichkeit, nicht zur regionalen Anbiederung; sondern aus Gründen der Authentizität, der Verwurzelung in eine Landschaft, in eine Art des Denkens und des Glaubens, die dem Film zu einer gewissen, hintergründigen Glaubwürdigkeit verhilft.

Schwester Weiß

„Schwester Weiß“: Das ist ein wunderbarer Titel für diesen Film. Geht es doch um zwei Schwestern, Birgit und Helene Weiß, wobei Birgit inzwischen Ordensschwester mit Namen Martha (Zeljka Preksavec) wurde und Helene (Lisa Martinek) nach einem Unfall mit retrograder episodischer Amnesie ein komplett unbeschriebenes, weißes Blatt ist.
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